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Nichtlineare Dynamische Systeme: Grundlagen und Anwendungen
SS 2003

H.-G. Purwins

Di 11-13, SR AP

Gegenstand der Vorlesung

Die Vorlesung "Nichtlineare Dynamische Systeme: Grundlagen und Anwendungen" bietet eine Einführung in das Verhalten niederdimensionaler nichtlinearer dissipativer Systeme, welche der Gleichung

(1)

gehorchen. Dabei ist u der n-dimensionale Vektor im Phasenraum, dessen Komponenten physikalische Größen wie Position und Geschwindigkeit eines Massepunktes, Spannung und Strom eines elektronischen Schaltkreises oder Konzentrationen einer chemischen Lösung sind. Bei niederdimensionalen Systemen ist n typischerweise 1, 2 oder 3. p ist der m-dimensionale Vektor im Parameterraum, dessen Komponenten z. B. Masse, Dämpfung, Federkonstante und Nichtlinearität eines mechanischen Systems sein können. f(u;p) ist eine nichtlineare Vektorfunktion.

Bild 1: Dynamisches Verhalten des ungetriebenen gedämpften nichtlinearen Pohlschen Rades (Rotators). Horizontale: Winkelauslenkung, Vertikale: Winkelgeschwindigkeit. Bei gegebener Anfangsbedingung wird die Dynamik des Rotators durch eine Kurve (Trajektorie) im (Winkelauslenkung, Winkelgeschwindigkeit)-Phasenraum dargestellt. Startet die Trajektorie in einem durch eine bestimmte Farbe gekennzeichneten Bereich (Attraktionsbereich), so wird sie diesen Bereich nie verlassen. Nach unendlich langer Zeit erreicht sie den eingeschwungenen Zustand (Attraktor), welcher im vorliegendem Fall aus einem Punkt besteht.

Erläuterung

Wegen der Nichtlinearität zeigen die behandelten Systeme komplexes Verhalten: z.B. Multistabilität, irreguläres Lösungsverhalten (Chaos) und qualitative Verhaltensänderung bei Parametervariation (Bifurkation). Hand in Hand damit treten außerordentliche mathematische und numerische Probleme auf. Aus all diesen Gründen bereitet das Verständnis von Systemen, welche durch (1) beschrieben werden, größte Schwierigkeiten. Erst in den letzten drei Jahrzehnten wurde ein systematischer Zugang zum Lösungsverhalten von (1) möglich. In der Vorlesung wird der Klassifikation des Lösungsverhaltens nach eingeschwungenen Lösungen (Attraktoren) in der Form von stationären, periodischen, quasiperiodischen und chaotischen Lösungen besondere Aufmerksamkeit geschenkt.

Von großer Bedeutung für ein Verständnis nichtlinearer dissipativer Systeme ist die Tatsache, dass sich oft in der Nähe des Bifurkationspunktes Gleichungen vom Typ (1) drastisch vereinfachen lassen. Dabei reduziert sich die mathematische Beschreibung beiderseits des Bifurkationspunktes auf die sogenannte Normalform. Da in vieler Hinsicht die Menge möglicher Normalformen sehr eingeschränkt ist, wird eine systemübergreifende, universelle Beschreibung nichtlinearer dissipativer Systeme möglich. Die hier gemachten Aussagen lassen sich auf Systeme mit vielen Freiheitsgraden (n >> 3) und auf Kontinuumssysteme übertragen. Das beschriebene universelle Verhalten gehört zu den ganz großen Errungenschaften der modernen Physik. Auch dieser Gesichtspunkt wird in der Vorlesung ausführlich abgehandelt.