Democraten 66 (D66)
*14. Oktober 1966 – niederländische links-liberale Partei
Die Democraten 66 (D66) sind eine linksliberale – teilweise auch als sozialliberal bezeichnete – niederländische Partei mit zuletzt rund 25.000 Mitgliedern. Sie gilt als Partei der absoluten Mitte und hat sich von allen niederländischen Parteien am wenigsten innerhalb des politischen Spektrums bewegt. Die „66“ in D66 steht für das Gründungsjahr der Partei. Bereits im ersten Programm der D66 wurde festgehalten, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Somit wird der klassische Liberalismus bei dieser Partei um den sozialen Aspekt erweitert. Zudem sieht sich die Partei als pragmatische Alternative: „Die D66 betreibt praktische und ergebnisorientierte Politik aus ihren Idealen heraus, ohne das Durchdrücken von Dogmen", hieß es im damaligen Parteiprogramm. Bedeutendster Initiator der Partei war der spätere Verteidigungsminister Hans van Mierlo.
Geschichte
Die D66 wurde am 14. Oktober 1966 gegründet und setzte sich damals hauptsächlich aus Intellektuellen Köpfen zusammen. Die meisten von ihnen waren zuvor bereits in anderen Parteien aktiv gewesen. Der Zeitpunkt der Gründung erwies sich als überaus günstig. Die Entsäulung der Gesellschaft war im Gange und die Menschen waren vermehrt geneigt, eine Partei außerhalb ihrer zuvor festen konfessionellen oder sozialen Lebenswelten zu wählen. Zuerst sollte die D66 allerdings gar keine Partei sein, sondern mehr eine Organisation, die den etablierten politischen Strukturen entgegenwirken und eine Alternative bieten wollte. Ziel war es unter anderem, in den Niederlanden Direktwahlen von Bürgermeistern und des Ministerpräsidenten einzuführen. Ein weiteres dieser Vorhaben wollte das vorhandene Parteiensystem sprengen und durch eine neue „progressive“ Volkspartei zu ersetzen. Der geplante, lange Entwicklungsprozess der D66 von einer losen Organisation zur richtigen Partei wurde durch die vorgezogenen Neuwahlen 1967 stark verkürzt. Denn obwohl man sich früher als erwartet mit der politischen Realität auseinandersetzen musste, konnte die D66 aus dem Stand 4,5 Prozent der Stimmen auf sich vereinen und somit sieben Abgeordnete in die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments entsenden. Seit diesem Zeitpunkt war die D66 ständig im Parlament vertreten – allerdings mit stark schwankender Stärke.
Im Jahr 1972 tat sich hatte die D66 mit der sozialdemokratischen PvdA(Partij van de Arbeid) und der gerade neugegründeten linkschristlichen PPR (Politieke Partij Radikalen) zusammen und veröffentlichte unter dem Namen „Keerpunt ’72“ (dt. Wendepunkt ’72) ein gemeinsames Wahlprogramm. Dieser Zusammenschluss sollte den Einfluss nicht-konfessioneller Parteien steigern. Die PPR beteiligte sich daran, da sie sich selbst als überkonfessionell sah und von den Themen her eher mit den nicht-konfessionellen Parteien auf einer Linie war. Der erwartete Erfolg des Bündnisses blieb jedoch aus. Erst durch das Kabinett unter Ministerpräsident Joop den Uyl (PvdA) konnte die Vorherschaft der konfessionellen Parteien ein wenig eingeschränkt werden. An der überwiegend links orientieren Regierung, die seit 1973 im Amt war, beteiligte sich auch die D66, was ihr jedoch nicht gut bekam. Der Negativtrend äußerte sich in sinkenden Umfragewerten und Austrittswellen. Es wurden Stimmen laut, die der D66 vorwarfen, nicht mehr den Ursprungsgedanken zu verfolgen, sondern sich unterzuordneten, wobei besonders die starke Zusammenarbeit mit der PvdA kritisiert wurde. Hinzu kam, dass Hans van Mierlo die Parteiführung abgab, was zu weiteren Stimmverlusten führte. Ausgelöst durch die starke Kritik kam es zur Distanzierung von der PvdA und zur Neuorientierung unter van Mierlos Nachfolger Jan Terlouw. Trotzdem verbesserte sich die Situation für die Partei kaum, weshalb Hans van Mierlo für den Wahlkampf 1986 noch einmal die Position des Spitzenkandidaten der D66 übernahm und damit den Abwärtstrend der Partei beendete. Eine neue Hochphase erlebte die D66 ab 1994 mit der „paarse“ (dt. violetten) Koalition unter Ministerpräsident Wim Kok (PvdA). Mit PvdA, VVD und D66 war dies die erste niederländische Regierung ohne Beteiligung von konfessionellen Parteien.
Eine besondere Rolle spielte die D66 auch im Kabinett Balkenende II , denn durch ihr Aufkündigen der Koalition wurde die Regierung 2006 frühzeitig aufgelöst. Schon 2005 hatte es Uneinigkeiten gegeben, bei denen der D66-Minister Thom de Graaf sich für den Austritt seiner Partei aus der Regierung aussprach. Dies wurde jedoch auf einem Sonderparteitag am 2. April 2005 abgelehnt, da sich der Großteil der anwesenden Mitglieder für die Weiterführung der Koalition einsetzte. Diese Einstellung änderte sich erst durch den Konflikt zwischen VVD-Integrationsministerin Rita Verdonk und der VVD-Abgeordneten Ayaan Hirsi Ali. Zudem hatte sich bei den Kommunalwahlen 2006 gezeigt, dass die Regierungszeit sich erneut negativ auf die Ergebnisse der D66 niederschlug. Dabei wurde sogar zeitweise über die Auflösung der Partei diskutiert, die jedoch nicht umgesetzt wurde. Stattdessen spalteten sich die unzufriedenen Mitglieder ab und bildeten selbst eine Organisation namens DeZES . Die wurde zu einer progressiv-liberalen Partei, die versuchte sich als Internetpartei zu profilieren.
Unter der Leitung von Alexander Pechtold konnte die Position der D66 nach 2006 wieder gefestigt werden. Dies zeigte sich vor allem bei den Gemeinderatswahlen 2010, bei denen die Partei landesweit 8,1 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Dieses Ergebnis konnte sie 2014 auf 12,1 Prozent steigern, nachdem bei den vorgezogenen Neuwahlen für die Zweite Kammer 2010 mit 6,9 Prozent ein durchschnittlicher Stimmenanteil erzielt worden war. Bei den genannten Gemeinderatswahlen 2014 wurde die D66 in vielen Großstädten zur stärksten Kraft und konnte sogar in Amsterdam der PvdA ihre jahrelange Führungsrolle streitig machen.
Programm
Die D66 sieht die Freiheit der Menschen als ihr zentrales Thema. So spricht sie sich deutlich gegen Vorratsdatenspeicherung aus und möchte zur Freiheit im Internet beitragen. Trotzdem sei es aber wichtig, einen Rechtstaat zu haben, da ohne diesen Freiheit und Sicherheit laut Parteiprogramm lediglich eine Illusion seien. Im Sinne des Liberalismus setzt sich die Partei auch für eine Förderung der Ökonomie ein, die dazu führen soll, dass die Wohlfahrt auf alle verteilt wird.
Die D66 zeigt sich in ihrem Programm proeuropäisch und sieht dabei besonders die durch die EU gegebene Sicherheit in einer Welt der Großmächte als Vorteil an. Außerdem seien auch finanzielle Vorteile der Unionsmitgliedschaft nicht von der Hand zu weisen.
Besonderes Augenmerk wird im Parteiprogramm auch auf soziale Aspekte gelegt. So möchte die D66 weit mehr in die Bildung investieren und dabei zum Beispiel Lehrer unterstützen, denen es gelingt, das Maximum aus sich und den Schülern zu holen. Damit soll die allgemeine Qualität der Schulen gefördert werden. Ein weiteres Kernthema bildet die Gesundheitsversorgung. Diese müsse jedem Bürger offen stehen, allerdings müssten die Kosten dafür eingedämmt werden, da diese sonst irgendwann für die meisten Bürger nicht mehr tragbar wären.
Auch Bildung und Kultur bekommen im Parteiprogramm der D66 eine herausgehobene Stellung. Beide Politikfelder seien ursächlich dafür, warum manche Menschen in bestimmte Regionen ziehen. Die D66 möchte Kultur deshalb auch weiter fördern, damit sich in den Niederlanden wieder mehr Talente und Betriebe ansiedeln.
Wahlkampf und Öffentlichkeitsarbeit
Auf dem Youtube-Kanal der D66 findet man nicht die offiziellen Wahlwerbespots der Partei, sondern es sind dort viele Reden von Parteimitgliedern archiviert. Deren Laufzeit variiert zwischen drei und dreißig Minuten und viele Filme zeigen die Meinungen von einem oder manchmal auch mehreren Mitgliedern der Partei oder von Parteiorganisationen. Zum Thema Bildung veröffentlichte die Partei einen kurzen Spot, in dem mittels handgezeichneter Grafiken die Mängel der vergangenen Regierungen aufgezeigt wurden – wobei PvdA und VVD gleichermaßen für die ausgebliebenen Investitionen kritisiert wurden.
Auf Facebook postet die D66 zwar regelmäßig, aber nicht sehr oft. Meistens kommen im Abstand mehrerer Tage umfassende Themen zur Sprache. Dem entgegengesetzt zeigt sich die D66 auf Twitter überaus aktiv und berichtet über anstehende Wahlen oder auch parteibezogenen Inhalte anderer Medien.
Jahr | Prozent der Stimmen | Sitze |
1967 | 4,5 | 7 |
1971 | 6,8 | 11 |
1972 | 4,2 | 6 |
1977 | 5,4 | 8 |
1981 | 11,1 | 17 |
1982 | 4,3 | 6 |
1986 | 6,1 | 9 |
1989 | 7,9 | 12 |
1994 | 15,5 | 24 |
1998 | 9,0 | 14 |
2002 | 5,1 | 7 |
2003 | 4,1 | 6 |
2006 | 2,0 | 3 |
2010 | 6,9 | 10 |
2012 | 8,0 | 12 |
2017 | 12,2 | 19 |
Parteivorsitz | Amtszeit |
Hans van Mierlo | 1966-1967 |
Derk Ringnalda | 1967 |
Hans van Lookeren Campange | 1967-1968 |
Jan Beekmans | 1968-1971 |
Ruby van der Scheer-van Essen | 1971-1973 |
Jan ten Brink | 1973-1976 |
Jan Glastra van Loon | 1976-1979 |
Henk Zeevalking | 1979-1981 |
Cees Spigt (intern) | 1981 |
Jan van Berkom | 1981-1982 |
Jacob Kohnstamm | 1982-1986 |
Olga Scheltema (intern) | 1986 |
Saskia van der Loo | 1986-1988 |
Michel Jager | 1988-1990 |
Ries Jansen | 1990-1992 |
Wim Vrijhoef | 1992-1996 |
Tom Kok | 1996-1999 |
Gerard Schouw | 1999-2002 |
Alexander Pechtold | 2002-2005 |
Frank Dales | 2005-2007 |
Ingrd van Engelshoven | 2007-2013 |
Fleur Gräper | 2013-2015 |
Letty Demmers | 2015- |
Autorin: Andrea Hoppe
Erstellt: Mai 2015