Nachrichten Januar 2017
ERNÄHRUNG: Wo Fleisch drauf steht, muss auch Fleisch drin sein
Den Haag. SB/Trouw/NRC/VK/. 06. Januar 2017.
Am Dienstag haben zwei Abgeordnete der VVD ein schriftliches Gesuch an die Ministerin für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport, Edith Schippers, gerichtet. Sie wollen ein Verbot für Produkte erwirken, die mit „Fleischnamen“ werben, obwohl sie gar kein Fleisch enthalten. Geht es dem „Vegischnitzel“ nun an den Kragen? Die Reaktionen auf die Initiative fallen in den Niederlanden ganz unterschiedlich aus.
Es ist nicht das erste Mal, dass in den Niederlanden über diese Frage diskutiert wird. Bereits im Jahr 2012 hatte der CDA Abgeordnete, Jaco Geurts, kritisiert, dass „De Vegetarische Slager“ (der vegetarische Fleischer), ein beliebter Hersteller von vegetarischen Fleischersatzprodukten, den Konsument in die Irre führe, weil dieser für seine vegetarischen Produkte Namen wie „gehaktballen“ und „spekjes“, also Frikadellen und Speckwürfel, gebrauchte. Der Gründer von „De Vegetarische Slager“, Jaap Korteweg, machte damals aus der Not eine Tugend. Er benannte seine Produkte kurzerhand um. Aus „gehakt“ (Hackfleisch) wurde „gehackt“ mit „ck“. Eine Anspielung darauf, dass der Geschmack von echtem Fleisches perfekt „gehackt“ worden sei. Jaap Korteweg hatte damit eine humorvolle Lösung gefunden mit der er sogar noch Werbung machen konnte. Auch andere Produkte aus seinem Sortiment passte er auf diese Weise an “kipstuckjes“, „speckjes“ alles mit „ck“ statt mit einem einfachen „k“, wie man es in den Niederlanden normalerweise schreiben würde.
Nun aber ist die Diskussion aufs Neue entbrannt. Anlass dafür war eine Ankündigung vom bayrischen Agrarminister, Christian Schmidt, von der CSU. Schmidt hatte Ende Dezember angekündigt Bezeichnungen wie „vegetarisches Schnitzen“ und „Veggi-currywurst“ für fleischlose Produkte in Zukunft verbieten zu wollen. Er ist der Ansicht, dass sich Hersteller von „Pseudofleischgerichten“ eigene Namen für ihre Produkte einfallen lassen müssten. Die Zeitung, de Volkskrant, weist in diesem Zusammenhang zu Recht auf Schmidts Anhängerschaft hin, die überwiegend im agrarischen Sektor angesiedelt sei. Unter seinen Wählern finden sich viele die ihr tägliches Brot mit dem Verkauf von Fleisch verdienen.
Ist es die Aufgabe von Politikern sich mit der Namensgebung von Fleischersatzprodukten herumzuschlagen? Die beiden Abgeordneten, die den Vorschlag eingebracht haben mussten sich viel Hohn deswegen gefallen lassen. In Kikkererwten, also Kichererbsen, wobei kikker auf Niederländisch Frosch bedeutet, sei schließlich auch kein Frosch drin, Pindakaas, also Erdnussbutter, woebei kaas auf Niederländisch Käse bedeutet, enthalte schließlich auch keinen Käse - und überhaupt, was wäre dann mit der Fleischtomaten zu tun? Im Socialnet war sogleich der Hashtag #Schnitzelgate geboren. Ein riesen Spaß für Sprachhumoristen und Menschen, die diese Diskussion für schier lächerlich halten. Aber nicht für jeden ist diese Diskussion überflüssig.
„In den Niederlanden macht man sich vielleicht ein bisschen darüber lustig, aber auf europäischer Ebene ist es wirklich eine ernsthafte Angelegenheit. Das hat auch mit Handelsverträgen wie TTIP zu tun, denn was ist was? Es geht um den Schutz des Namens. […] die Herkunft muss klar sein. Eiweiße die aus Pflanzen gewonnen werden sind einfach anders als fleischliche Eiweiße, es ist einfach nicht dasselbe.“, sagte zum Beispiel Annie Schrijer die für den CDA im Europaparlament sitzt. Sie ist Mitglied der europäischen Kommission für Lebensmittelsicherheit. Und auch die beiden Abgeordneten, von der VVD, Erik Ziengs und Helma Lodders, argumentieren in diese Richtung: „Es geht um Patent- und Markenrechte. Irgendwann einmal wurden Gesetze verabschiedet um die Interessen von Unternehmern zu schützen. Damit hat es etwas zu tun.“, so Ziengs. Auch gehe es ihnen um Konsumentenschutz: „Wir wollen vor allem verhindert, dass irreführende Bezeichnungen auf den Etiketten stehen um die Konsumenten zu beschützen.“
Floris de Graad, Direktor des niederländischen Vegetarier Bundes hält dagegen: „Das ist urkomisch, es gibt einfach kein Problem. Es ist nun wirklich nicht der Fall, dass Menschen sich bei ihren Einkäufen irren. Auf der Verpackung steht ganz genau was es ist: Ein vegetarisches Produkt, das qua Struktur und Geschmack mit einem Schnitzel oder einer Wurst vergleichbar ist. […] Es scheint so zu sein, dass die Abgeordneten die Fleischindustrie beschützen wollen, denn der Verkauf von Fleischersatzprodukten wächst enorm.“ Laut Graads ist die Abkehr vom Fleisch ein europäischer Trend, der aus etlichen Lebensmittelskandalen hervorgehe. Vor allem in Deutschland könne man dies beobachten, wo der Prozentsatz der Vegetarier am höchsten liege.
Der Pressesprecher der zentralen Organisation des Fleischsektors (COV), Dé van de Riet, unterstützt die Abgeordneten in ihrem Ansinnen. Er findet, dass sich Hersteller von Fleischersatzprodukten häufig gegen den Fleischsektor stellen. Dann sei es allerdings eine: „seltsame Situation, dass sie gelichzeitig aus den Fleischnamen Profit ziehen“.
Der Gründer van „De vegetarische Slager“, Jaap Korteweg, nimmt es gelassen, er sagt: „Menschen werden für gewöhnlich nicht Vegetarier, weil sie Fleisch nicht lecker finden. Unsere Produkte haben Fleischnamen, damit der Kunde genau weiß, was er erwarten kann. Unsere Produkte sind eine Ode an den Fleischgeschmack, wir finden ihn herrlich. Ein Alternativname wäre daher nicht geschickt. Außerdem hatten wir noch nie Klagen darüber, dass die Leute gedacht hätten, echtes Fleisch gekauft zu haben.“