Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Zentrum für Niederlande-Studien

Alter Steinweg 6/7
48143 Münster
Direktor: Prof. Dr. Friso Wielenga
 
Tel. (0251) 83- 2 85 11
Fax: (0251) 83- 2 85 20
e-mail: zentrum.fuer.niederlandestudien@uni-muenster.de
www: http://www.hausderniederlande.de
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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Forschungszentren
Zentrum für Niederlande-Studien
Forschung


Sensibilität und Verwundbarkeit in Vergangenheit und Gegenwart.
Niederländisch-deutsche Beziehungen
zur Zeit der Weimarer Republik (1918 - 1933)

Auf deutscher und auf niederländischer Seite hat das Interesse für die bilateralen Beziehungen in den 1990er Jahren sowohl auf politischer als auch auf wissenschaftlicher Ebene stark zugenommen. Die deutsche Wiedervereinigung und die Unsicherheit der frühen neunziger Jahre bezüglich der künftigen Rolle der Bundesrepublik in der internationalen Politik, die empfindliche Reaktion in den Niederlanden auf die Brandanschläge in der Bundesrepublik während dieser Zeit ('Ich bin wütend'-Postkartenaktion), die Umfrageergebnisse zum niederländischen Deutschlandbild, die Reibungen zwischen Bonn und Den Haag über die Nachfolge Delors' als Vorsitzender der Europäischen Kommission (Affäre Lubbers) - um nur diese Beispiele zu nennen - führten auf beiden Seiten der Grenze zu einem 'Krisengefühl' in den bilateralen Beziehungen.

Einerseits ist heute dieses Krisengefühl weitgehend verschwunden. Niederländische und deutsche Politiker betonen immer wieder die enge Zusammenarbeit in der EU, in der NATO und im 1. Deutsch-Niederländischen Korps, Jugendaustauschprogramme zeigen ihre Wirkung und die Berichterstattung in niederländischen Medien über Deutschland ist nüchterner und sachlicher geworden. Andererseits jedoch bleibt das Bewusstsein eines oft schwierigen bilateralen Verhältnisses, in dem auf niederländischer Seite kritische Einstellungen leicht entflammbar sind. Zur Erklärung dieser niederländischen Empfindlichkeiten wird oft auf das lange Nachwirken des Zweiten Weltkrieges hingewiesen. So wie in den frühen neunziger Jahren die Reibungen vor allem vor diesem Hintergrund gesehen wurden, so wird auch heute immer noch das Trauma der Besatzungszeit 1940 - 1945 als zentraler Bestandteil leicht mobilisierbarer Empfindlichkeiten betrachtet.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Erinnerungen an die Besatzungszeit für die deutsch-niederländischen Beziehungen wirklich noch so wichtig sind. Es spricht nämlich viel für die These, dass das Verhältnis eher durch die Asymmetrie zwischen beiden Ländern bestimmt wird und dass der Größenunterschied in Einwohnerzahl und Fläche, die wirtschaftliche Verflechtung und niederländische Abhängigkeitsgefühle zu einem strukturellen Spannungs feld führen, das auch künftig niederländische Empfindlichkeiten speisen kann. Diese Feststellung ist weder eine fatalistische Äußerung noch ein Freibrief für die Kultivierung psychologischer Distanz. Im Gegenteil: Es geht darum, dass auf beiden Seiten der Grenze die Einsicht wächst, dass niederländische Ambivalenz und Sensibilität zum normalen Muster dieser Beziehung gehören, auch wenn Erinnerungen an die Besatzungszeit hin und wieder darin durchscheinen. Solange die Spannungen sich nicht stauen und gegenseitig hochschaukeln, gehört dies zur normalen Form von Bilateralität zwischen einem kleinen Land, das sich manchmal Sorgen um seine Identität und Selbständigkeit macht, und seinem wesentlich größeren Nachbarn mit einem großen Gewicht in Wirtschaft und internationaler Politik.

Vor diesem Hintergrund sollen im geplanten Forschungsvorhaben Aspekte der Beziehungen während der Zeit der Weimarer Republik (1918 - 1933) untersucht werden. Denn erst durch eine Analyse und Berücksichtigung älterer bilateraler Linien und Muster lässt sich den potentiellen Spannungen der Zukunft mit der nötigen Gelassenheit entgegentreten. Überblickt man jedoch den Forschungsstand in diesem Bereich, dann fällt deutlich auf, dass die Zeit der Weimarer Republik immer noch ,ein blinder Fleck' ist. Ziel dieses Projekts ist es, dieses Defizit zu verringern und damit historische Wirklichkeit zu erfassen, gerade auch in ihrer Bedeutung für das Verständnis gegenwärtiger und absehbarer Probleme zwischen den beiden Nationen.

Das Ministerium für Wissenschaft und Forschung NRW hat Anfang Oktober 2000 das Projekt honoriert. Seit dem 1. November 2000 ist Dr. Ries Roowaan als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für dieses Projekt eingestellt. Ihm stand vom 1. November 2000 bis zum 31. Oktober 2001 Marc Drögemöller als Studentische Hilfskraft für flankierende Recherchearbeiten zur Seite. Die Literatur- und Archivforschung ist inzwischen abgeschlossen. Seit Mitte September 2001 befindet sich das Projekt in der Phase der Textniederschrift, und es sind bereits erste Kapitel geschrieben worden. Das Projekt wird voraussichtlich im November 2002 mit der Veröffentlichung einer Monographie abgeschlossen.

Projektdauer:

Oktober 2000 - November 2002

Beteiligter Wissenschaftler:

Dr. Ries Roowaan
 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak
Informationskennung: FO30AA02
Datum: 2004-01-22