POLITIK: Rob Jetten (D66) für Millionärssteuer

Den Haag, SF/DN/NRC/Trouw/D66/CPB, 06. Februar 2019

„Steuern, Steuern, Steuern – alles andere ist egal“: Mit diesem Plädoyer für eine kräftige Besteuerung von Reichtum auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos wurde der niederländische Journalist Rutger Bregman auf einen Schlag berühmt. Auch die beliebte US-Linke Alexandria Ocasio-Cortez setzt sich seit ihrer Wahl in den Kongress der Vereinigten Staaten für eine 70-prozentige Reichensteuer ein. Nun springt Rob Jetten, Fraktionsvorsitzender von D66 in der niederländischen Zweiten Kammer, auf diese Welle auf. Bei der sogenannten Kerdijk-Lesung in Den Haag stellte Jetten sein Gesellschaftsbild ausführlich dar – und hielt dabei ein Plädoyer für Chancengerechtigkeit. Leitet er damit eine Parteiwende innerhalb von D66 ein oder bleibt seine Rede ein Wahlkampf-Bluff?

Wie der Parteiname vermuten lässt, haben sich die Democraten 66 – kurz D66 – im Jahr 1966 gegründet. Vor allem Intellektuelle engagierten sich bei der linksliberalen D66 mit dem erklärten Ziel, die starre Versäulung der niederländischen Gesellschaft zu durchbrechen. Über die Jahre hinweg veränderte sich die Programmatik der Partei wieder und wieder. Unter Alexander Pechthold, Jettens Vorgänger im Amt des Fraktionschefs in der Zweiten Kammer, blieb vom Sozialen im angestrebten Sozialliberalismus wenig übrig, meint die Tageszeitung Trouw. Pechthold habe die Partei in ein Netzwerk für junge Karrieristen verwandelt, das die Liberalisierung auf dem Arbeitsmarkt vorantreibe. Verständlich, dass Trouw bei solcher Skepsis von Jettens Plädoyer für mehr soziale Gerechtigkeit angetan ist.

Doch so viel Neues hat Jetten überhaupt nicht erzählt. D66 setze sich für gleiche Chancen in der Bildung ein und für eine demokratischere Gesellschaft in den Niederlanden. Er beabsichtige kein radikales Umschwenken in der prinzipiellen Ausrichtung der Partei, setze aber neue, fundamental andere Akzente als sein Vorgänger. In den niederländischen Medien werden besonders die wirtschaftspolitischen Vorstellungen von Jetten diskutiert. Denn in der Rede skandalisierte er die soziale Ungleichheit im Land: „Die reichsten 10 Prozent besitzen 66 Prozent des Vermögens. Sicherheit wird erblich. Die eine Gruppe hat das Nachsehen, die andere vergrößert ihren Wohlstand und gibt ihn weiter.“ Für einen Liberalen sei diese Schieflage in den Vermögensverhältnissen eine Zumutung, davon ist Jetten überzeugt.

Seine Lösung: eine Vermögensbesteuerung ab 1 Million Euro. „Ich bin Befürworter eines progressiven Steuersystems. Darin können wir Vermögen über einer Million Euro schwerer belasten, sodass wir Kleinsparer entlasten können“, so Jetten in seiner Rede. Mit einer solchen Steuerreform schlösse sich die Schere zwischen Arm und Reich und vergrößere sich die Chancengerechtigkeit in den Niederlanden. Seit 2017 wird die Höhe der Vermögenssteuer in den Niederlanden jährlich erhoben. 2018 zahlten die niederländischen Vermögenden 1,61 Prozent Steuern auf ihren Besitz ab ungefähr einer Million Euro. In Deutschland ist die Vermögenssteuer seit 1997 komplett abgeschafft.

Die Debatte über die Besteuerung großer Vermögen flammt in der Politik immer wieder auf. Befürwortern wie Rob Jetten geht es um Gerechtigkeit, doch die Kritiker sehen das Wirtschaftswachstum dadurch in Gefahr. Kapital könne durch hohe Steuern aus den Niederlanden verschwinden und damit Arbeitsplätze vernichten. Diese Frage stellt sich auch die höchste Wirtschaftsbehörde der Niederlande, das CPB, in der jüngsten Wirtschaftsanalyse. Wer in den Niederlanden reich sei, profitiere vom Wachstum, heißt es darin, doch die Armen blieben weiterhin abgehängt. Während die Vermögen anwüchsen, stiegen die Löhne kaum. Dies verletze, so das CPB, mittelfristig das „Wohlbefinden der Niederländer“. Steigende Energiekosten und unsichere Arbeitsverhältnisse erledigten ein Übriges.