Nachrichten Juni 2017


POLITIK: Eine Regierung braucht das Land V - VVD, CDA, D66 und CU 2.0 mit neuem Informateur Gerrit Zalm

Den Haag. SB/NRC/VK 28. Juni 2017.

Die Einhundert-Tage-Marke ist geknackt. So lange sind die Niederlande nach den Wahlen im März 2017 bereits ohne neue Regierung. Nach Edith Schippers und Tjeenk Willink soll es jetzt der dritte Informateur, Gerrit Zalm, richten. Er wird aller Voraussicht nach den erneuten Verhandlungsversuch von VVD, CDA, D66 und der ChristenUnie begleiten. Wird nun endlich eine neue Koalition geschmiedet?

Dass die Überschrift des heutigen Artikels „eine neue Regierung braucht das Land“ mit der römischen Ziffer fünf (V) endet, lässt erahnen, dass es mit der Koalitionsbildung in den Niederlanden keine einfache Angelegenheit ist. Halb verzweifelt schrieben die Journalisten in den großen Tageszeitungen von der Sackgasse, in der die Verhandlungen stecken und wenn es doch mal weiterzugehen schien, tauchte hinter jeder Kurve, die genommen wurde, eine neue Sackgasse auf. Das zeigt sich mittlerweile auch am „Verschleiß“ der Informateure, derjenigen also, die die Verhandlungen zwischen den Parteien einfädeln und moderieren sollen. Nach Edith Schippers (VVD) und Tjeenk Willink (pvdA) kommt nun ein neuer Name ins Spiel: Richten soll es Gerrit Zalm (VVD).

Gerrit Zalm ist 75 Jahre alt und kennt sich in der Den Haager Politik bestens aus. Zalm war von 1994 bis 2002 und dann noch einmal von 2003 bis 2007 Finanzminister der Niederlande. Noch nie hatte ein Minister vor ihm dieses Amt so lange bekleidet. Er gilt dementsprechend nicht zu Unrecht als herausragender Kenner der Staatsfinanzen. 2007 hatte Zalm sich aus der Politik verabschiedet und war seitdem als Vorstandchef der großen niederländischen Bank ABN Amro tätig. Aber auch während seiner 10 jährigen Laufbahn als Bankier hatte er Den Haag und der Politik, die dort gemacht wurde, nie ganz den Rücken gekehrt. Er hat seine Netzwerke dort stets gut gepflegt. Er wird sich Rutte, Pechtold Buma und Co. also nicht vorstellen müssen, man kennt sich gut. Das gilt vor allem für Mark Rutte, der seine politische Karriere unter Zalm begonnen hatte. Auf Zalms Fürsprache hin wurde Rutte, dessen drittes Kabinett nun geschmiedet werden soll, Staatssekretär für Soziales. Und auch Pechtold und Zalm sind alte Bekannt. Zu Zeiten von Balkenende II saßen sie für kurze Zeit im selben Kabinett.

Am Montag hatte der noch „amtierende“ Informateur noch einmal die sieben Fraktionsvorsitzenden von denjenigen Parteien zu sich geholt, die nicht an den Verhandlungen teilnehmen, um zu hören, worauf diese in der nächsten Verhandlungsrunde Wert legen. Am gestrigen Dienstag sprach er auch noch einmal mit den Fraktionsführern von VVD, CDA, D66 und CU, um schließlich seinen Abschlussbericht der Tweeden Kamer vorzulegen. Die VVD hätte es gerne gesehen, wenn Willink mit seiner Arbeit als Informateur fortgefahren wäre, aber dieser hatte bereits im Mai zu verstehen gegeben, dass er es nicht als seine Aufgabe erachte, eine neue formale Verhandlungsrunde zu führen. Er hatte die Koalitionsgespräche lediglich wieder in Gang bringen wollen.

Das ist ihm gelungen und so wird nun also Zalm, über den seine Parteigenossin Annemarie Jorritsma, sagt, er sei ein Technokrat, der den Kompromiss liebt und immer auf der Suche nach Lösungen sei, die Verhandlungen übernehmen, sofern die Tweede Kamer dem heute zustimmt.

Dabei ist bereits jetzt deutlich, wer unter Zalm verhandeln wird. Es wird eine Neuauflage von VVD, CDA, D66 und CU geben. Zwar wird Pechtold wohl sein ganzes Gewicht einsetzen, um so viele seiner Standpunkte wie möglich in diesem konservativen Kabinett durchzusetzen, aber der Unterschied zu 1.0 (lesen sie hier mehr dazu) ist wohl der unbedingte Wille nun endlich eine Koalition zustande zu bringen. Wenn man nach den vom NRC-Handelsblad befragten Experten geht, wird es den vier Parteien diesmal auch tatsächlich gelingen eine Regierung zu bilden. Zwar, so denken 80 Prozent der Befragten, unter denen Lobbisten, politische Amtsträger und Insider der Haager-Politik sind, werde es schwierige Verhandlungen geben, aber auch erfolgloses Verhandeln könnte auf lange Sicht für die D66 schädlich sein. 65 Prozent gaben bei der Befragung an, dass sie davon ausgehen, dass eine solche Koalition, sollte sie zustande kommen, stabil wäre. Es sei zwar nur eine knappe Mehrheit, auf die sie sich stützen könnten, aber die jeweiligen Parteianhänger kennzeichneten sich nicht durch übermäßigen Aktivismus und auch die Parteiführer seien allesamt erfahren und in diesem Sinne verlässlich. Dennoch: Bei diesen Koalitionsverhandlungen im Jahr 2017 gab es schon die ein oder andere bittere Überraschung, es sollte sich daher wohl niemand zu früh freuen.

Einen pikanten Punkt wird es unter der Führung von Zalm übrigens doch geben: Zalm ist im Aufsichtsrat bei Shell, einem der globalen Player auf dem Gebiet der fossilen Energie. Wenn die Verhandlungen sich auf die Umwelt- und Energiepolitik zubewegen, wird es spannend, wie die eher bewahrende Position des CDA und die ambitiösen Klimaziele der D66 unter Zalm zusammengebracht werden.