Forschungsbericht 1999-2000   
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Psychologische Diagnostik und Klinische Psychologie

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[Pfeile  gelb] Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 07 - Psychologie und Sportwissenschaft
Psychologisches Institut I - Psychologische Diagnostik und Klinische Psychologie
Arbeitsbereich Prof. Dr. R. de Jong-Meyer
 


Die Erfassung von Selbstregulationsprozessen und ihre Beeinflussbarkeit

Modelle und Befunde der allgemeinpsychologischen Grundlagenforschung verweisen auf spezifizierbare Selbstregulations- und Handlungskontrollprozesse, die die Planung, Umsetzung und Bewertung von zielorientierten Handlungen fördern oder hemmen. Ziel der eigenen Projekte in diesem Bereich ist es, diese Prozesse auch bei psychischen Störungen zu untersuchen und zu klären, unter welchen Bedingungen und über welche Mechanismen es zu diesen fördernden bzw. hemmenden Effekten kommt.

Die in verschiedenen klinischen Gruppen (u. a. Angststörungen, vgl. Henn, Wilken & de Jong-Meyer, 1997; Essstörungen, vgl. de Jong-Meyer, Engberding, Schipper & Gillhoff; in Vorbereitung) übereinstimmend gefundenen Veränderungen von Handlungskontroll- und Selbstregulationskompetenzen im Verlauf von Therapien, die zudem mit guten Therapieerfolgen in Beziehung standen, waren Anlass, prospektiv zu untersuchen, ob Kurzinterventionen unter motivations- und volitionspsychologischer Perspektive optimiert werden können.

In den Dissertationsprojekten von Engberding und Michalak wurden zwei Kurzinterventionen entwickelt: a) die Förderung einzelner Phasen der Handlungssteuerung und ihrer Übergänge vom Abwägen über das Planen zur Umsetzung selbstgewählter Ziele und b) die zielorientierte Aktivierung von Ressourcen. Der Wirksamkeitsvergleich dieser beiden Interventionen untereinander und gegenüber zwei Kontrollbedingungen des bisher üblichen Vorgehens ("verhaltenstherapeutische Aktivitätsförderung" und "Unterstützung von Klienten im selbstgewählten Umgehen mit Zielen") erfolgte über eine kontrollierte Therapie-Analogstudie. 134 Klienten mit niedergeschlagener, ängstlicher Befindlichkeit verbunden mit Belastungsempfinden, Passivität, Lustlosigkeit sowie Problemen des Zeitmanagements wurden den jeweils aus 5 Sitzungen bestehenden Beratungsbedingungen nach Zufall zugewiesen. Bei den 112 Klienten, die die Interventionen nach Plan beendeten, gab es sehr bedeutsame Annäherungen an ihre selbstgesetzten Ziele. Ihre Selbstregulations-Kompetenzen nahmen zu (u. a. schnelleres Entscheiden, zügigerer Handlungsbeginn, bewussteres Vorgehen in Planung und Umsetzung, weniger Angst vor Mißerfolg), und ihr emotionales Befinden verbesserte sich. Diese Veränderungen hielten bis zur Nachkontrolle 6 Wochen nach dem letzten Gespräch an. Nach den varianzanalytischen Auswertungen ergaben sich bei den meisten Erfolgsmaßen keine differentiellen Effekte zwischen den Behandlungen. Der Vergleich über die erreichten Effektstärken ließ demgegenüber erkennen, dass die speziell optimierten Interventionen die Erfolgsindikatoren deutlicher und mit günstigerem längerfristigen Trend beeinflussten. Das Ziel der Optimierung kürzerer psychologischer Therapien wird weiterverfolgt, da Kurzinterventionen bei nachgewiesener Wirksamkeit für ein breites Spektrum subklinischer bis mittelschwerer klinischer Störungen auch unter Kosten-Nutzen-Perspektive indiziert sind.

Einen zentralen Stellenwert im Rahmen des Projektes nahmen spezifisch für Selbstregulation als relevant erachtete Interaktionsbeobachtungen und motivationsbezogene Sitzungseinschätzungen ein. Hier zeigte sich, dass die Anteile handlungsorientierter Äußerungen der Klienten und Therapeuten im Therapieverlauf deutlich zunahmen und die Anteile lageorientierter Planung sowie Misserfolgsverarbeitung deutlich abnahmen. Nach den Sequenzanalysen reagierten sowohl Klienten wie Therapeuten überwiegend durch Übernahme/Aufgreifen des vom Gesprächspartner gesetzten Aufmerksamkeitsfokus. Es zeigte sich weiterhin, dass die Klienten in erfolgreichen Beratungen signifikant häufiger die Aufmerksamkeitsfokussierung des Therapeuten aufgriffen bzw. einen impulsgebenden Wechsel initiierten als die Klienten in nicht erfolgreichen Beratungen. Zu Therapieende korrelierte die im Gespräch aktualisierte Handlungsorientierung mit den Erfolgsindikatoren der Therapien, mit der tatsächlichen Erreichung der von den Klienten angestrebten individuellen Ziele und mit einer Verbesserung der Affektivität.

Die klinische Relevanz dieser Prozessanalyse-Ergebnisse liegt nicht nur in den aufgezeigten und nun prospektiv prüfbaren Möglichkeiten einer gezielteren Gestaltung von Therapeut-Klient-Interaktionen, sondern auch in der Nutzung im Rahmen der Therapeuten-Ausbildung.

Nach der Vorstellung der Ergebnisse auf Kongressen (siehe Forschungsbericht 1997/98) und dem Abschluss der Promotionen werden derzeit Anschluss-Projekte vorbereitet, in denen die zeitliche Kontingenz von Therapeutenreaktionen auf selbstbezogene Äußerungen von Patienten untersucht werden soll. Im Falle der Bewilligung eines bei der DFG beantragten Graduiertenkollegs der Universität Osnabrück zum Thema "Integrative Kompetenzen und Wohlbefinden: Somatische, psychische, soziale und kulturelle Determinanten" , bei dem die eigene Arbeitsgruppe als "externer" Partner beteiligt ist, wird dieser Forschungsbereich in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Kuhl weitergeführt.

Beteiligte Wissenschaftler:

Dipl.-Psych. M. Engberding, Dipl.-Psych. W. Höping, Prof. Dr. R. de Jong-Meyer (Leiterin), Dipl.-Psych. U. Michalak, Dipl.-Psych. F. Schneider, Dipl.-Psych. K. Thiemann

Veröffentlichungen:

de Jong-Meyer, R., S. Schmitz, M. Ehlker, S. Greis, U. Hinsken, B. Sonnen, N. Dickhöver: Handlungsorientierte Interaktionsbeiträge in verschiedenen Therapien: Prozeßsteuerung und Erfolgsrelevanz. Zeitschrift für Klinische Psychologie, Psychopathologie und Psychotherapie, 1999, 47, 172-190.

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2002-03-25