Nachrichten Dezember 2017
GESELLSCHAFT: Untersuchungsausschuss zum sexuellen Missbrauch in Sportvereinen
Arnheim. Lisa Mensing VK/NRC/Trouw . 12. Dezember 2017.

Der Untersuchungsausschuss zur Aufklärung von sexuellem Missbrauch in niederländischen Sportvereinen hat heute einen ersten Bericht vorgelegt. Nachdem im Jahr 2016 der ehemalige Profifußballer Andy Woodward in der britischen Tageszeitung The Guardian in einem Interview berichtet hatte, dass er von seinem Jugendtrainer sexuell missbraucht worden sei, folgten seinem Beispiel viele weitere Sportler. Es wurde deutlich, dass sexueller Missbrauch im Vereinssport keine Seltenheit ist.
Im Mai 2017 sprachen schließlich auch zwei ehemalige professionelle Jugendspieler der niederländischen Vereine PSV Eindhoven und Vitesse Arnheim darüber, missbraucht worden zu sein, was den NOC*NSF (Niederländisches olympisches Komitee & Niederländische Sportföderation) dazu veranlasste, Untersuchungen über den sexuellen Missbrauch in niederländischen Sportvereinen anzustellen.
Somit entstand der Untersuchungsausschuss um Ex-Minister Klaas de Vries (Minister für Soziales und Arbeit, später Innenminister), Richter Egbert Myjer und dem ehemaligen Staatssekretär Clémence Ross-van Dorp, der innerhalb der Niederlande aufdecken sollte, welche Missstände es in Bezug auf sexuellen Missbrauch in niederländischen Sportvereinen gibt. Der Untersuchungsausschuss hat nach sieben Monaten am heutigen Dienstag einen 224 Seiten langen Bericht veröffentlicht. Marjan Olfers, Professorin für Sport und Recht in Amsterdam, Marianne Cense, Forscherin am Forschungszentrum Rutgers für Sexualität und die belgische Kriminologin Tine Vertommen steuerten Berichte bei und unterstützten die Untersuchungen.
Der Untersuchungsausschuss schaffte zunächst eine Anlaufstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs im Sportbereich. Hier gingen allerdings nicht allzu viele Meldungen ein. Das zur Verfügung stehende Budget war klein, weshalb De Vries auf die Mithilfe der Medien in Bezug auf die Bekanntmachung der Untersuchung und der Anlaufstelle angewiesen war. Der Tageszeitung De Volkskrant zufolge, verunsicherte ein Auftritt von De Vries in der Nieuwsuur, einer niederländischen Nachrichtensendung mit Hintergrundinformationen, viele Opfer jedoch. So seien zu viele Fragen unbeantwortet geblieben und die Ziele des Ausschusses seien unklar gewesen. Sie vertrauten dem Untersuchungsausschuss nicht und beschlossen, sich nicht zu melden. Auch wurde kritisiert, dass Mitarbeiter der NOC*NSF in die Untersuchungen involviert waren, obwohl gerade auch die Arbeit dieses Dachverbands untersucht werden sollte.
Zuvor war der NOC*NSF die Anlaufstelle für Sportler, die im Verein sexuell missbraucht worden sind. Die Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass der Umgang mit den 70 Meldungen, die jährlich beim NOC*NSF über sexuellen Missbrauch eingehen, sehr undurchsichtig und nicht nachvollziehbar sind. Die meisten Meldungen seien ohne Konsequenz geblieben, was unter anderem an den hohen Hürden liege, die die Opfer nehmen müssten. So werden beispielsweise die Gerichtskosten dem Kläger auferlegt, wenn sich die Klage als unbegründet oder unzulässig erweist. Dadurch würden viele Opfer schon von Beginn an abgeschreckt.
Seit der Untersuchungsausschuss seine Arbeit aufgenommen hat, sind 103 Meldungen eingegangen. Mit 30 Opfern hat der Ausschuss persönlich gesprochen, wer zu diesen Gesprächen eingeladen wurde, und wer nicht, wurde einigen enttäuschten Opfern zufolge nicht kommuniziert. Zusätzlich hat die Kommission einen Bericht der Kriminologin Tine Vertommen aus dem Jahr 2014 hinzugezogen, die 1.999 Niederländer befragte, die vor ihrem 18. Lebensjahr Mitglied in einem Sportverein waren. 12 Prozent von ihnen sind mit sexueller Belästigung im Sportverein in Kontakt gekommen, vier Prozent davon wurden Opfer von sexuellen Übergriffen oder Vergewaltigungen.
Aus dem Bericht des Untersuchungsausschusses geht hervor, dass vor allem die Sportvereine oftmals zu lasch mit Meldungen über sexuellen Missbrauch umgehen. Kommt es tatsächlich zu Prozessen und Strafen, fallen diese meistens sehr milde aus.
De Vries kritisiert ebenfalls die Zusammenarbeit der Ministerien, die sich mit sexuellem Missbrauch auseinandersetzen, ihm zufolge müssten hier die Strukturen grundlegend verändert werden.
Der Bericht beinhaltet auch einige Ratschläge zur Prävention von sexuellem Missbrauch in Sportvereinen, dabei steht die Meldepflicht bei sexuellem Fehlverhalten im Fokus. Es wird dafür plädiert, die Verjährungsfrist beim Disziplinarrecht abzuschaffen und Sportvereine intensiver zu unterstützen. Auch solle ein Gütesiegel für „sichere Vereine“ geschaffen werden, mit dem Vereine beweisen können, dass einheitliche Regeln eingehalten werden, wie beispielsweise verpflichtende Aufklärungsabende und das Einfordern von Führungszeugnissen für Freiwillige sowie die Benennung von sichtbaren Vertrauenspersonen.
Der Untersuchungsausschuss um De Vries strebt folglich nach Einheitlichkeit und fordert Bewusstwerdung und Achtsamkeit. Das Problem des sexuellen Missbrauchs in Sportvereinen dürfe kein Tabuthema sein und es müsse alles daran gesetzt werden, sexuelle Belästigung und Missbrauch zu verhindern.