POLITIK: Minister Grapperhaus bleibt nach Affäre um Verstöße gegen Corona-Regeln im Amt
Den Haag, SW/NOS/NRC/VK/Trouw, 03. September 2020
Bei der gestrigen Debatte des niederländischen Parlaments geriet der Minister für Justiz und Sicherheit, Ferdinand Grapperhaus (CDA), unter gehörigen Beschuss der anwesenden Abgeordneten. Grund ist der Verstoß gegen mehrere Corona-Regeln bei seiner Hochzeit vor zwei Wochen. Trotz seiner Verfehlungen entschied die Zweite Kammer allerdings, dass Grapperhaus weiterhin im Amt bleiben darf.
Nach seiner Vermählung am 22. August blieb es um den Christdemokraten zunächst ruhig. Erst am 26. August veröffentlichte das Klatschblatt Privé einige Fotos der Feierlichkeiten, die vom Society-Fotografen Ferry de Kok stammten, jedoch keine Rückschlüsse auf der pandemischen Situation unangemessenes Verhalten der Gäste aufwarf. Erst am Abend desselben Tages kamen in einem Fernsehprogramm des Senders SBS6 pikantere Bilder ans Tageslicht, auf denen der Mindestabstand der anwesenden Personen nicht gewährleistet zu sein schien. Als Reaktion darauf entschuldigte sich Grapperhaus via Twitter und gab zu, „dass dort leider Momente gewesen sind, in denen der 1,5-Meter-Abstand nicht eingehalten worden ist.“
Die Affäre schien daraufhin beinahe verflogen, äußerten sich doch Mitglieder der Opposition als auch Ministerpräsident Rutte verständnisvoll zu der Sache und stellte letzterer gesondert heraus, dass sein Minister sogar das Corona-Bußgeld von 390 Euro für sich und seine Frau an das Rote Kreuz spendete. Erst mit dem Vorstoß des Vorsitzenden Gerrits der Interessensvereinigung der BOA’s (Buitengewone opsporingsambtenaren), die vergleichbar mit dem deutschen Ordnungsamt sind, nahm die Diskussion wieder Fahrt auf. „Es ist schwierig zu erklären, warum Menschen ein Corona-Bußgeld bekommen können, wenn sich der Minister selbst nicht an die Regeln hält“, so Gerrits. Einen Tag später, am 1. September, kamen auf SBS6 weitere Eindrücke der Hochzeit zum Vorschein, diesmal mit weitreichenderen Verstößen gegen die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie, worunter Umarmungen und Händeschütteln. Fotograf de Kok erklärte, „noch hunderte Fotos“ dieser Art zu besitzen. Die Reaktionen der politischen Landschaft fielen nun heftiger aus, allen voran durch die nationalkonservativen Thierry Baudet und Geert Wilders, aber auch aus dem linken Lager um SPund GroenLinks. Die Frage, wie der Minister verlorenes Vertrauen wiedergutmachen wolle, drängte sich immer mehr auf. Eine Kammerdebatte wurde für den 2. September anberaumt, in der es auch um die Vorkommnisse der Trauungsfeier gehen sollte.
Besonders vor dem Hintergrund des bisherigen Auftretens Grapperhaus während der Covid19-Pandemie hinterlässt sein eigenes Verhalten einen faden Beigeschmack. Immer wieder trat er als Verfechter des Rechts auf und mahnte die Bevölkerung zur Befolgung der Regeln, wobei er auch verbal seiner Einstellung Nachdruck verlieh und Verstöße zuweilen als „asozial“ rügte. Vor der Zweiten Kammer musste er sich am gestrigen Tage nicht zuletzt auch deswegen gegen Attacken von beinahe allen Seiten wehren.
In einer Stellungnahme vor dem Parlament entschuldigte sich Grapperhaus erneut und beteuerte wie bereits in seinem Tweet, in der Vorbereitung alles getan zu haben, um die Regeln befolgen zu können. Trotzdem habe er sich von der Stimmung mitschleifen lassen: „Ich habe es falsch eingeschätzt. Ich habe mich falsch eingeschätzt. Es ist nicht gut gegangen.“ Er zeigte sich darüber hinaus einsichtig, der Arbeit der BOA’s einen Bärendienst erwiesen zu haben, beteuerte aber auch, in Gesprächen mit den Verantwortlichen zu sein.
Von einer Mehrheit bekam Grapperhaus letztlich das Vertrauen zugesprochen – trotz zweier Misstrauensanträge vom Forum voor Democratie und der sozialdemokratischen PvdA, die bei beinahe der ganzen Opposition (außer der SGP) Zustimmung fanden. Weder diese noch die Koalition ließen es sich allerdings nehmen, scharfe Kritik am Minister zu üben. Thierry Baudet zog gar in Erwägung, dass der Jurist von der Lebensgefährlichkeit des Virus nicht mehr überzeugt sein kann: „Sonst hätte er nie seine gut betagte Schwiegermutter in den Arm genommen und in Gefahr gebracht.“ Dies wies Grapperhaus jedoch umgehend zurück: „Meine Verfehlung darf die Bedeutung der Maßnahmen nicht durchkreuzen. Ich möchte den Leuten zeigen, dass die Politik wirklich wichtig ist, um das lebensgefährliche Virus unter Kontrolle zu halten.“
Eine Folge hat die Causa aber doch. Auf Drängen der Abgeordneten wird das Kabinett überprüfen, inwieweit Verstöße gegen die Corona-Regeln in ein übergeordnetes nationales Verzeichnis eingetragen werden. Diese Einträge könnten bei der Jobsuche Nachteile einbringen, was unter anderem die Faktionsvorsitzende der SP, Lilian Marijnissen, „nicht proportional“ findet.