POLITIK: Hilfsbereitschaft des niederländischen Kabinetts für Moria bisher noch überschaubar
Den Haag, SW/NOS/NRC/VK/Trouw, 10. September 2020
Durch den Brand im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist eine humanitäre Katastrophe ausgebrochen, die die EU-Staaten zum Handeln zwingt. Auch in den Niederlanden diskutiert man zurzeit bereits intensiv über die Aufnahme Hilfsbedürftiger. Die Bemühungen des Kabinetts zielen bisher aber nur auf eine finanzielle Unterstützung ab.
Die Reaktionen der niederländischen Politik fielen gestern, nach der Nacht des Brands, einschlägig aus. „Abscheulich“ und „erschreckend“ waren die Leitwörter der allgemeinen Erschütterung. Staatssekretärin für Migration, Ankie Broekers-Knol (VVD), sicherte umgehend Solidarität an Griechenland zu, während bereits einige Stunden später die Ministerin für Außenhandel und Entwicklungszusammenarbeit, Sigrid Kaag (D66), eine Nothilfe von einer Million Euro für Athen bereitstellte. Broekers-Knol sagte aber auch gegenüber RTL Nieuws: „Die Aufnahme von Flüchtlingen? Darauf ist die Antwort nein.“
Derweil spitzt sich die Lage der Menschen auf der ägäischen Insel weiter zu. Zwar läuft momentan die Rettung 400 unbegleiteter Minderjähriger, jedoch sind viele der 12.000 Geflüchteten in der vergangenen Nacht dazu gezwungen gewesen, unter freiem Himmel zu schlafen. Essensreserven sind ebenso unerreichbar wie der Hafen von Mytilini, bei dessen Annäherung die ehemaligen Lagerbewohner, auch aufgrund des zuvor ausgebrochenen Covid-19-Virus‘, teils gewaltsam unter Gebrauch von Tränengas zurückgedrängt werden. Es scheint, als würde lediglich eine schnelle Evakuierung eine weitere Eskalation verhindern.
So empfingen die Spitzen mehrerer Koalitionsparteien noch am gestrigen Mittwoch Aufforderungen zum Handeln. Mehr als fünfzig prominente Mitglieder der ChristenUnie schrieben in Anlehnung an Angela Merkels Zitat aus dem Jahr 2015: „Die Niederlande müssen sagen ‚Wir schaffen das‘, und die Türen öffnen“. Vertreter der D66 riefen dazu auf, die Initiative bei der Aufnahme der „verletzlichsten Flüchtlinge“ zu ergreifen. Auch innerhalb des CDA gab es erste Stimmen von Parlamentariern, die sich gegen die Auffassung der Parteikollegen in der Regierung gerichtet haben.
Am heutigen Donnerstag soll es in der Zweiten Kammer eine kurzfristig einberufene Debatte über das Thema geben. Eine Mehrheit scheint bereits jetzt für die Aufnahme von Flüchtlingen zu sein, darunter die genannten Koalitionsparteien und das linke Spektrum um PvdA, SP und GroenLinks sowie die Migrationspartei DENK. Nicht auszuschließen ist es auch, dass D66 und ChristenUnie erneut Koalitionsabsprachen zur Diskussion stellen werden, nach denen Geflüchtete nur im Land der Erstankunft empfangen werden sollen.
Bereits seit Ende des letzten Jahres bittet die griechische Regierung die EU-Länder um die Umverteilung von 2500 geflüchteten Kindern und Migranten. Nach dem gesteigerten Druck durch die türkische Grenzöffnung im Frühjahr dieses Jahres erklärten sich elf Länder, worunter Deutschland, zur Aufnahme bereit. Die Niederlande sperrten sich dagegen gegen die Beteiligung an dem Vorhaben, vor allem aus der Sorge der VVD und des CDA heraus, dass die traumatisierten Jugendlichen das Bedürfnis nach Familienvereinigungen entwickeln könnten oder dass sie letztlich kein Recht auf Asyl bekommen würden. Sehr wohl installierte man eine Hilfsorganisation in Griechenland, die bei der Aufnahme von Kindern vor Ort helfen sollte.