POLITIK: Kabinett stellt Fahrplan für Corona-Lockerungen auf
Den Haag, SW/NOC/NRC/Trouw, 07. Mai 2020
Kurz nach der Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Verbund mit den Bundesländern, die bisherigen Corona-Beschränkungen allmählich zu lockern, äußerte sich in den Niederlanden auch Ministerpräsident Mark Rutte zu einer schrittweisen Rückkehr zur Normalität. Dafür ist ein Fahrplan erstellt worden, der, unter Berücksichtigung der Entwicklung der Fallzahlen, bis zum ersten September weitgehende Änderungen verspricht.
Laut Rutte ändere sich die von der Regierung vorgegebene Maßgabe von „Bleiben Sie so viel wie möglich zu Hause“ zu „Bleiben Sie bei Beschwerden zu Hause“. Bezüglich der beschlossenen Lockerungen versicherte er, die Beschränkungen so schnell wie möglich, aber nicht schneller als verantwortbar, aufzuheben. „Denn wir können die Niederlande nur vor dem ‚Lockdown‘ bewahren, wenn sich weiterhin jeder vernünftig verhält.“, mahnte er zur Vorsicht. So gibt es auch einige Regeln, die weiterhin unbefristet Bestand haben werden: die Telearbeit, der Abstand zu anderen Personen von eineinhalb Metern, sowie Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen und die Beachtung der Hust- und Niesetikette. Daneben wies Rutte darauf hin, dass zwei Kriterien ausschlaggebend für die Beibehaltung der Pläne seien: die Effekte auf das Gesundheitssystem und die Auswirkungen auf das Treiben auf den Straßen.
Ab dem 11. Mai dürfen nun aber wieder die Kontaktberufe, wie Friseure, ihre Arbeit aufnehmen, auch wenn der Mindestabstand zwischen den Kunden gewährleistet sein muss. Eine Mundschutzmaske, wie in Deutschland, wird hier jedoch nicht zur Pflicht. Außerdem dürfen Bibliotheken wieder ihre Pforten öffnen und Grundschüler in halbierten Gruppen in die Schule. Sport an der frischen Luft, wie Tennis oder Golf, ist darüber hinaus erlaubt.
Mit dem ersten Juni beginnt wieder der gewöhnliche Betrieb im öffentlichen Nahverkehr. Hier ist die wichtigste Neuerung, dass ab dann alle Fahrgäste dazu verpflichtet sind, exklusiv in den Verkehrsmitteln eine Schutzmaske zu tragen. Aufgrund des noch immer vorhandenen Mangels an medizinischen Mundschutzen sind auch selbstgemachte Bedeckungen erlaubt. Neben der Wiedereröffnung der weiterführenden Schulen darf auch das Hotel- und Gastgewerbe den Betrieb starten. Hier sind ebenso Reservierungen vonnöten wie in Kinos und Theatern, die in kleinem Rahmen, mit maximal 30 Besuchern, den Betrieb wiederaufnehmen. Zu guter Letzt werden Museen und Gedenkstätten mit online gekauften Karten zugänglich sein.
Während die Testkapazität für verschiedene Berufsgruppen innerhalb des Mais bereits ausgebaut wird und sich beispielsweise Lehrkräfte freiwillig testen lassen können, solle ab Juni jedem Bürger diese Möglichkeit eingeräumt werden.
Einen weiteren Monat später werden Camping- und Ferienparks, mitsamt der Sanitäreinrichtungen, wieder öffnen dürfen. Die maximale Besucherzahl von Restaurants, Kinos und Theatern wird, bei Beachtung der Abstandsregelung, auf hundert erhöht und Hochzeiten sind mit maximal hundert Gästen wieder erlaubt. So dürfen Kirchen, Krematorien und Kongressräume ebenfalls Veranstaltungen organisieren.
Der letzte Schritt soll zu Beginn des Septembers erfolgen. Hier wären Kontaktsportarten wieder erlaubt, was auch den Profifußball, der in den Niederlanden abgebrochen wurde, die Möglichkeit für eine neue Saison bieten würde. Hier wird allerdings die Einschränkung bestehen bleiben, dass lediglich Spiele ohne Zuschauer stattfinden dürfen. Bordelle, Saunen, Coffeeshops und Casinos sind weitere Einrichtungen, die in der letzten Phase geöffnet werden können.
Unklar bleibt hingegen weiterhin, ab wann große Events stattfinden können. Das Kabinett gab am Mittwoch an, vor dem ersten September darüber entscheiden zu wollen. Die Tageszeitung Trouw zitierte allerdings am Donnerstag den Gesundheitsminister Hugo de Jonge, der in einem Brief an das niederländische Parlament zu verstehen gibt, dass erst nach der Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 über entsprechende Großveranstaltungen nachgedacht werden kann. Ebenfalls undeutlich bleibt, mit wie vielen Personen man sich untereinander treffen darf. Zunächst waren Gerüchte aufgetaucht, nach denen eine Gruppenansammlung von zehn Personen wieder erlaubt sei. Das Kabinett schreibt hierzu laut dem NRC Handelsbald, dass „Gruppen von klein bis groß“ möglich wären, darüber aber in „der kommenden Zeit“ noch Details bekanntgemacht werden würden. Damit dürfte weiterhin die jetzige Regelung, mit maximal zwei Personen, gültig sein. „Es sind Schritte, die jedem in unserem Land den Raum geben, vorauszuschauen und Pläne zu machen“, so Rutte. Er wurde gleichwohl nicht müde zu betonen, dass das Verbreitungsrisiko des Virus mit jeder Neuinfektion steige.
Neben den Lockerungen gab das Kabinett auf der viel beachteten Pressekonferenz, der mehr als sieben Millionen Fernsehzuschauer folgten, ebenfalls bekannt, dass die Bettenkapazität auf den Intensivstationen weiter ausgebaut und auch das Kontaktverbot für Pflegeeinrichtungen gelockert werden soll.