POLITIK: Die niederländische Sicht auf die Coronahilfen der EU
Den Haag/Brüssel, TA/NOS/NRC/tagesschau/VK, 21. Juli 2020
Nach tagelangen Verhandlungen haben die Regierungschefs der Europäischen Union das größte Finanz- und Rettungspaket der europäischen Geschichte beschlossen. Die Niederlande traten dabei als Teil der sogenannten „sparsamen Vier“ als harter Verhandlungspartner auf. Doch kann Premierminister Rutte mit den Ergebnissen zufrieden sein?
Die 27-Mitgliedsstaaten haben beschlossen, dass 750 Millionen Euro als Rettungspacket im Rahmen der Coronakrise zur Verfügung gestellt werden sollen. Dabei sollen 360 Milliarden Euro als Kredite bereitgestellt werden. Weitere 390 Milliarden Euro sind für Zuschüsse bzw. Subventionen bestimmt, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Ursprünglich stand für diese Zuschüsse ein Betrag von bis zu 500 Milliarden Euro im Raum, unter dem Druck der „sparsamen Vier“ ist dieser Betrag jedoch deutlich verringert worden. Um an Geld zu kommen, müssen die europäischen Länder Anträge einreichen, die von der Europäischen Kommission gesichtet und bewertet werden. Auch die Niederlande können sich so für Finanzhilfen bewerben. Laut der NOS könnte das Land ersten Rechnungen zufolge fünf bis sechs Milliarden Euro bekommen. Gleichzeitig wurde auch der europäische Haushaltsrahmen für die nächsten sieben Jahre festgelegt. Er hat eine Höhe von 1074 Milliarden Euro.
Premierminister Mark Rutte (VVD) zufolge kommen durch die Einigung keine zusätzlichen Kosten auf die Niederlande zu. 1,9 Milliarden Euro wird das Land als Beitrag bezahlen, das sind 500 Millionen Euro weniger als jetzt. Auch dürfen die Niederlande mehr Zolleinnahmen behalten als bisher. Da der Hafen in Rotterdam gleichzeitig auch eine Außengrenze für Handel der EU ist, wird hier durch Handelszölle viel Geld eingenommen.
In der Vergangenheit haben sich die Niederlande energisch gegen sogenannte Eurobonds ausgesprochen, für die alle Länder gemeinsam bürgen müssen. Das müssen sie mit der jetzigen Regelung auch, laut Rutte handele es sich hierbei jedoch explizit nicht um Eurobonds, sondern Darlehen, die nur für einen begrenzten Zeitraum bestehen und innerhalb von 25 bis 30 Jahren zurückgezahlt werden müssen.
Nicht zuletzt beschloss man unter dem Druck Ruttes auch eine Notbremse für die Finanzierungen. Falls ein Land seine Wirtschaft nicht reformiert, kann die Finanzierung gestoppt werden. Laut der NOS erwarte Rutte jedoch nicht, dass diese Notbremse oft zum Einsatz kommen wird.
Wie auch schon zuvor zog Rutte in den Verhandlungen den Zorn der anderen Premierminister auf sich. Laut der Tageszeitung de Volkskrant habe sich vor allem der französische Premier Emmanuel Macron über das Auftreten seines niederländischen Kollegen geärgert. Er verglich Rutte mit dem ehemaligen britischen Premier Cameron, unter dessen Führung das Vereinigte Königreich für den Brexit stimmte. Auch Italien und Spanien haben sich über die Einmischung Ruttes geärgert, stimmten aber letztendlich zu.
Nach Ablauf der Verhandlungen äußerten sich alle Beteiligten positiv über den erreichten Kompromiss. Rutte betitelte ihn als „umfangreiches und gutes Packet“. Laut Charles Michel, Vorsitzender des Europäischen Rates, sei die Einigung ein Zeichen, dass die EU in der Lage sei, zu handeln.