Westfälische Wilhelms-Universität Münster
Forschungsbericht 2001-2002
 
Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft

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Forschungsschwerpunkte 2001 - 2002

Fachbereich 06 - Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften
Institut für Allgemeine Erziehungswissenschaft
Pädagogische Psychologie


Pädagogisch-psychologische Analysen der Scheidungsfolgen bei Kindern

Die Bindungsforschung (z.B. AINSWORTH et al., 1978; BOWLBY, 1975; GROSSMANN & GROSSMANN, 1999; RAUH, 2000; SPANGLER & GROSSMANN, 1995) hat u.a. gezeigt, dass eine sog. sichere Bindung an eine oder mehrere, meistens familiäre Bezugspersonen das heranwachsende Kind erkennbar nachhaltig dazu befähigt und ermutigt, aktiv und erkundungsbereit auf die Dinge der Welt zuzugehen. Das etablierte Persönlichkeitsmerkmal einer sog. unsicheren Bindung dagegen befördert eher eine reservierte, passiv-vermeidende Erkundungs- und Lernhaltung mit den entsprechenden Ergebnissen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Güte der genannten Sozialbeziehungen - zumal in der Frühkindheit - vom Grad der praktizierten Feinfühligkeit der Bezugsperson innerhalb der Interaktionen abhängig ist (GLOGER-TIPPELT, 1992). Von neurobiologischer Seite wird dazu betont (etwa: A. N. SCHORE, 2000), dass die zunehmende Ausdifferenzierung der Gehirnstrukturen durch diesen affektiven Transfer zwischen Mutter und Kind signifikant positiv beeinflußt wird (Vernetzungsgrad der Gehirnzellen in direkter Abhängigkeit von der Qualität der angebotenen Außen-Stimulation).

Eine u.a. auch dem Gerechtigkeitsideal anhängende Gesellschaft müßte - als Folge dieser und ähnlicher Erkenntnisse - ein geradezu vitales Interesse daran artikulieren, die Aufwachsbedingungen aller ihrer Kinder so zu gestalten, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung und das Beibehaltenkönnen einer "sicheren Bindung" an die Vertrauen und Lebenszuversicht stiftende, anregende und voll zur Verfügung stehende Bezugsperson von der Geburt bis möglichst durch die gesamte Kindheit unbeeinträchtigt für jedes Kind gewährleistet ist. In der Bundesrepublik ist dies (aus mehreren Gründen) nicht der Fall. Von den Ungleichheit schaffenden Aufwachsbedingungen ist das Ereignis der Scheidung der Eltern und ihrer Auswirkungen auf die schuldlos davon betroffenen Kinder einer besonderen pädagogischen Beachtung wert, zumal sich die Zahl der Ehescheidungen in den letzten etwa 30 Jahren fast verdoppelt hat (Statistisches Bundesamt, 2001) und bei ca. 40% der Ehen liegt.

In jüngster Zeit haben die vorgelegten Befunde großer empirischer amerikanischer Langzeit-Studien (WALLERSTEIN, LEWIS & BLAKESLEE, 2000; HETHERINGTON & KELLY, 2002) den Blick auf die Scheidungsfolgen aus der Perspektive der Kinder gerichtet ("Die Kinder tragen die Last"). Von soziologischer Seite ist der Analyse von Scheidungsgründen und Scheidungsrisiken vermehrt nachgegangen worden (z.B. die große Meta-Analyse von WAGNER & WEISS, 2003). Zu fragen ist auch, wie weit die familienpolitischen Rahmenbedingungen zur Varianzaufklärung beitragen. Es muss den Pädagogen sehr nachdenklich stimmen, wenn erwähnenswerte familienpolitische Akzente in unserem Lande nicht von den willensbildenden Einrichtungen, sondern vom Bundesverfassungsgericht stammen.

Die Studie will aus pädagogisch-psychologischer Sicht die Entwicklungsproblematik von Scheidungskindern im Vergleich zu Nicht-Scheidungskindern untersuchen und zugleich reflektieren, wie lange und in welchem Maße sich eine Gesellschaft Eltern leisten kann, die in ihrem Bemühen um eigene Selbstverwirklichung das Wohl und die naturnotwendigen Bedürfnisse ihres Kindes aus den Augen zu verlieren drohen. Die Optimierung der Lebenschancen des Nachwuchses muss auf allen Ebenen zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe werden. Eltern müssen ideell und materiell gestützt und das Land muss erheblich kinderfreundlicher werden. Es lohnen internationale Vergleiche. Man betrachte nur die Lage der Kinder in Frankreich!

Beteiligter Wissenschaftler:

Prof. Dr. Klaus Sturzebecher

 
 

Hans-Joachim Peter
EMail: vdv12@uni-muenster.de
HTML-Einrichtung: Izabela Klak
Informationskennung: FO06AC01
Datum: 2003-09-08