Kurzbeitrag: Orangefarbene Karotten für das niederländische Königshaus?

Mikroskop, Fernrohr, Dialysegerät, U-Boot, Kunstgras, Compact-Disc, Feuerwehrschlauch und sogar die drahtlose Datenübertragungstechnik Bluetooth – all diese Dinge sind niederländische Erfindungen. Auch die orangefarbene Karotte soll vor vielen hundert Jahren von niederländischen Züchtern zu Ehren des niederländischen Königshauses kreiert worden sein. Über Wahrheit und Dichtung einer Gemüsezüchtung.
Seit „vergessene“ Gemüsearten wieder in Mode sind, findet man Karotten auf dem Wochenmarkt in allen möglichen Farben: gelb, rosa, lila, rot, weiß und sogar schwarz. Wann und wo zum ersten Mal der Mensch Karotten angebaut hat, ist nicht bekannt. Manche Forscher gehen davon aus, dass wilde Karotten zum ersten Mal vor 4.000 bis 5.000 Jahren in der Ost-Türkei oder Zentralasien kultiviert wurden, andere vermuten als den Ursprung der Gartenmöhre im 10. Jahrhundert in Afghanistan, dem Iran oder Irak sowie vielleicht in Anatolien. Sicher ist, dass die ersten kultivierten Karotten, die in historischen Quellen genannt werden, lilafarben und gelb waren und zunächst in Zentral- und Kleinasien auftauchten, dann in Westeuropa und schließlich in England. Fest steht: Die heute übliche Supermarkt-Standard-Karotte in Orange wird schriftlich das erste Mal 1721 erwähnt.[1]
Angebaut wurde diese orangefarbene Möhre wohl tatsächlich zuerst in den Niederlanden. Hierfür werden zwei Indizien angeführt. Erstens stammen die ersten Gemälde mit orangefarbenen Karotten aus den Niederlanden des 17. Jahrhunderts. Zweitens wurden die ersten Sortenbeschreibungen orangefarbener Karotten von niederländischen Gartenbauern im 18. Jahrhundert angefertigt. Dort heißt es, die orangefarbenen Möhren stammten von gelben Sorten ab.[2]
Laut Legende züchteten die Niederländer orangefarbene Möhren, um das niederländische Königshaus Oranien-Nassau zu ehren. Es heißt, die Gemüsezüchter wollten König Wilhelm von Oranien für seinen Unabhängigkeitskampf gegen Spanien danken. Diese Geschichte wird gerne unhinterfragt übernommen, auch wenn es keinerlei historische Beweise hierfür gibt. Ebenfalls unbewiesen ist, dass die Niederländer während der Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg ihre Loyalität zur Herrscherfamilie demonstrierten, indem sie am Ehrentag der Monarchin mit einem Bündel orangefarbener Karotten durch die Straßen zogen.[3]
Warum die Niederländer orangefarbene Karotten gezüchtet haben, weiß man nicht. Dass sie es taten, steht aber in jedem Fall fest. Ebenso, dass die niederländischen Sorten Horn und Long Orange aus dem 17. Jahrhundert die Basis für viele unserer modernen orangefarbenen Karottenvarianten darstellen.[4]
[1] Iorizzo, Simon et.al.: Genetic Structure and Domestication of Carrot (daucus carota subsp. sativus) (apiaceae), in: American Journal of Botany 100(5) (2013), S. 930–938, hier: S.935.
[2] Brandenburg, Willem A.: Possible relationships between wild and cultivated carrots (Daucus carota L.) in the Netherlands, in: Die Kulturpflanze (1981) Bd. 29, Ausgabe 1, S. 369-375, hier: S.371.
[3] Fuchs, Thomas: Holland Speciaal. Eine lekker Landeskunde über wakker Nederland, Meerbusch 2015, S. 113.
[4] Stolarczyk, John und Janick, John: Carrot: History and Iconography, in: International Society for Horticultural Science (Hrsg.): Chronica Horticulturae, Jg. 51, Ausgabe 2 (2011),S. 13-18, hier: S. 17, Onlineversion
Autorin: Angelika Fliegner
Erstellt: Februar 2015