Politisches Denken und politische Kultur des Alten Reiches

Das Heilige Römische Reich deutscher Nation ist lange Zeitan den anachronistischen Maßstäben des modernen Machtstaates gemessen worden. Inzwischen werden demgegenüber die ständischen Verfassungen des Reiches und seiner Territorien eher als Vorläufer parlamentarischer Staatlichkeit aufgefaßt. Das vorliegende Projekt geht hingegen davon aus, daß diese neueren Ansätze, die vom Bemühen um demokratisch-rechtsstaatliche Traditionsstiftung geleitet sind, ebenfalls zu perspektivischen Verzerrungen führen. Stattdessen wird versucht, die politische Kultur des Reiches und seiner Glieder in ihrer vormodernen Fremdheit wahrzunehmen, der man mit modernen Verfassungskategorien gerade nicht gerecht werden kann. Dazu dienen zum einen theorie- und begriffsgeschichtliche, zum anderen kulturgeschichtliche Herangehensweisen. Eine noch als Kölner Habilitationsschrift entstandene Studie behandelt den Wandel des Verständnisses der landständischen Repräsentation vom Westfälischen Frieden bis zum Ende des Reiches: von der Übnernahme des Begriffs aus der traditionellen Korporationstheorie über die Umdeutung durch die Naturrechtslehren des 17. und 18. Jhs. bis hin zur Rezeption der angelsächsischen und französischen Repräsentationsdebatten in den Medien der gebildeten Öffentlichkeit im Zeitalter der Revolution. Kleinere Studien behandeln die politische Kultur des Alten Reiches hinsichtlich der Konstruktion ständischer Grenzen zwischen Hoch- und Niederadel sowie hinsichtlich der zeremoniellen Verfahrensformen auf den Reichstagen (vgl. Projekt C 2).

Beteiligter Wissenschaftler:

Prof. Dr. B. Stollberg-Rilinger, bisher Universität zu Köln, seit Sept. 1997 am Historischen Seminar der WWU

Veröffentlichungen:

Sollberg-Rilinger, B.: Vormünder des Volkes? - Konzepte landständischer Repräsentation in der Spätphase des Alten Reiches (Historische Forschungen, Bd. 64), Berlin: Duncker & Humblot 1999.

--,: Der Grafenstand in der Reichspublizistik (Tagung zum Herrschaftsverständnis der Frühen Neuzeit in Kassel, September 1997, erscheint vorauss. 1999)