GESUNDHEIT: Corona-Impfungen in den Niederlanden bereits Anfang Januar?

Den Haag, SW/NOS/NRC/VK, 03. Dezember 2020

Nach der Ankündigung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), bis spätestens zum 29. Dezember eine Entscheidung über eine EU-Zulassung der ersten Impfstoffe zu treffen, zog auch der niederländische Gesundheitsminister, Hugo de Jonge, mit einem konkreten Starttermin für die ersten Injektionen in den Niederlanden nach – dem 4. Januar 2021. Doch wie realistisch ist diese Angabe und wer wird zuerst geimpft?

„Wenn alles klappt“, könnten die ersten Impfdosen in der ersten Woche des neuen Jahres Älteren, chronisch Kranken und Gesundheitspersonal verabreicht werden, erklärte de Jonge am Dienstag. Der langersehnte Schlüssel zur Rückkehr zur altbekannten Normalität wird derweil unter Hochdruck durch die europäischen Behörden auf Herz und Nieren geprüft. Dabei haben gleich zwei Firmen, zum einen die deutsch-amerikanische Kollaboration aus Pfizer und BioNTech und zum anderen der US-Konzern Moderna, beste Chancen auf die Zulassung ihrer Stoffe. Damit beginne laut dem Gesundheitsminister eine „neue Phase der Hoffnung und neuen Perspektive.“ Man selbst sorge nun dafür, dass alles bereitstehe, wenn grünes Licht komme.

Obwohl de Jonge laut eigener Aussage in „intensiver Zusammenarbeit“ mit dem nationalen Gesundheitsinstitut RIVM, den Hausärzten, den Gesundheitsbehörden und den Pflegeeinrichtungen steckt, werden gerade von Seiten derer Vertreter Bedenken zum genannten Datum im Januar geäußert. Der Plan der Regierung, das bestehende niederländische Impfsystem und dessen vorhandene Strukturen auf die aktuelle Situation anzuwenden, stößt bisher noch auf Probleme. Die landesweite Hausärztevereinigung weist unter anderem auf die Komplexität des Impfstoffes hin, der eine Mindesttemperatur von minus 70 Grad verlangt und somit besonderer Kühlsysteme erfordert. Ebenso müsse man mit Prognosen aufpassen, die zu hohe Erwartungen anfeuerten - der Skiurlaub im Februar sei auch weiterhin nicht möglich. Auch für die großen Pflegeorganisationen, wie die Branchenvereinigung ActiZ, gebe es „momentan noch viele Fragen und wenig Antworten“. So existiere bislang keine logistische Planung, während die Pflegepatienten ohnehin zunächst aufgeklärt werden und ihre Zustimmung geben müssten – dies erfordere Zeit. Das Kabinett reagiert mit Verständnis für die skeptische Haltung. Ein Sprecher de Jonge’s gab zu verstehen, dass man noch selbst nicht alle Antworten parat habe, während der Gesundheitsminister angab, stets nur ein weiteres „Puzzelstück“ setzen zu können.

Die Interessensgruppen spielen eine Hauptrolle in der Impfstrategie der Regierung. So sollen die 115.000 Bewohner von Pflegeheimen und die 18.000 in entsprechenden Einrichtungen untergebrachten geistig Behinderten durch den jeweiligen Heimarzt behandelt werden. Weiter sind für die Hausärzte die insgesamt 4,4 Millionen über 60-Jährigen mit und ohne dauerhafte medizinische Behandlung vorgesehen. Ebenso sollen hier auch die über 800.000 Patienten mit Vorerkrankung geimpft werden, die jünger als 60 Jahre sind. Als letzte Risikogruppe wird das Pflege- und Gesundheitspersonal eingestuft und demnach mit Priorität gehandhabt – hierzu zählen nochmals 1,3 Millionen Menschen in der Verantwortung der Betriebsärzte. Ohne die Mitarbeit und Organisation der Institutionen kann der Plan nicht umgesetzt werden.

Die Zahlen bedeuten im Umkehrschluss zudem, dass im Januar nur ein Buchteil der gefährdeten Niederländer eine Impfung erfahren kann, auch weil zwei Injektionen und somit zwei Dosen notwendig sind, bis volle Sicherheit garantiert ist. Somit kann im ersten Monat eine Zahl von etwa 450.000 Menschen geschützt werden, im ersten Quartal geht man derzeit von etwa 1,5 Millionen aus. Die 6,5 Millionen übrigen Bürger zwischen 18 und 60 Jahren werden wohl bis ins dritte Quartal warten müssen, bis sie für eine Impfung in Betracht kommen. Auf dieses Szenario stellen sich auch die für diesen Vorgang zuständigen regionalen Gesundheitsbehörden ein. Erst im August erwarte man dort, mit großflächigen Impfungen zu beginnen, weshalb es noch kein IT-System zur Registrierung der Geimpften gebe und auch die Einstellung geeigneten Personals zur Bewältigung des Mehraufwands bisher nicht angelaufen sei.