Mata Hari (Margaretha Geertrudia Zelle)
* Leeuwarden, 7. August 1876 - † Vincennes, 15. Oktober 1917 - Spionin
Über 250 Bücher und ein Dutzend Filme – der berühmteste mit Greta Garbo 1931 – haben sich mit ihrem Schicksal befasst. Ein Absinth, Szene-Bars, Beach Resorts auf Bali oder Teakholz-Fachgeschäfte sind nach ihr benannt: Mata Hari scheint bis heute eine anhaltende Wirkung auf ihre Nachwelt auszuüben. Vermutlich rührt ihr Mythos daher, dass sie als tragische Abenteurerin, Kurtisane und zugleich schönste Spionin des 20. Jahrhunderts in die Geschichte einging. Kaum einer weiß, dass diese Frau, die es vermochte, je nach Umstand, unter anderem Namen und biografischen Daten zu firmieren, aus den Niederlanden stammte. Bei allen Legenden, die um sie ranken - Fakt ist, dass die einstige indische Tempeltänzerin, als die sie sich ausgab, eine echte fries´sche Maid war.
Geboren am 7. August 1876 wuchs Margaretha Geertruida Zelle, wie ihr bürgerlicher Name lautete, in Leeuwarden auf. Als einzige Tochter des Hutmachers Adam Zelle und seiner Frau Antje van der Meulen verbrachte sie ihre Kindheit im wahrsten Wortsinn wohlbehütet in einem alten Patrizierhaus mitten in der Stadt, in das die Familie 1883 gezogen war. 1891 dann die Wende: Der Vater musste Konkurs anmelden und verließ die Familie. Die Mutter starb zwei Jahre später. Grietje, wie Mata Hari in der Familie genannt wurde, kam zu ihrem Onkel, der sie auf ein Mädchenpensionat nach Leiden schickte, wo sie zur Erzieherin ausgebildet werden sollte. Weil sie sich lieber anderweitig bildete und den dreimal so alten Schulleiter verführte, wurde sie der Schule verwiesen.
Von einer die auszog, die Welt zu erkunden
Durch eine Zeitungsannonce wurde die junge Friesin 1895 auf ihren zukünftigen Ehemann aufmerksam, der sich als Kolonialoffizier aus Niederländisch-Ostindien (heute Indonesien) im Heimaturlaub zu vermählen gedachte und dafür die richtige Frau suchte. Trotz eines zwanzigjährigen Altersunterschiedes war Grietje von dem schottisch-stämmigen, stattlichen John MacLeod, seiner Offiziersuniform und seinen zahlreichen Orden angetan. Sie heiratete ihn und gebar ihm am 30. Januar 1896, sieben Monate nach der Hochzeit und damit nach damaligen Moralvorstellungen über zwei Monate zu früh, einen Sohn (Norman John). Am 1. Mai 1897 siedelte die Familie nach Batavia – dem heutigen Jakarta – auf Java um. Dort erblickte nur ein Jahr später Tochter Luisa das Licht der Welt. 1899 erfolgte der Umzug nach Sumatra, wohin MacLeod als Standortkommandeur versetzt worden war. Als zwei Jahre später Norman an den Folgen einer Vergiftung starb, kam es zum Bruch zwischen den Eheleuten. Im März 1902 reiste das Paar zurück in die Niederlande, wo Gretha MacLeod im August die Scheidung einreichte. Trotz des ihr zugesprochenen Sorgerechts, gab Gretha das gemeinsame Kind in die Obhut von MacLeod.
Im Oktober 1903 fuhr Lady MacLeod zum ersten Mal nach Paris, die Stadt, die in der Belle Epoque als europäisches Zentrum für Kunst und Vergnügen galt, um dort ein neues Leben zu beginnen. Sie versuchte sich als Zirkusreiterin und Aktmodell, kehrte zurück in die Niederlande, um es nur ein Jahr später erneut zu versuchen. Und diesmal hatte sie Glück. Der Industrielle Émile Guimet verschaffte ihr einen Auftritt als Tänzerin in seinem Museum für orientalische Kunst in Paris. Aus Geertrudia wurde Mata Hari (malayisch: Auge der Morgenröte), mit einer ganz eigenen indischen Biografie als Bajadere (Nackttänzerin). „Ich wurde im Süden Indiens geboren, an der Malabarküste, in einer heiligen Stadt mit dem Namen Jaffuapatam, in einer Familie der heiligen Kaste der Brahmanen“ erzählte sie über ihre Herkunft, was mehr hergab als die Tochter von ‚Frau Antje von der Mühle‘ zu sein. Sie wiegte sich unter Schleiern, die sie zugleich verhüllten und enthüllten. Besonders „Mann“ zeigte sich entzückt von diesem „indischen Tempelkind“, übertrafen ihre erotischen Entblätterungskünste doch bei weitem den bislang bekannten Striptease. Wegen ihres dunklen Teints, ihrer vollen Lippen und glänzenden Augen, nahm man ihr die geheimnisvolle Brahmanentochter gerne ab. „Das war kein Tanzen. Das war eine Offenbarung“, waren sich die Pariser einig und: „Isadora Duncan ist tot. Es lebe Mata Hari“. Fortan wurde Mata Hari sprichwörtlich herumgereicht. Dreißig Auftritte bei den Salon-Veranstaltungen reicher Bürger absolvierte sie allein im Jahr 1905, drei davon bei der berühmten Bankier-Familie Rothschild. Sie trat im „Théâtre du Trocadéro“ auf, erhielt danach ein Engagement für das legendäre „Olympia“. Weitere Gastspiele folgten im Kursaal von Madrid, das ihr der französische Botschafter in Spanien vermittelte sowie in Monte Carlo, wo sie in der Oper "Le Roi de Lahore" von Jules Massenet die Salomé tanzte.
1906 wurde Mata Hari geschieden, nachdem man John MacLeod Nacktfotos von ihr zugespielt hatte. Im gleichen Jahr trat Mata Hari im Apollo-Theater in Wien auf, ein Jahr später im „Wintergarten“ in Berlin, wo man ihr unter anderem eine Affäre mit dem Sohn des deutschen Kaisers nachsagte. Überhaupt verzehrten sich Fürsten, Bankiers und hohe Offiziere nach ihr, setzten alles auf eine Karte für ein Tête-à-tête mit dieser Göttin der Nacht. Aber auch die weniger gut betuchten Rekruten hatten bei Mata Hari eine Chance, Hauptsache Militär, denn für schneidige Soldaten in Uniform hegte sie eine besondere Schwäche.
Im Winter 1907/1908 kehrte sie nach Paris zurück, musste dort aber erkennen, dass ihr Stern sank, da sie inzwischen von vielen noch lasziveren Tänzerinnen imitiert wurde. Trotzdem gelang es ihr, die kommenden Jahre mit zahlreichen in- und ausländischen Engagements zu reüssieren, so in Bordeaux, in der Mailänder Scala oder in Palermo. Im Frühjahr 1914 machte ihr der sich abzeichnende Krieg einen Strich durch die Rechnung: Ihr Vertrag für einen halbjährigen Einsatz am Metropol-Theater in Berlin wurde aufgelöst. Im Herbst 1914 kehrte Mata Hari in die Niederlande zurück, wo sie Auftritte an den Theatern von Den Haag und Arnheim absolvierte, aber aufgrund ihres aufwändigen Lebensstils immer wieder in Geldnöte geriet. Außerdem war sie inzwischen 38 Jahre und musste sich wegen der aufkommenden Konkurrenz nach Alternativen umsehen. Da kam ihr ihre Vorliebe für Uniformen gerade recht.
Das Ende als Spionin
Im Frühjahr 1916 ließ sie sich von dem deutschen Konsul in Amsterdam, Carl H. Cramer als Spionin anwerben und nahm 20.000 Französische Francs als Vorschuss entgegen.
Aus der Edelprostituierten Mata Hari wurde die Spionin H-21. Ihr Führungsoffizier Major Roepell weihte sie in das Einmaleins der Spionage ein. Ihre Mission war es, von Paris aus die nächsten Offensivpläne des Gegners zu erkunden, Reisen durch militärisch interessante Gebiete Frankreichs zu unternehmen und mit den Nachrichtendiensten in Düsseldorf und Madrid Verbindung zu halten. Tatsächlich hielt sich die Spionagetätigkeit von H-21 in Grenzen. Sie berichtete über Klatsch und Tratsch, gab aber keine kriegsentscheidenden Informationen weiter.
Anders bei den Franzosen. Aufgrund eines eingefädelten Manövers seitens der Franzosen kam Mata Hari in Paris in Kontakt mit dem Leiter der französischen Spionageabwehr, George Ladoux. Dieser stellte ihr eine Million Francs in Aussicht, wenn sie über die deutschen Kriegspläne berichtete. So spionierte die Schöne den deutschen Militärattaché in Madrid aus, der ihr von geplanten U-Boot-Landungen erzählte. Außerdem wusste sie zu berichten, dass der deutsche Geheimdienst den Übermittlungscode der Franzosen „geknackt“ hatte. Statt es ihr mit Geld zu danken, erfuhr Mata Hari, dass sie von Ladoux bereits seit 1915 observiert wurde.
Am 13. Februar 1917 wurde die Niederländerin von den Franzosen enttarnt und verhaftet. Der Vorwurf lautete: Hochverrat und Doppelspionage. Um sie dessen überführen zu können, habe man sie angeworben, erklärten die Franzosen. Mata Hari landete im Frauengefängnis von Saint Lazare, wo sie monatelang verhört wurde. Da die Beweise augenscheinlich erdrückend waren, behauptete die Delinquentin hartnäckig, sie habe als Doppelagentin für Frankreich gearbeitet. Doch der Pariser Führung kam der Fall Mata Hari sehr gelegen. Nach mehreren militärischen Niederlagen war die Moral der Truppe am Boden. Da lag es nahe, ein Exempel zu statuieren und die ganze Misere auf das Treiben einer geheimnisumwitterten Meisterspionin zu reduzieren. Am 24. Juli wurde Margaretha Geertruida Zelle, wie sie nun wieder hieß, vor einem französischen Militärgericht der Prozess gemacht. Bereits einen Tag später erfolgte das Urteil zum Tode durch Erschießen. Ein Revisionsantrag wurde abgelehnt, eine Berufung verworfen und auch ein Gnadengesuch seitens des niederländischen Außenministeriums wurde durch den Staatspräsidenten Raymond Poincaré negativ beschieden.
Am 15. Oktober erfuhr die inzwischen 41-Jährige, dass es soweit sei. Nur eine Stunde später wurde sie in den Befestigungsanlagen von Schloss Vincennes nahe Paris von einem zwölfköpfigen Kommando erschossen. Sie habe, so wird kolportiert, bei der Vollstreckung Handküsse verteilt und dem befehlshabenden Offizier ein „Monsieur, ich danke Ihnen!“ zugeraunt.
Heutige Wertung des Falls Mata Hari
Bis heute ist unklar, ob Mata Hari tatsächlich die raffinierte Doppelagentin war, wie in dem Urteil dargestellt – oder ein willkommenes Bauernopfer des französischen Militärgerichts, das einen Sündenbock für die Niederlagen und Verluste suchte. Erst 2017– einhundert Jahre nach ihrem Tod – kann dies endgültig geklärt werden, wenn die französischen Gerichtsakten geöffnet werden. Dass Mata Hari in den Dienst des deutschen Geheimdienstes trat, ist heute unstrittig. Derzeit scheint es, als habe Mata Hari am Ende ihrer Tanzkarriere mit einer naiven, bedeutungslosen Informationstätigkeit ihr drohendes Schicksal, als Künstlerin in Vergessenheit zu geraten und unter akuter Geldnot zu leiden, abzuwenden versucht und dabei die Gefährlichkeit ihres Handelns nicht erkannt.
Autor: Cornelia Ganitta
Erstellt: November 2012