BIJ1

* 24. Dezember 2016, niederländische linksradikale Partei

BIJ1 ist eine linksradikale niederländische Partei. Sie wurde im Oktober 2016 von der ehemaligen TV- und Radiomoderatorin Sylvana Simons unter dem Namen Artikel 1 gegründet. Seit Oktober 2017 agiert die Partei unter dem Namen BIJ1. Die Partei sieht sich selbst als radikale Partei an, welche unter anderem den Kapitalismus ablehnt und den Austritt der Niederlande aus der NATO fordert. Obwohl BIJ1 sich als eine Partei für alle Niederländer:innen positioniert, kommen ihre Wähler:innen vor allem aus den großen Städten. Besonders in Amsterdam verfügt die Partei über eine große Wählerschaft. Bei den Parlamentswahlen 2021 konnte die Partei zum ersten Mal mit einem Sitz in die Zweite Kammer einziehen.

Gründungsgeschichte
Vor der Gründung der Partei war Sylvana Simons für ein halbes Jahr Mitglied der Partei DENK.[1] Diese verließ sie gemeinsam mit dem Kampagnenführer Ian van der Kooye, um eine eigene Partei zu gründen. Als Grund gab Simons an, DENK sei zu polarisierend und sie fühle sich von der Partei nicht ausreichend auf dem Gebiet der Emanzipation von Frauen und der LGTBQ+ Community unterstütz. Außerdem fühlte sie sich von der Partei nicht gut genug vor Bedrohungen geschützt, welchen sie sich ausgesetzt sah.[2] Im Januar 2017 wurden Simons und Van der Kooye aufgrund der negativen Äußerungen über die Partei von DENK auf Schadensersatz verklagt. Vor Gericht wurden sie freigesprochen.[3]

Zeitgleich mit ihrem Austritt von DENK gründete sie die neue Partei Artikel 1. Der Name spielte auf den ersten Artikel des niederländischen Grundgesetzes an, welcher besagt, dass alle Personen, die sich in den Niederlanden befinden gleichgestellt sind. Der Aspekt der Gleichberechtigung steht im Programm der Partei zentral. Den Namen musste die Partei im nach einem Gerichtsurteil im Juni 2017 ablegen. Die Stichting Expertisecentrum Discriminatie, welche die Namensrechte innehatte, klagte gegen die Partei und bekam Recht gesprochen.[4] Am 29. Oktober 2017 gab die Partei bekannt, von nun an unter dem Namen BIJ1 anzutreten. Mit dem neuen Namen verweist die Partei weiterhin auf Artikel 1 des niederländischen Grundgesetztes. Außerdem verbirgt sich hinter dem Namen ein Wortspiel. Er wird ausgesprochen wie das niederländische Wort bijeen, was auf Deutsch zusammen oder gemeinsam bedeutet.

Wahlerfolge
An ihrer ersten Wahl nahm die Partei noch unter dem Namen Artikel 1 teil. Bei den Wahlen zur Zweiten Kammer 2017 trat die Partei mit einer Kandidatenliste an, auf der sich neben Simons einige weitere bekannte Niederländer:innen wiederfanden. So wurde die Partei von der emiritierten Professorin Gloria Wecker und den Schriftstellerinnen Anja Meulenbelt und Simone van Saarloos unterstützt.[5] Bei der Wahl holte die Partei 28.700 Stimmen, was 0,27% entspricht.[6] Dieses Ergebnis reichte der Partei nicht für einen Einzug ins Parlament. Beachtlich war damals bereits, dass die Partei im Amsterdamer Stadtteil Zuidoost mit 11,1% der Stimmen ein besonders starkes Ergebnis erzielen konnte.

Ihren ersten Wahlerfolg fuhr die Partei bei den Wahlen Gemeinderatswahlen 2018 ein. BIJ1 trat nur in Amsterdam an und bekam dort 6,571 Stimmen.[7] Dies entspricht 1,9% der Stimmen und reichte für einen Sitz im Gemeinderat. Erneut konnte die Partei im Stadtteil Zuidoost besonders gut abschneiden und wurde in einem Wahllokal sogar stärkste Partei. Bis November 2020 wurde der Sitz von Spitzenkandidatin Simons wahrgenommen. Diese Übergab ihren Sitz an Jazie Veldhuyzen, um sich auf die Kampagne für die Parlamentswahlen 2021 zu konzentrieren.[8]

Bei den Parlamentswahlen 2021 wurde Simons erneut Spitzenkandidatin von BIJ1. Auf dem zweiten Platz der Kandidatenliste stand der Aktivist Quinsy Gario, welcher 2011 mit einer T-Shirt Aktion gegen die rassistische Tradition Zwarte Piet bekannt wurde und Gründer der Gruppe Kick Out Zwarte Piet ist. Außerdem standen wieder einige prominente Niederländer:innen als Unterstützer auf der Liste. Wieder dabei war Gloria Wekker, außerdem standen die Schauspielerinnen Anousha Nzume und Romana Vrede auf der Kandidatenliste.[9] Bei der Wahl erzielte die Partei 87.238 Stimmen.[10] Dies entspricht 0,84% und reicht der Partei für einen Sitz im Parlament, welcher von Simons wahrgenommen wird. Damit ist sie auch die erste Fraktionsvorsitzende in der Zweiten Kammer mit schwarzer Hautfarbe.

Programm
BIJ1 sieht sich selbst als linksradikale und antikapitalistische Partei an. Als Grundsatz und Leitbild gilt für die Partei weiterhin die zentrale Stellung von Artikel 1 des niederländischen Grundgesetzes. Die Partei sieht es deshalb als höchstes Ziel an, Diskriminierung in allen Bereichen des Zusammenlebens zu bekämpfen. Dazu gehören unter anderem Rassismus, Sexismus, Homophobie und Transphobie. So war das Motto der Partei für die Parlamentswahlen 2017: „Eine Gesellschaft, die auf Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität basiert.“ Daneben vertritt BIJ1 auch klassische linke Themen. So fordert die Partei einen Mindestlohn von 14€ pro Stunde und eine 30-Stunden Woche. Das Recht auf Wohnraum soll gesetzlich festgelegt und Wohnungsbaugesellschaften verstaatlicht werden. Im Bereich der internationalen Politik fordert die Partei eine radikale Demokratisierung der EU samt Entmilitarisierung der EU-Außengrenzen. Auch die niederländische Armee soll nach dem Willen der Partei verkleinert werden und stattdessen zivile Hilfsorganisationen unterstützt werden. Dazu soll außerdem der Austritt der Niederlande aus der NATO gehören.[11]


[1] Niemantsverdriet, Thijs, Tv-ster Sylvana Simons gaat politiek dekoloniseren, online unter: https://www.nrc.nl/nieuws/2016/05/19/tv-ster-sylvana-simons-gaat-politiek-dekoloniseren-1622634-a612553, eingesehen am: 13.04.2021.
[2] NOS, Sylvana Somons weg bij Denk, begint nieuwe Partij, online unter: https://nos.nl/artikel/2149947-sylvana-simons-weg-bij-denk-begint-nieuwe-partij.html, eingesehen am: 13.04.2021.
[3] Raad voor de Rechtspraak, Sylvana Simons heeft Denk geen vergoeding te betalen, online unter: https://www.rechtspraak.nl/Organisatie-en-contact/Organisatie/Rechtbanken/Rechtbank-Amsterdam/Nieuws/Paginas/Sylvana-Simons-hoeft-Denk-geen-vergoeding-te-betalen.aspx, eingesehen am 13.04.2021.
[4] Raad voor de Rechtspraak, Artikel 1 mag naam niet houden, online unter: https://web.archive.org/web/20170822023548/https://www.rechtspraak.nl/Organisatie-en-contact/Organisatie/Rechtbanken/Rechtbank-Amsterdam/Nieuws/Paginas/Artikel-1-mag-naam-niet-houden.aspx, eingesehen am: 13.04.2021.
[5] Kiesraad, Proces-verbaal over geldigheid en nummering kandidatenlijsten en lijstencombinaties, Den Haag, 03.02.2017, S. 56.
[6] Kiesraad, Proces-verbal van de verkiezingsuitslag van de Tweede Kamer, Den Haag, 21.03.2017, S. 5.
[7] Gemeente Amsterdam, Verkiezingen Gemeenteraad 2018 – uitslagen per stemlocatie, online unter: https://maps.amsterdam.nl/gemeenteraad2018/, eingesehen am: 13.04.2021.
[8] Het Parool, Sylvana Simons geeft zetel in gemeenteraad Amsterdam op, online unter: https://www.parool.nl/amsterdam/sylvana-simons-geeft-zetel-in-gemeenteraad-amsterdam-op~b7aef310c/?referrer=https%3A%2F%2Fnl.wikipedia.org%2F&utm_source=link&utm_medium=social&utm_campaign=shared_earned, eingesehen am: 13.04.2021.
[9] BIJ1, Onze kandidaten, online unter: https://bij1.org/kandidaten/, eingesehen am 13.04.2021.
[10] Kiesraad, Proces-verbal van de verkiezingsuitlag van de Tweede Kamer, Den Haag, 26. März 2021, S. 5.
[11] BIJ1, Allemaal anders maar toch gelijkwaardig, online unter: https://bij1.org/programma/, eingesehen am: 13.04.2021.

Autor: Max Dahlmer
Erstellt:
Mai 2021