Abstract: Psychologie der kognitiven Interdisziplinarität

 



Bromme, R. (2000). Beyond one's own perspective: The psychology of cognitive interdisciplinarity. In P. Weingart & N. Stehr (Eds.), Practising interdisciplinarity (pp. 115-133). Toronto: Toronto University Press. (Read the complete article)   Auch erschienen als: Bericht Nr. 34 (Dezember 1997).  
Summary

Only rarely has interdisciplinary thought and behavior been made the object of empirical-psychological research. Existing empirical studies on work in research laboratories have mostly been carried out from a micro-sociological or sociology of science perspective and are based mainly on qualitative methods. In addition, there have been surveys and case studies by researchers about experience with interdisciplinary research, as well as bibliometrical studies (Klein, 1990, 1996; Kocka, 1987; Parthey, 1996; Weingart, 1995a). In contrast, psychological studies on the conditions and processes of interdisciplinarity are virtually absent.

In what could a specifically psychological perspective on interdisciplinarity consist? In the following, I will try to answer this question. My intention is to sketch some empirically treatable questions on the cognitive conditions and processes of interdisciplinary thought and activity1. The first part will discuss some obvious psychological variables like the individual traits of the researchers involved in interdisciplinary projects. It will be shown, however, that the factors which at first glance are considered to be psychological do not really represent a viable approach to the psychological analysis of interdisciplinarity. Instead, I would like to suggest to make the differences between disciplinary (and subdisciplinary) conceptual structures the principal point of departure. It will hence be proposed to analyse interdisciplinarity by way of a research focus on the processes of confrontation between different structures of knowledge (i.e. of perspectives).

For the sake of developing a psychological approach on interdisciplinarity in the following the phenomenon of interdisciplinarity will be reduced to the cognitive prerequisites and consequences of communication between interacting persons endowed with different conceptual structures. The confrontation of different perspectives is a condition for any kind of cognitive development (cf. Schön, 1963), both in interdisciplinary dialogue and in individual thought. Even where individual thought tackles a new perspective, an encounter of hitherto different perspectives occurs. In this respect, it thus makes no difference whether one considers confronting different conceptual structures within an individual creative mind, or between two or more persons. Interdisciplinary cooperation and communication, against that, will in most cases take place between at least two individuals. Therefore, the following analysis will be confined to the confrontation of perspectives taken by at least two persons. (complete article)

 

 


Zusammenfassung

Bromme, R. (1999). Die eigene und die fremde Perspektive: Zur Psychologie kognitiver Interdisziplinarität. In W. Umstätter & K.-F. Wessel (Hrsg.), Interdisziplinarität - Herausforderung an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Festschrift zum 60. Geburtstag von Heinrich Parthey (S. 37-61). Bielefeld: Kleine.

Interdisziplinäres Denken und Handeln ist bislang selten zum Gegenstand psychologischer Forschung gemacht worden. Die bislang vorliegenden empirischen Studien über die Arbeit in Forschungslabors sind überwiegend aus einer mikrosoziologischen bzw. wissenssoziologischen Perspektive und mit entsprechenden qualitativen Methoden durchgeführt worden. Weiterhin gibt es Befragungen und Fallberichte von Forschern über ihre Erfahrungen mit interdisziplinärer Forschung sowie bibliometrische Studien (Klein, 1990; Kocka, 1987; Parthey, 1996; Parthey & Schreiber, 1983; Weingart, 1995a). Demgegenüber fehlen empirisch - psychologische Studien zu den Bedingungen und den Prozessen interdisziplinären Denkens und Handelns.

Worin könnte eine spezifisch psychologische Perspektive auf Interdisziplinarität bestehen? In diesem Beitrag soll eine Antwort auf diese Frage versucht werden. Es geht also um eine Darstellung von empirisch bearbeitbaren Fragestellungen zu den kognitiven Bedingungen und Prozessen interdisziplinären Denkens und Handelns1. In einem ersten Teil werde ich dazu die im Diskurs zur Interdisziplinarität immer wieder erwähnten Hinweise auf offensichtlich psychologische Variablen, wie z.B. die Personeneigenschaften der beteiligten Wissenschaftler, diskutieren. Dabei wird allerdings zu zeigen sein, daß die Faktoren, die auf den ersten Blick typisch psychologischer Art sind, keinen geeigneten Ansatzpunkt für die empirisch-psychologische Analyse von Interdisziplinarität darstellen. Statt dessen schlage ich vor, die Unterschiedlichkeit der disziplinären (und subdisziplinären) konzeptuellen Strukturen zum Ausgangspunkt zu machen. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Wissensstrukturen, die ich im folgenden als unterschiedliche Perspektiven bezeichne, soll in den Mittelpunkt einer kognitionspsychologisch orientierten Betrachtung der Interdisziplinarität gestellt werden.

Um einen psychologischen Ansatz zur Interdisziplinarität zu entwickeln, wird im folgenden das Phänomen der Interdisziplinarität auf die kognitiven Voraussetzungen und Konsequenzen der Kommunikation zwischen interagierenden Personen, die mit unterschiedlichen konzeptuellen Strukturen ausgestattet sind, reduziert. Das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Perspektiven ist eine Voraussetzung jeder kognitiven Entwicklung (vgl. Schön, 1963), sowohl im innerdisziplinären Dialog wie auch im individuellen Denken. Auch im individuellen Denkprozeß kommt es bei der Auseinandersetzung mit einer (bisher unbekannten) neuen Perspektive zu einem Zusammentreffen von bis dahin unterschiedlichen Perspektiven. Insofern besteht kein prinzipieller Unterschied zwischen dem individuellen Erkenntnisakt, in dem eine Person zu einer neuen Idee kommt, indem sie zwei unterschiedliche disziplinäre Perspektiven gedanklich konfrontiert und der Situation der interdisziplinären Kommunikation. Interdisziplinäre Erkenntnisgewinnung wird allerdings in den meisten Fällen durch Kommunikation zwischen mindestens zwei Personen ermöglicht. Aus diesem Grund beschränkt sich die folgende Analyse auf das Aufeinandertreffen von unterschiedlichen Perspektiven, welche von mindestens zwei Personen eingenommen werden.