POLITIK: Finanzierung niederländischer Moscheen durch Saudi-Arabien und Kuwait
Den Haag, LM/NRC 26. April 2018
Die niederländische Tageszeitung NRC Handelsblad und das niederländische Nachrichtenmagazin Nieuwsuur haben Nachforschungen angestellt und dabei herausgefunden, dass viele Moscheen in den Niederlanden von anderen Ländern finanziert werden, womit oftmals bestimmte Forderungen an die Moscheen verbunden sind. Vor allem Saudi-Arabien und Kuwait sind demnach an diesen Finanzierungen beteiligt. Das NRC Handelsblad hat geheime Listen mit den betroffenen Moscheen veröffentlicht.
Eine Mitteilung des NCTV (Nationaal Coördinator Terrorismebestrijding en Veiligheid, dt. “Nationaler Koordinator für Terroismusbekämpfung und Sicherheit”) verunsicherte die Regierung im letzten Jahr. Der Dienst informierte die Gemeinden über die enorme Zunahme des Salafismus in den Niederlanden – des fundamentalistischen Islams. Innerhalb der letzten vier Jahre habe sich die Anzahl von Moscheen und Imamen mit salafistischem Hintergrund verdoppelt, so der NCTV.
Für das Wachstum des Salafismus gebe es, so das NRC Handelsblad, viele Gründe. Ein wichtiger Grund sei jedoch vor allem die Finanzierung der Moscheen durch die konservativen Ölstaaten Saudi-Arabien, Kuwait und Katar. Der Ursprung des Salafismus liege in Saudi-Arabien, erklärt das NRC Handelsblad. Seit den siebziger Jahren bemühe sich der Staat um die Verbreitung des salafistischen Gedankenguts. Paul Aarts zufolge, der Nahost-Experte an der Universität von Amsterdam ist, seien seitdem Millionen, eventuell sogar Milliarden Euro in die Verbreitung des salafistischen Gedankenguts in der ganzen Welt investiert worden.
Die Verbreitung des Salafismus geschieht vor allem durch die Ausbildung von Imamen, die mit Geldern aus Saudi-Arabien in anderen Ländern Moscheen bauen und dort die entsprechenden Lehren verbreiten. Der niederländische Geheimdienst hat schon in den neunziger Jahren angedeutet, dass fundamentalistische Moscheen in den Niederlanden von Saudi-Arabien finanziell unterstützt werden. Mittlerweile sind auch Finanzierungen aus Katar und Kuwait weit verbreitet.
2013 beauftragte das niederländische Kabinett den WODC (Wetenschappelijk Onderzoek- en Documentatiecentrum, dt. “Wissenschaftliches Forschungs- und Dokumentationszentrum) damit, weitere Informationen zu den Finanzierungen der Moscheen aus dem Ausland zu beschaffen. Das WODC gab 2015 bekannt, dass es nicht möglich sei, den Umfang dieser Finanzierungen einzuschätzen. Das Kabinett reagierte verärgert und verständnislos.
Das Kabinett wusste zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht, dass die Nachforschungen des WODC vom Außenministerium behindert wurden. Das Außenministerium wurde seit 2010 von Saudi-Arabien und seit 2013 von Kuwait darüber informiert, welche niederländischen Moscheen bei diesen beiden Ländern um finanzielle Unterstützung gebeten haben. Das Außenministerium hat dem WODC diese Informationen bewusst vorenthalten. Laut NRC Handelsblad habe ein Sprecher des Ministeriums behauptet, dass der WODC die vertraulichen Informationen einsehen durfte, doch Stijn Hoorens, der die Nachforschungen leitete, konnte das nicht bestätigen. Stattdessen zeigt sich Hoorens in Bezug auf die neuen Enthüllungen überrascht. Hätte er die Informationen des Außenministeriums einsehen können, hätten die Ergebnisse seiner Nachforschungen ganz anders ausgesehen.
Das Ministerium verfügt über drei Listen: eine Liste stammt aus Saudi-Arabien, zwei aus Kuwait. Auf der saudi-arabischen Liste sind 18 Organisationen vermerkt, die auf der Vorschlagsliste für eine Finanzierung stehen. Von einer Moschee in Doordrecht wusste das Außenministerium, dass sie 88.888 Dollar erhalten hat. Die Listen aus Kuwait bestehen aus einer Liste mit Finanzierungsanfragen aus den Niederlanden und einer Liste mit ausgezahlten Beträgen im Umfang von 6 Millionen Euro. Das NRC Handelsblad hat diese Informationen mit Berichten des Geheimdienstes AIVD kombiniert und zieht das Fazit, dass fast zehn Prozent der 450 islamischen Einrichtungen in den Niederlanden in Bezug auf finanzielle Unterstützung Kontakt mit Ländern der Golfstaaten hatten. Die Nachforschungen des NRC Handelsblad haben ergeben, dass auf den Listen und in den Berichten nicht alle Moscheen verzeichnet sind, die Geld aus den Golfstaaten erhalten. Außerdem fehlen Informationen aus Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Das NRC Handelsblad und die Nieuwsuur haben gemeinsam Informationen über die Moscheen eingeholt, die auf den Listen stehen. Das Sociaal Cultureel Centrum in Den Haag (dt. “Soziales kulturelles Zentrum”) erhalte von allen Moscheen auf den Listen die größte Geldsumme aus dem Ausland. Das meiste Geld stamme von der Social Reform Society, einer Organisation, die der politisch-islamistischen Muslimbruderschaft angehört. In Dordrecht wurde der Bau einer neuen Moschee von Saudi-Arabien finanziert, 88.888 Dollar wurden überwiesen. Diese Summe wurde angeblich noch zwei weitere Male ausgezahlt. Nach der Eröffnung 2017 tauchten salafistische Prediger in Dordrecht auf. Doch längst nicht in allen Moscheen auf den Listen predigen nach den Finanzierungen radikale Imame.
Die Frage sei nun, so das NRC Handelsblad, ob die niederländische Regierung die Verbreitung von salafistischem Gedankengut verhindern könne. Das Verbieten der Finanzierungen würde der Religionsfreiheit widersprechen. Allerdings würden Länder wie Saudi-Arabien selbst keine Religionsfreiheit kennen. “Während Saudi-Arabien ungehindert Geld unter den niederländischen Muslimen verteilt, sind das Judentum und das Christentum dort verboten.”, so Aarts.
Der Theologe Ajouaou kritisiert die Finanzierungen aus den Golfstaaten ebenfalls scharf: “Moscheen denken oft, dass eine ausländische Spende günstig ist: sie müssen selbst kein Geld sammeln. Aber wie hoch ist der Preis, den man dafür bezahlt? Was, wenn man so einen Islam in die Moschee holt, den man selbst gar nicht will? Dann verkauft man eigentlich sein Gewissen.”.
Nicht nur das Außenministerium, sondern auch das Ministerium für Soziales und Arbeit hat Nachforschungen des NRC Handelsblad zufolge Informationen zurückgehalten. Die Informationen über die von Saudi-Arabien und Kuwait finanziell unterstützten Moscheen sollten den betroffenen Gemeinden weitergegeben worden. Die Nachforschungen haben jedoch ergeben, dass drei Viertel der Gemeinden vom Ministerium für Soziales nicht informiert wurden. So wusste der Bügermeister von Geleen beispielsweise nichts davon, dass in seiner Stadt eine Moschee sowohl von Saudi-Arabien als auch von Kuwait finanziell unterstützt wurde. Die betroffene Moschee hatte nach den Finanzierungen einen radikalen Kurs eingeschlagen.
Ein Sprecher des Ministeriums äußerte, dass die Gemeinden informiert worden seien. Es würden gerade Nachforschungen angestellt, um herauszufinden, warum einige Gemeinden keine Informationen gehabt hätten. Allerdings seien die Informationen der saudi-arabischen Liste erst weitergegeben worden, nachdem bekannt geworden war, dass das NRC Handelsblad und die Nieuwsuur Nachforschungen in Bezug auf die Finanzierungen anstellten. Das Kabinett sei jedoch nicht falsch informiert worden.