Westfälische Wilhelms-Universität
Münster
|
Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft Georgskommende 26 u. 33 48143 Münster Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Armin Bernhard |
Tel. (0251) 83-24227, -24218, -24234, -24200
Fax: (0251) 83-24184, -24242 e-mail: erzwi1d@uni-muenster.de www: http://www.uni-muenster.de/Erziehungswissenschaft |
|
Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002 Fachbereich 06 - Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften |
||||
Pädagogisch-psychologische Analysen der Scheidungsfolgen bei Kindern
Die Bindungsforschung
(z.B. AINSWORTH et al., 1978; BOWLBY, 1975; GROSSMANN & GROSSMANN, 1999; RAUH, 2000;
SPANGLER & GROSSMANN, 1995) hat u.a. gezeigt, dass eine sog. sichere Bindung an eine oder mehrere,
meistens familiäre Bezugspersonen das heranwachsende Kind erkennbar nachhaltig dazu befähigt
und ermutigt, aktiv und erkundungsbereit auf die Dinge der Welt zuzugehen. Das etablierte
Persönlichkeitsmerkmal einer sog. unsicheren Bindung dagegen befördert eher eine reservierte,
passiv-vermeidende Erkundungs- und Lernhaltung mit den entsprechenden Ergebnissen. Dabei hat sich
gezeigt, dass die Güte der genannten Sozialbeziehungen - zumal in der Frühkindheit - vom Grad der
praktizierten Feinfühligkeit der Bezugsperson innerhalb der Interaktionen abhängig ist
(GLOGER-TIPPELT, 1992). Von neurobiologischer Seite wird dazu betont (etwa: A. N. SCHORE, 2000), dass
die
zunehmende Ausdifferenzierung der Gehirnstrukturen durch diesen affektiven Transfer zwischen Mutter und
Kind signifikant positiv beeinflußt wird (Vernetzungsgrad der Gehirnzellen in direkter Abhängigkeit
von der Qualität der angebotenen Außen-Stimulation).
Eine u.a. auch dem Gerechtigkeitsideal
anhängende Gesellschaft müßte - als Folge dieser und ähnlicher
Erkenntnisse - ein
geradezu vitales Interesse daran artikulieren, die Aufwachsbedingungen aller ihrer Kinder so zu gestalten,
dass die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung und das Beibehaltenkönnen einer "sicheren
Bindung" an die Vertrauen und Lebenszuversicht stiftende, anregende und voll zur Verfügung stehende
Bezugsperson von der Geburt bis möglichst durch die gesamte Kindheit unbeeinträchtigt für
jedes Kind gewährleistet ist. In der Bundesrepublik ist dies (aus mehreren Gründen) nicht der Fall.
Von den Ungleichheit schaffenden Aufwachsbedingungen ist das Ereignis der Scheidung der Eltern und ihrer
Auswirkungen auf die schuldlos davon betroffenen Kinder einer besonderen pädagogischen Beachtung
wert, zumal sich die Zahl der Ehescheidungen in den letzten etwa 30 Jahren fast verdoppelt hat
(Statistisches
Bundesamt, 2001) und bei ca. 40% der Ehen liegt.
In jüngster
Zeit haben die vorgelegten Befunde großer empirischer amerikanischer Langzeit-Studien (WALLERSTEIN,
LEWIS & BLAKESLEE, 2000; HETHERINGTON & KELLY, 2002) den Blick auf die Scheidungsfolgen aus der
Perspektive der Kinder gerichtet ("Die Kinder tragen die Last"). Von soziologischer Seite ist der Analyse von
Scheidungsgründen und Scheidungsrisiken vermehrt nachgegangen worden (z.B. die große
Meta-Analyse von WAGNER & WEISS, 2003). Zu fragen ist auch, wie weit die familienpolitischen
Rahmenbedingungen zur Varianzaufklärung beitragen. Es muss den Pädagogen sehr nachdenklich
stimmen, wenn erwähnenswerte familienpolitische Akzente in unserem Lande nicht von den
willensbildenden Einrichtungen, sondern vom Bundesverfassungsgericht stammen.
Die
Studie will aus pädagogisch-psychologischer Sicht die Entwicklungsproblematik von Scheidungskindern
im Vergleich zu Nicht-Scheidungskindern untersuchen und zugleich reflektieren, wie lange und in welchem
Maße sich eine Gesellschaft Eltern leisten kann, die in ihrem Bemühen um eigene
Selbstverwirklichung das Wohl und die naturnotwendigen Bedürfnisse ihres Kindes aus den Augen zu
verlieren drohen. Die Optimierung der Lebenschancen des Nachwuchses muss auf allen Ebenen zu einer
gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden. Eltern müssen ideell und materiell gestützt und das
Land muss erheblich kinderfreundlicher werden. Es lohnen internationale Vergleiche. Man betrachte nur die
Lage der Kinder in Frankreich!
Beteiligter Wissenschaftler:
|
||||