Forschungsbericht 1999-2000   
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[Pfeile  gelb] Forschungsschwerpunkte 1999 - 2000
Fachbereich 04 - Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Institut für Finanzwissenschaft
Lehrstuhl Finanzwissenschaft I
 


Finanzwissenschaft (speziell staatswirtschaftliche Allokationstheorie
und Verwaltungsökonomik/New Public Management)

Im Rahmen dieses Forschungsschwerpunktes wird auf der Grundlage ordnungspolitischer Prinzipien und mit Hilfe der finanzwissenschaftlichen Theorie der Einfluß staatlicher Allokationsentscheidungen und Verwaltungsstrukturen auf die Volkswirtschaft untersucht. Konkret geht es um die prinzipiengeleitete Generierung von Lösungsvorschlägen für Fehler bei der Verteilung von Kompetenzen, der Bahnung von Informationskanälen und der Gestaltung von Motivationsstrukturen durch die Finanzverfassung i.w.S, Fehler, die zu einem sogenannten Staatsversagen führen. Wesentliches Kennzeichen der Arbeit in diesem Feld soll ihr Praxisbezug sein. Dieser Praxisbezug wird durch die Mitgliedschaft von Prof. Grossekettler im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums erleichtert und durch die Zusammenarbeit mit Finanzminister a.D. Prof. Dr. Georg Milbradt, Finanzstaatssekretär Dr. Ingolf Deubel, Stadtkämmerer Dr. Sander und Universitätskanzler Dr. Anderbrügge sichergestellt.

  1. Weiterentwicklung ordnungspolitischer Prinzipien

    Die Konkretisierung ordnungspolitischer Prinzipien und ihre Anwendung auf wirtschaftspolitische Fragestellungen standen im Mittelpunkt mehrerer Aufsätze von Prof. Grossekettler. Diese Arbeiten beschäftigen sich mit der Wiederbelebung und Weiterentwicklung des Leitbilds der Sozialen Marktwirtschaft sowie der Verbindung von Ordnungstheorie und Recht. In Anlehnung an ordoliberale Prinzipien münden sie in einem Katalog von Kriterien, denen Ziele staatlicher Eingriffe und Maßnahmen zu ihrer Durchführung genügen sollten. Es wird gezeigt, wie diese Kriterien auf Probleme der Wettbewerbs- und Finanzpolitik angewendet werden können. Konkrete Anwendungsgebiete im Rahmen der staatswirtschaftlichen Ordnungspolitik werden in Promotionsvorhaben zur Behandlung von Strukturkrisen, zur Entwicklung des Haushaltsrechts als Reaktion auf Funktionsdefekte, zur Funktionsfähigkeit gebietskörperschaftlicher Steuersysteme, zur Ausgestaltung des Rentenversicherungssystems sowie zum Organisationsrecht staatlicher Organe untersucht. Gegenwärtige Forschungsprojekte:

    1. Struktur und Funktionsfähigkeit gebietskörperschaftlicher Steuersysteme

      Die umfassende Steuerfinanzierung staatlicher Leistungen führt gegenüber einer in den meisten Fällen ökonomisch sinnvolleren Entgeltfinanzierung zu steuerbedingten Zusatzlasten (Excess burden). In einer Synthese von normativer Steuertheorie und Theorie des Fiskalföderalismus sowie unter Anwendung von Überlegungen aus der ökonomischen Theorie der Politik wird untersucht, nach welchen Prinzipien und Regeln ein rationales Steuersystem in einer föderalistischen Finanzverfassung ausgestaltet werden sollte, um die negativen Anreizwirkungen und Zusatzlasten einer Steuerfinanzierung zu minimieren. (Bearbeiter: Dipl.-Vw. M. Kübbeler)

    2. Die Umstrukturierungsordnung als Rahmenvorschrift zur Heilung von Strukturkrisen

      In der Vergangenheit hat sich vielfach gezeigt, daß punktuelle Hilfen des Staates bei Strukturkrisen eher zu deren Konservierung als zu einer beschleunigten Bewältigung geführt haben. Ziel der Arbeit ist es daher, den vorhandenen Ordnungsrahmen um eine Umstrukturierungsordnung zu erweitern, d.h. in die bestehende Wirtschaftsordnung einen Automatismus zu implantieren, welcher beim Auftreten von Strukturkrisen aktiviert wird. Er soll Maßnahmen des Staates auslösen, die geeignet sind, zur Heilung von Strukturkrisen beizutragen. Dabei wird auf den dynamischen Struktur(krisen)begriff der Systemtheorie zurückgegriffen. Dieser passt zu den Untersuchungen zur Dynamik der Wirtschaftsstruktur, die am Lehrstuhl durchgeführt werden. (Bearbeiter: Dipl.-Vw. S. Janßen, Geschäftsführer der AS-Finanzdienstleistungen GmbH, Münster)

    3. Die Entwicklung des Haushaltsrechts als Reaktion auf Funktionsdefekte

      In dieser Studie wird untersucht, wie sich das Haushaltsrecht von seiner Entstehung bis heute entwickelt hat. Dabei wird von den Budgetfunktionen ausgegangen, die das Haushaltsrecht nach heutiger Ansicht zu erfüllen hat. Vor diesem Hintergrund wird geprüft, ob auf Funktionsmängel im politisch-administrativen System in Vergangenheit und Gegenwart mit Reformen reagiert wurde bzw. wird. Die Haushaltsrechtsreformen werden daraufhin untersucht, ob sie die Funktionsmängel beseitigen konnten. Darüber hinaus geht es in der Arbeit darum, welche Gründe dafür verantwortlich sind, daß einerseits manche Funktionsdefekte bestehen blieben, obwohl Reformen durchgeführt wurden, und andererseits notwendige Reformen gescheitert sind. (Bearbeiterin: Dipl.-Vw'in S. Strube, Referentin beim Wissenschaftlichen Institut für Kommunikationsdienste, Bad Honnef, Arbeit im Jahr 2000 abgeschlossen)

    4. Ein Vergleich staatlicher Budgetierungsverfahren in der OECD

      Als Weiterentwicklung der oben beschriebenen historischen Längsschnittsuntersuchung des Haushaltsrechts werden in dieser Arbeit die bestehenden Haushaltsverfahren mehrerer Mitgliedsländer der OECD verglichen (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA, EU). Die Budgetierungsverfahren werden durch Vergleich mit den klassischen Budgetfunktionen, der ökonomischen Theorie der Staatsaufgaben und der neueren politischen Ökonomie auf ihre Funktionsfähigkeit untersucht. Nebenziel der Arbeit ist es, eine Art Best-practice für den Haushaltsbereich zu bestimmen. (Bearbeiter: Dipl.-Vw. Sven Gentner, M.Sc.)

    5. Allokationstheoretische Begründung von Sozialpolitik - Theoretische Begründung und historische Fundierung

      In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, Sozialpolitik - die gemeinhin dem Bereich der Distribution zugerechnet wird und in der Finanzwissenschaft von den Bereichen Allokations- und Stabilitätspolitik abgegrenzt wird - allokationstheoretisch zu begründen. Eine allokationstheoretische Begründung von Sozialpolitik muss nachweisen, dass sozialpolitische Maßnahmen pareto-verbessernd wirken bzw. Koordinationsmängel auf bestimmten Märkten beseitigen. Deshalb werden verschiedene Formen des Marktversagens auf ihre sozialpolitische Relevanz untersucht. Ergänzt wird dieser theoretische Teil durch eine historische Darstellung und Bewertung sozialpolitischer Maßnahmen. (Bearbeiter: Dipl.-Vw. Martin Kamp, Referent der CDU/CSU Bundestagsfraktion)

  2. Finanzverfassung

    Im Rahmen der Anwendung ordnungspolitischer Grundsätze und der Kollektivgütertheorie werden Anforderungen an eine Finanzverfassung formuliert. Insbesondere werden Bereitstellungsaufgaben und -kompetenzen des Staates im Allokations-, Distributions- und Stabilisierungsbereich normativ untersucht, aus denen sich Regelungsdefizite der geltenden Finanzverfassung ableiten lassen. Hier liegen die konkreten Anknüpfungspunkte der Arbeiten zu gebietskörperschaftlichen Steuersystemen, zur EU-Finanzverfassung und zur ökonomischen Analyse des Staatsorganisationsrechts. Dipl.Vw. Ulrich Wibbeke (Senatsverwaltung für Finanzen, Berlin) untersucht in seiner Studie, welche Organisationsregeln, d.h. Regeln für die Zuteilung von Entscheidungs-, Aufgaben-, Einnahmen- und Ausgabenverantwortung, sich aus der Theorie des Föderalismus und der Kollektivgütertheorie ableiten lassen und wie sie auf die Bundesrepublik Deutschland angewendet worden sind bzw. angewendet werden sollten.

  3. Privatisierung und Deregulierung

    Die ordnungspolitischen Grundsätze werden auf die Fragen der Privatisierung, Deregulierung und Entbürokratisierung angewendet.

  4. Weiterentwicklung des Beurteilungsinstrumentarium für die staatliche Tätigkeit

    Zur Beurteilung staatlicher Maßnahmen gibt es eine Reihe von Kennziffern und Untersuchungsmethoden. Prof. Grossekettler hat diese angewandt, um die deutsche Finanzpolitik im Anschluß an die Wiedervereinigung und die österreichische Finanzverfassung zu untersuchen. Auf eine bessere Erfassung der bislang außerhalb jeder Berichterstattung liegenden Nebenkosten von Gesetzen zielt das Promotionsvorhaben von Dipl.-Vw. Christian Langer. Er untersucht die in den meisten OECD-Staaten außerhalb Deutschlands angewendeten Verfahren zur Gesetzesfolgenabschätzung und überprüft Möglichkeiten ihrer Verknüpfung mit einer prinzipiengeleiteten Wirtschaftspolitik ordoliberaler Prägung. Ein weiterer Bereich, in dem die Beurteilung staatlicher Tätigkeit große Fortschritte macht, ist das sog. Neue Steuerungsmodell der Kommunen. Dipl.-Vw. Frank Placke untersucht in seiner Dissertation die Möglichkeiten interkommunaler Produkt- und Effizienzvergleiche. Sie werden mit der Einführung einer Kostenrechnung bei den Kommunen möglich und können eine sinnvolle Bezugsgröße für die Zuweisungen des Kommunalen Finanzausgleichs der Bundesländer darstellen.

  5. Funktionen von Genossenschaften im Zuge der Privatisierung

    Genossenschaften können wichtige Aufgaben bei der Bereit- und Herstellung von Gütern natürlicher Monopole übernehmen, die den Charakter von sogenannten Klubkollektivgütern haben. Dies wird in einem abgeschlossenen Drittmittelprojekt mit dem Titel "Chancen für alte und neue Genossenschaften im Zuge der Privatisierung" untersucht. Der Verfasser, Dipl. Vw. Olaf Lüke, ist mittlerweile Sachbearbeiter für Public-Private-Partnership bei der WGZ-Bank.

Beteiligte Wissenschaftler:

Prof. Dr. Heinz Grossekettler, Dipl. Vw. Sven Janßen, Dipl. Vw. Sven Gentner, Dipl. Vw. Martin Kamp, Dipl. Vw'in. Martina Krebs, Dipl. Vw. Michael Kübeller, Dipl. Vw. Christian Langer, Dipl. Vw. Olaf Lüke, Dipl. Vw. Frank Placke, Dipl. Vw'in. Sonia Strube, Dipl. Vw. Ulrich Wibbeke Veröffentlichungen:

Grossekettler, H. (2000): Ordnungstheorie und Recht, in: Helmut Leipold, Ingo Pies (Hrsg.): Ordnungstheorie und Ordnungspolitik, Konzeptionen und Perspektiven, Stuttgart 2000.

--,: Die österreichische Finanzverfassung vor dem Hintergrund des internationalen Standortwettbewerbs, Westfälische Wilhelms-Universität, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge, Nr. 319 (endgültige Fassung erscheint in: E. Theurl, R. Sausgruber, H. Winner (Hrsg.): Kompendium der österreichischen Finanzpolitik, Springer)

--,: UMTS-Erlöse - welche Verwendung ist zu empfehlen?, in: ifo Schnelldienst Nr. 30/2000, S. 13 - 14.

Grossekettler, H. (1999): Flexibilisierung von Genehmigungsverfahren, Transaktionskosten und Koordinationseffizienz in dynamischer Sicht, Münster (Volkswirtschaftlicher Diskussionsbeiträge). Erschien 1999 unter gleichem Titel in: D. Schmidtchen/ H.-J. Schmidt-Trenz (Hg.): Vom Hoheitsstaat zum Konsensualstaat. Ökonomische Analyse der Flexibilisierung von Genehmigungsverfahren, Baden-Baden, S. 31-46.

--,: Öffentliche Finanzen, in: Bender, D. et al. (Hrsg.): Vahlens Kompendium zur Wirtschaftstheorie und -politik, Band 1, 7. Auflage, München 1999

--,: Anforderungen an die Struktur einer föderalistischen Finanzverfassung vor dem Hintergrund des europäischen und weltweiten Standortwettbewerbs- Vortrag auf der 50-Jahr-Feier des Deutschen Bundesrates zum Verfassungskonvent von Herrenchiemsee (Kloster Seon).

Lüke, Olaf (2001): Chancen für neue und alte Genossenschaften im Zuge der Privatisierung. Ein Überblick über die prinzipiell bestehenden Möglichkeiten sowie fördernde und hemmende Kräfte in Gesellschaft und Recht, Münstersche Schriften zur Kooperation (Shaker Verlag).

Strube, Sonia: Die Geschichte des Haushaltsrechts vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Eine ökonomische Analyse des Budgetrechts im Lichte der Budgetfunktionen (erscheint in Kürze bei Duncker & Humblot, Berlin).

Weitere Veröffentlichungen:

Unter Mitarbeit von Prof. Grossekettler entstanden im Berichtszeitraum mehrere Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium, so vor allem eine Stellungnahme zum Finanzausgleichsurteil des Bundesverfassungsgericht vom 11. November 1999 (Mai 2000) und ein Gutachten zur Freizügigkeit und sozialen Sicherung in Europa (Dezember 2000).

 
 
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Hans-Joachim Peter
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Datum: 2002-02-04 ---- 2002-09-20