Nachrichten Juni 2017


GESELLSCHAFT: Zwei Morde, viele Gemeinsamkeiten und doch kein Zusammenhang?

Bunschoten. EF/VK/NRC/Trouw. 06. Juni 2017.

Ein Pfingstwochenende voller Grauen liegt hinter den Bewohnern der ländlichen Gemeinden Bunschoten und Hoevelaken . Zwei junge Mädchen, beide 14 Jahre alt, wurden kurz nacheinander ermordet. Die 14-jährige Savannah aus Bunschoten wurde bereits am Donnerstag als vermisst gemeldet. Sonntag fand man schließlich ihre Leiche. Der Leichnam von Romy, die am Freitag spurlos verschwunden war, wurde noch am selben Tag gefunden. Das Eigenartige an diesen beiden Fällen ist, dass die beiden Morde nur wenige Kilometer voneinander entfernt stattfanden. Dennoch vermutet die Polizei keinen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen. Die beiden Tatverdächtigen, ein 14-jähriger und ein 16-jähriger Junge, wurden festgenommen. 

Nach dem Verschwinden der 14-jährigen Savannah bestätigte die Polizei am Sonntagabend schließlich, was die Gemeinde Bunschoten-Spakenburg bereits befürchtet hatte: Savannah Dekker ist tot. Die am Sonntag gefundenen, sterblichen Überreste stammen von dem jungen Mädchen. Savannah wurde am Donnerstag zum letzten Mal gesehen, kurz bevor sie zu ihrer Klassenkameradin fahren wollte, um mit ihr Hausaufgaben zu machen. Ihre Eltern, die bereits sehr schnell die Vermutung äußerten, dass etwas passiert sein müsse, organisierten via Facebook eine Suchaktion, um ihre Tochter schnellstmöglich zu finden. Diese Suchaktion erfuhr im Laufe des Wochenendes viel Aufmerksamkeit.

Am Sonntagvormittag suchten etwa 700 Freiwillige aus dem ganzen Land alle Wiesen rund um Bunschoten ab. In Gruppen à zehn Personen suchten sie mit Stöcken und Spürhunden vor allem das Gelände rund um die Schleusen ab. Der Leichnam wurde dann letztendlich in der Nähe des Industriegeländes De Kronkels gefunden, südlich des Zentrums der protestantischen Gemeinde. Der Polizei zufolge wurde die Leiche allerdings nicht mithilfe der Suchaktion, sondern von einem Passanten, der zufällig mit seinem Hund spazieren ging, gefunden. Das Gebiet wurde im Anschluss weiträumig abgeschirmt. Erst nach einigen Stunden forensischer Arbeit meldete sich die Polizei über den Fund und aktuelle Befunde zu Wort. Am darauffolgenden Tag, am Pfingstmontag, wurde bekannt gegeben, dass es sich bei dem Täter Berichten der Polizei zufolge um einen 16-jährigen Jungen aus Den Bosch handeln könnte. Der Junge wurde Sonntagnacht zunächst vorläufig festgenommen und wird aktuell noch verhört.

Dieser Mord ist aber nicht das einzige, was die Niederlande über die Pfingsttage erschüttert hat. In Achterfeld, etwa 18 Kilometer von Bunschoten entfernt, wurde bereits am Freitag ein 14-jähriges Mädchen in einem Graben am Emelaarsepad im Wasser gefunden. Bei diesem Mädchen handelte es sich um die 14-jährige Romy aus der Gemeinde Hoevelaken, die ebenfalls durch ein Verbrechen ums Leben gekommen ist. Sie war am Freitag nicht von der Schule nach Hause gekommen. Die Gemeinde, in der das Mädchen wohnhaft ist, liegt selbst nur 10 Kilometer von Bunschoten entfernt. Dort organisierte man für sie gestern Abend eine Gedenkfeier in einem Musikpavillon auf dem Van Aalstplein. In diesem Fall gibt es ebenfalls einen Verdächtigen: ein 14-Jähriger aus der Gemeinde Ede. Am Montag wurde er von der Polizei verhört.

Die Angst, dass ein sehr gefährlicher Täter in diesem Gebiet sein Unwesen treiben könne, führte bereits seit dem Verschwinden von Savannah zu diversen Gerüchten und Panik unter den Bewohnern der Gemeinde Bunschoten. „Wie kann das sein?“, sagte die 20-jährige Lisa Middelaar aus dem Pfannkuchenhaus De Tolboom zu einem Zeitpunkt, an dem es noch keine Verdächtigen gab. Beide Mädchen seien 14 Jahre alt gewesen. Das könne ihr zufolge doch kein Zufall sein. „Und warum hier? Ich hoffe, dass die Polizei schnell mehr Antworten liefert.“ Doch auch jetzt, da die Polizei verlauten lässt, dass diese beiden Verbrechen nichts miteinander zu tun haben, nehmen die Spekulationen unter den Dorfbewohnern kein Ende. Cindy Hartog, eine Freiwillige, die sich am Sonntag an der Suchaktion beteiligt hatte, sagte dazu: „Ich bin froh, dass die Täter gefasst sind. Dass es aber zwischen diesen beiden Fällen keine Verbindung geben soll, finde ich immer noch sehr seltsam.“

An der Stelle, an der Savannah gefunden wurde, legten die Anwohner am Montagmittag Stofftiere und Blumen nieder. Alle Flaggen hingen auf Halbmast. „Wir alle teilen diese Last“, äußerte eine Frau. „Das haben wir heute während des Gottesdienstes in der reformierten Zuiderkerk gezeigt. Wir standen in einem Kreis und hielten einander fest. Savannahs Eltern, ihre Omas und Opas und auch ihre Schwester sollen wissen, dass wir ihren Schmerz teilen.“ Alles andere als Mitgefühl findet man allerdings auf dem Industriegelände De Kronkels. Hier ist man eher verärgert. Man fragt sich, warum die Polizei erst so spät mit dem Suchen begonnen habe. Schließlich habe die Familie nicht ohne Grund eine Suchaktion organisiert, so ein 50-Jähriger Mann. Schenkt man allerdings dem Pressesprecher der Polizei Bernhard Jens Glauben, habe die Polizei, direkt nachdem Savannah am Donnertag als vermisst gemeldet wurde, alles getan, um sie zu finden. „Vom ersten Augenblick an haben wir dies sehr ernst genommen“, so Bernhard Jens. „Das wir uns nicht an der Suchaktion am Sonntag beteiligt haben, liegt daran, dass wir lieber gezielt suchen.“  

Was genau die Hintergründe dieser beiden Verbrechen sind, ist noch nicht bekannt. Es wird allerdings vermutet, dass der 16-jährige Junge aus Den Bosch, der als Tatverdächtiger für den Mordfall an Savannah festgenommen wurde, das Mädchen aus den sozialen Medien kannte, sagte Melis van der Groep, Bürgermeister von Bunschoten am Montag. „Nach dem Verschwinden bestand noch die Hoffnung, dass sie noch leben würde. Es gab Hinweise von Savannahs Familie und von ihren Freunden, dass sie sich zusammen mit diesem Jungen versteckt haben könnte“, sagte er. Ihm zufolge sei es zumindest beruhigend, zu wissen, dass die Verbrechen um Savannah und Romy vermutlich nicht zusammen hängen und man einen Serientäter ausschließen könne. „Dass da also niemand wahllos Mädchen vom Fahrrad zieht“, sagte er.  Dennoch wendete sich der Bürgermeister mit einer Videobotschaft an alle Bewohner der Gemeinde. Er bat darin alle Elternteile, besonders gut auf ihre Kinder aufzupassen. Junge Menschen hingegen täten gut daran, einander nicht allein zu lassen und so lange wie nur möglich beieinander zu bleiben.

Für Romy und Savannah kommt diese Botschaft allerdings zu spät. Ihren Angehörigen, Freunden und Bekannten bleibt nun nur noch die Möglichkeit, von ihnen Abschied zu nehmen. In diesem Zusammenhang fand nicht nur für Romy, sondern auch für Savannah eine Gedenkfeier statt. Dabei wurde der Gebetsraum von Savannahs Schule, dem Oostwende College, am Pfingstmontag zu einer Gedenkstätte für die 14-Jährige. Den ganzen Tag lang traf man dort Klassenkameraden, Eltern und Anwohner an. Das Entsetzen rund um die beiden Taten stand ihnen noch immer ins Gesicht geschrieben: „Als ich davon hörte, drehte sich mir der Magen um“, sagte ein Vater. „Man denkt an einen Erwachsenen in einem Auto. Nicht an einen jungen Burschen. Das macht es für mich noch unverständlicher.“ Anschließend beugt er sich über das Kondolenzbuch für die verstorbene Savannah. „Ich weiß nicht, was ich schreiben soll“, sagte er. „Vielleicht verbleibe ich bei einem Wort: sprachlos.“