Sammelband: Lehr- und Lernmedien für den Literaturunterricht
Ein Kriterium der Textauswahl für den Literaturunterricht stellt die Verfügbarkeit von Unterrichtsmodellen, didaktisch ausgerichteter Sekundärliteratur, Einheiten in Schulbüchern oder Materialen dar (vgl. Pfäfflin 2012: 11). Angesichts der Schnelllebigkeit des Literaturmarkts sind Orientierungshilfen in Form von Unterrichtsvorschlägen (EinFach Deutsch, Deutsch kompetent Stundenblätter) oder Kommentierungen (Königs Erläuterungen, Reclam Lektüreschlüssel XL) und auch Online-Materialien für Lehrkräfte zentrale Entlastungen.
Bei einem Blick in die fachdidaktische Forschung fällt auf, dass es bisher nur wenige Arbeiten gibt, die die Textauswahl von Bildungsmaterialien und Lehrwerken für den Deutschunterricht konzis beleuchten, Aufgabenformate analysieren oder sich mit Lesebüchern als Bildungsmedien auseinandersetzen (vgl. etwa die Beiträge in Dawidowski/Ehlers 2013; Wrobel/Müller 2014; Zabka 2015; Wieser 2015; Henke 2022). Eine Vertiefung der Auseinandersetzung scheint allerdings aus zwei Gründen zentral:
Erstens bedarf es aus didaktischer Sicht einer Klärung, welchen Zielsetzungen und Schwerpunkten der Umgang mit Literatur in derartigen Handreichungen folgt. Am Beispiel von Aufgabenformaten für unterschiedliche Lernstandserhebungen (PISA/VERA) weist beispielweise Brune (2020) nach, dass hier viele Aufgaben gestellt werden, die in erster Linie sinnentnehmendes, nicht aber ästhetisches Lesen ermöglichen. Es ist u. a. zu klären, inwiefern sich derartige Beobachtungen auch bei einem Blick in Unterrichtsmaterialien/Schulbücher bestätigen. Zweitens erscheint es aus praxeologischer Sicht als zentral, konkrete Möglichkeiten der Bewertung bereitgestellter Materialien zu entwickeln, damit Lehrkräfte diese Materialien konzis sichten und in Hinblick auf ihre Verwertbarkeit beurteilen können.
Der Sammelband möchte im Sinne einer eingreifenden Literatur- und Mediendidaktik aufzeigen, auf welche Grundüberlegungen bzw. -konzepte der Literaturvermittlung (literarästhetische Erfahrungen, literarisches Verstehen, Kontextualisierungen, Pragmatik vs. Ästhetik) Lehr- und Lernmedien zurückgreifen.
Zu klären sind dabei folgende Fragestellungen:
- Welche Schwerpunkte und/oder Zielsetzungen des Literaturunterrichts liegen konkreten Unterrichtsmodellen/Handreichungen/Schulbüchern etc. zugrunde?
- Inwiefern erfolgt eine Orientierung an Modellen literarästhetischer Kompetenz bzw. literarischen Verstehens/Leseverstehens?
- Welche Rolle spielen Kontexte (gesellschaftliche Themen, Autor:innenbiografie, geschichtliche Hintergründe)?
- Inwieweit lässt das Lehr-/Lernmedium individuelle Begegnungen mit dem Gegenstand zu und ermöglicht damit ästhetische Erfahrungen?
- Welche narratologischen Konzepte und Begriffe werden auf welche Weise verwendet?
- Inwiefern sind die Aufgaben operationalisiert und zielen auf literarisches Lernen?
- Welches Bild von Literatur/Medien wird durch die Aufgabenstellungen entwickelt („Die Literatur der Literaturdidaktik“)?
- Welche diversitätsorientierten Überlegungen lassen sich ableiten?
Erbeten werden Beitragsvorschläge zu folgenden Themenspektren:
- Konzepte zur Analyse von Lehr- und Lernmedien und empirische Erhebungen zu einem größeren Korpus von Materialien
- Konkrete Auseinandersetzungen mit Lehr- und Lernmedien zu einem konkreten literarästhetischen Gegenstand
- Konkrete Ausblicke auf Alternativen zu den vorgefundenen Orientierungen, Vorschläge für Unterrichtsmodelle
Gegenstände:
Literatur im weiten Sinne (also auch Filme, Hörspiele, …), zu der Unterrichtsmaterialien vorliegen.
Es soll sowohl um best-practice-Beispiele gehen als auch um Lehr- und Lernmedien, die kritisch betrachtet werden.
Zuschnitt:
- Primarstufe (zwischen Pädagogik, Hör- und Seh-Erziehung und Literarästhetik)
- Sekundarstufe I (Kinder- und Jugendliteratur als Literatur oder als Sozialisationsmedium)
- Sekundarstufe II/Erwachsenenbildung
Wenn Sie Interesse haben, senden Sie bitte bis zum 6.4.2025 einen Beitragsvorschlag (max. 1 Seite) mit bio-bibliographischen Angaben an den Herausgeber oder melden Sie sich gern mit ersten Fragen:
Prof. Dr. Sebastian Bernhardt
Germanistisches Institut der Universität Münster - Abteilung: Literatur- und Mediendidaktik,
Professur für Literatur- und Mediendidaktik (Prof. Bernhardt)
Mail: sebastian.bernhardt@uni-muenster.de
Zeitplan:
- Abgabe der Beiträge (Umfang: maximal 40.000 Zeichen): 08.02.2026
- Erscheinen des Bandes: spätestens Juni 2026
Die Beiträge werden allesamt bis spätestens 11.2.2026 lektoriert und kommentiert. Es gibt dann eine Überarbeitungsphase und eine zweite Rücklaufschleife. Damit der Band schnell erscheint, bitte ich darum, diese Schleifen gleich einzuplanen.
Der Band wird als print und eBook (open access) in der Reihe „Literatur – Medien – Didaktik“ im Verlag Frank & Timme erscheinen und über die Springer Bibliotheken abrufbar sein.
Ich freue mich sehr auf Ihre Beitragsvorschläge.
Literaturhinweise
Brune, Carlo (2020): Literarästhetische Literalität. Literaturvermittlung im Spannungsfeld von Kompetenzorientierung und Bildungsideal. Bielefeld: transcript.
Dawidowski, Christian/Ehlers, Swantje (2013): Das Lesebuch als Bildungsmedium. Vorträge des Giessener Symposiums zur Lesebuchforschung, Frankfurt a.M.: Lang.
Henke, Ina (2022): „Interpretieren Sie den Text“. Eine Untersuchung von Interpretationslehrgängen in Deutschbüchern für die gymnasiale Oberstufe. In: Bernhardt, Sebastian / Hardtke, Thomas: Interpretation. Literaturdidaktische Perspektiven. Berlin: Frank & Timme 2022, S. 265-288.
Holder, Friedemann/Strauch, Bastian (2022): Literatur als diskrete Anthropologie. Eine Rekonstruktion des literaturdidaktischen Literaturkonzepts aus literaturdidaktisch fundierten Unterrichtsvorschlägen. In: Bernhardt, Sebastian/ Hardtke, Thomas (Hg.): Interpretation. Didaktische Perspektiven (Bd. 1 der Reihe Literatur – Medien – Didaktik. Hg. von Sebastian Bernhardt). Berlin: Frank & Timme, S. 163–190.
Hoppe, Henriette (2012): Aufgaben in Unterrichtswerken: Tendenzen im Umgang mit Jugendbüchern in Abhängigkeit von Rahmenplänen und Standards. In: Ehlers, Swantje/Dawidowski, Christian (Hg.): Organisation von Lehr- und Lernprozessen durch das Schulbuch. Frankfurt am Main: Peter Lang, S. 185 – 200.
Meissner, Almuth (2015): „Implizite literaturtheoretische Annahmen und Verfahrensweisen in Lernaufgaben zur Analyse und Interpretation in einem Lehrwerk für den Deutschunterricht in der gymnasialen Oberstufe.“ In: Lessing-Sattari et al. (Hg.): Interpretationskulturen. Literaturdidaktik und Literaturwissenschaft im Dialog über Theorie und Praxis des Interpretierens. Frankfurt/Main: Lang, S. 281–310.
Müller, Karla (2010): „Das Lesebuch und andere printbasierte Lehr- und Lernmittel für den Lese- und Literaturunterricht.“ In: Kämper-van den Boogaart, Michael/Spinner, Kaspar H. (Hg.): Lese- und Literaturunterricht. Teil 2. Kompetenzen und Unterrichtsziele. Methoden und Unterrichtsmaterialien. Gegenwärtiger Stand der empirischen Unterrichtsforschung. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, S. 243–272.
Müller, Astrid/Wrobel, Dieter (Hg., 2014): Bildungsmedien für den Deutschunterricht. Vielfalt – Entwicklungen – Herausforderungen. Bad Heilbrunn: Klinckhardt.
Ott, Christine (2019): „Das Deutschbuch als Forschungsgegenstand – eine Bestandsaufnahme.“ In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 3, S. 292–312.
Pfäfflin, Sabine (2012): Auswahlkriterien für Gegenwartsliteratur im Deutschunterricht. Baltmannsweiler: Schneider.
Zabka, Thomas (2015): „Über einen Versuch, das Interpretieren zu lehren. Untersuchung eines Lehrgangs für die gymnasiale Oberstufe.“ In: Lessing-Sattari, Marie/Löhden, Maike/Meissner, Almuth/Wieser, Dorothee (Hg.): Interpretationskulturen. Literaturdidaktik und Literaturwissenschaft im Dialog über Theorie und Praxis des Interpretierens. Frankfurt/Main: Lang, S. 311–334.