POLITIK: Macht Änderung der Verfahrensregeln Kammermitglieder vogelfrei?

Den Haag, FV/NRC, 15. September 2020

Eine auf den ersten Blick unschuldige Änderung der Verfahrensregeln der Zweiten Kammer könnte weitgehende Folgen haben, fürchten einige Kammermitglieder. Ein Mitglied der Zweiten Kammer kann in seiner Funktion laut Grundgesetz strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Eine Änderung der Verfahrensregeln der Zweiten Kammer, die kurz davor steht angenommen zu werden, würde jedoch beinhalten, dass Kammermitglieder von jedem im In-und Ausland auf ihr Verhalten angesprochen werden und sogar zeitweise suspendiert werden könnten.

Der Vorschlag beinhaltet konkret, dass “ein Jeder” Anzeige erstatten kann, wenn der Verhaltenscode von Kammermitgliedern gebrochen wird. Die maximale Strafe für Mitglieder der Zweiten Kammer würde dann einen Monat Suspendierung beinhalten, während dieser Zeit dürfe jedoch weiterhin an Abstimmungen teilgenommen werden.

Vor zwei Monaten wurden zwei Mitglieder der Zweiten Kammer, Roelof Bisschop (SGP) und Tobias van Gent (VVD), aufmerksam auf das mögliche Risiko dieser Änderung und forderten eine Debatte. Sie sind der Meinung, dass Kammermitglieder, die sich nicht an die internen Regeln halten, trotzdem nicht suspendiert werden dürften. So eine Sanktion würde sich nicht damit vertragen, dass sie ihr Mandat durch die Wähler erhalten haben. Eine Ermahnung oder ein Verweis würde ausreichen. Außerdem finden Bisschop und Van Gent, dass nur Kammermitglieder selbst eine Klage einreichen dürften. Es ginge immerhin um interne Verhaltensregeln. Sie wollen damit verhindern, dass Kammermitglieder „vogelfrei“ werden, indem Bürger auf Basis einer anderen politischen Meinung Anzeige erstatten. Sie wurden in dieser Meinung unterstützt von Gidi Markuszower (PVV), der die neuen Verfahrensregeln einstuft als Versuch „der Machtsparteien, die Meinungsfreiheit einzuschränken“.

Am Donnerstag sprach die Zweite Kammer über die bevorstehende Änderung. Kammervorsitzende Arib schätzte die Gefahr der Änderung dabei als nicht groß ein, unter anderem da jede Anzeige von einem aus drei Personen bestehenden Rat behandelt werden würde, der entscheiden werde, ob eine Anzeige tatsächlich gerechtfertigt ist und ob die Verhaltensregeln der Zweiten Kammer wirklich gebrochen wurden.

In zwei Wochen wird deutlich, ob die beunruhigten Kammermitglieder ihre Kollegen überzeugen konnten und die Änderung abgeschwächt wird.