Nachrichten Januar 2017
INTEGRATION: Deutsch-Niederländisches Forum 2017 zum Thema Migration und Integration
Berlin. SB/Schwarzkopf Foundation. 23. Januar 2017.
Am vergangenen Dienstag und Mittwoch fand in Berlin das 14. Deutsch-Niederländische Forum statt. Diesmal diskutierten Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Gesellschaft über die Themen Migration und Integration. Auch die Außenminister beider Länder, Frank-Walter Steinmeier und Bert Koenders, waren anwesend und stellten sich den Fragen eines jungen Publikums.
Die Krisen unserer Tage sind global: Finanzkrise, Bankenkrise, Griechenlandkrise, Flüchtlingskrise – sie alle machen keinen Halt vor Landesgrenzen, auch wenn so mancher Populist heute aus genau diesem Versprechen Kapital zu schlagen vermag. Gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden ist die Idee hinter dem Deutsch-Niederländischen Forum, das letzte Woche zum 14. Mal stattfand. Initiiert wurde das Treffen im Jahr 1996 von den ehemaligen Außenministern Pieter Kooijmans und Klaus Kinkel als Reaktion auf das negative Deutschlandbild von niederländischen Jugendlichen. Mittlerweile ist das Deutschlandbild der Niederländer sehr viel besser geworden, aber das Forum gibt es trotzdem noch. Alle eineinhalb Jahre findet es abwechselnd in Deutschland und den Niederlanden statt. Diskutiert wird stets über aktuelle Themen und gemeinsame Herausforderungen. So ging es in den vergangenen Jahren bereits um den demografischen Wandel, die Digitalisierung und die Zukunft Europas. Beim diesjährigen Treffen standen die Themen Migration und Integration im Vordergrund. Anlass sind die hohen Flüchtlingszahlen, die Europa in den vergangenen zwei Jahren vor große Herausforderungen gestellt haben.
Eröffnet wurde das Forum von den beiden Vorsitzenden des niederländischen und deutschen Lenkungsausschusses, Jan Peter Balkenende und Rita Süssmuth. Die ehemalige Bundestagspräsidentin Süssmuth, die unter anderem der UN-Weltkommission für Internationale Migration angehörte und sich im Verlauf ihrer langen Karriere immer wieder mit diesem Themenfeld auseinandersetzte, machte gleich zu Beginn deutlich, dass eine Beschäftigung mit den Themen Flucht und Migration in Europa unerlässlich sei. Es handele sich bei der Flüchtlingskrise nicht um ein vorrübergehendes Phänomen, sondern um eine einsetzende Völkerwanderung. Ein baldiges Ende des Einwanderungsdrucks sei daher illusorisch. Sie appellierte an die Kommunen, Projekte anzuregen und Austauschplattformen einzurichten. Gleichzeitig lobte sie das ehrenamtliche Engagement vieler Bürgerinnen und Bürger im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise. Während Süssmuth, die nächsten Monat ihren 80 Geburtstag feiert, die Teilnehmer jedoch von vornherein vor zu hohen Erwartungen an die Workshops warnte – denn eine Lösung für all diese dringlichen Fragen zu finden, sei so schnell einfach nicht zu erreichen - ging ihr Kollege Balkenende das ganze wesentlich offensiver an. Er forderte in seiner Impulsrede: „Morgen müssen wir wissen, wie wir weiter machen wollen.“
Im Anschluss an diese einführenden Worte betraten schließlich die Außenminister beider Länder die Bühne. Im vollbesetzen Theodor-Haubach-Saal im Bundespresseamt sprachen sie über das Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten, über das in ihren Augen alternativlose Dublin-Abkommen (eins bis vier) und die veränderte Sicherheitslage. Vor allem Frank-Walter Steinmeier, der möglicherweise schon bald den Außenministerposten gegen das Amt des Bundespräsidenten eintauschen wird, betonte immer wieder, dass es für komplexe Probleme keine einfachen Lösungen geben könne. Er mahnte zur Besonnenheit und sagte, die Vernunft müsse endlich wieder obsiegen. Sein Amtskollege Bert Koenders sprach sich dafür aus, entschieden gegen Diskriminierung vorzugehen, gleichzeitig dürften die Neuankömmlinge die europäische Gastfreundschaft nicht ausnutzen. Einig waren sich die beiden Außenminister darin, dass Europa vor seiner wohl größten Herausforderungen stünde, dabei teilten sie den Optimismus, dass Europa am Ende auch diesen „Stresstest“ meistern wird.
Alle anwesenden Redner lobten die guten Deutsch-Niederländischen Beziehungen, die für Europa einen vorbildhaften Charakter haben können. So sagte der ehemalige Ministerpräsident Balkenende: „Die Beziehungen sind außerordentlich gut.“ Auch Außenminister Steinmeier lobte in einem Interview, das er Studierenden der Schwarzkopf-Stiftung Junges Europa gab, die Deutsch-Niederländischen Beziehungen: „Ich freue mich, dass aus dieser Nachbarschaft inzwischen Freundschaft geworden ist. Freundschaft, die wir brauchen in Europa. Wir müssen Europa aus einer Krise befreien, wir müssen [uns] gemeinsam den Berg hochkämpfen und ich weiß als Bergsteiger, dass man das gemeinsam viel besser hinkriegt.“
Nach diesem Input-Teil wurde es schließlich interaktiv. In vier Workshops, die sich jeweils in die Sinnabschnitte Ankommen, Da sein, Dazu gehören und Zukunft gestalten gliederten, fanden die Teilnehmer je nach Interessenslage zusammen. In den Workshops wurden Ideen ausgetauscht, diskutiert und wichtige Punkte schriftlich festgehalten. Am Mittwoch folgte eine zweite Workshoprunde, in der die Themen noch einmal vertieft wurden. Am Mittwochnachmittag schließlich präsentierten die jeweiligen Moderatoren die Ergebnisse der einzelnen Workshops. Am Ende hatten sich die Teilnehmer die Worte Steinmeiers wohl zu Herzen genommen. Eine Bloggerin der Schwarzkopfstiftung schrieb: „Vereinfachte Antworten auf derart komplexe Fragen lieferte der Workshop glücklicherweise nicht. In einem sich ständig verändernden und entwickelnden Themenfeld wie Asyl und Migration, dessen Umsetzung die deutsche und die niederländische Gesellschaft noch auf Jahrzehnte prägen wird, geht es um eine vorsichtige Annäherung an mögliche Ansätze.“ Und in der Tat, am Ende wurden keine Schnellschusslösungen serviert. Der Mehrwert des Forums lag viel mehr darin, dass Bande zwischen den Ländern gelegt werden konnten, ein grenzüberschreitender Austausch von Wissen erreicht werden konnte, Kanäle für zukünftige Zusammenarbeit geschaffen wurden und Problemfelder und mögliche Lösungsansätze herausgearbeitet wurden.
Das Wichtigste, was vom Deutsch-Niederländischen Forum 2017 allerdings bleibt, ist die Einsicht, dass der starre Blick „nach oben“ nicht reicht. Wenn es um die Bewältigung der Flüchtlingskrise geht, sind wir alle gefragt. Nicht umsonst hörte man den Satz des alten US-Präsidenten Kennedy: „Frage nicht was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!“, in diesem Zusammenhang. Vielleicht mit der Modifikation, dass es nicht um ein Land geht, sondern um Europa.
Hier finden sie alle Videos der Schwarzkopf Stiftung Junges Europa zum Deutsch-Niederländischen Forum 2017:
Steinmeier : In welchem Europa wollen wir leben?
Koenders : In welchen Europa wollen wir leben?
Steinmeier: Deutsch-Niederländische Beziehungen
Koenders: Deutsch-Niederländische Beziehungen
Teilnehmer/Impression Video 1
Teilnehmer/Impression Video 2
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