Nachrichten August 2017
KUNST: Ein Künstler, seine Sonnenblumen und die Ausstellungsart von Morgen
Amsterdam. Franziska Seufert/NRC/vangoghmuseum.nl. 15. August 2017.
Vincent van Gogh malte ab August 1888 seine berühmte Reihe von Sonnenblumenbildern. Fünf dieser Gemälde sind in fünf verschiedenen Museen rund um die Welt verteilt. Sie gehören zu den Sammlungen des Van Gogh Museums in Amsterdam, der National Gallery in London, des Philadelphia Museum of Art, der Neuen Pinakothek in München und der des Seiji Togo Memorial Sompo Japan Nipponkoa Museum of Art in Tokio. Facebook vereint nun diese fünf Sonnenblumengemälde online für eine virtuelle Ausstellung in einem 360 Grad einsehbaren Museumssaal.
Erst einmal konnten Besucher eines Museums zwei dieser Gemälde nebeneinander betrachten, als nämlich das Van Gogh Museum aus Amsterdam sein Gemälde als Leihgabe für eine Sonderausstellung an die National Gallery in London weitergab. Abgesehen davon wurden die fünf Gemälde noch nie nebeneinander ausgestellt. Nun können Van Gogh-Begeisterte, Kunstinteressierte und Sonnenblumenliebhaber der sogenannten Sunflowers 360 Museumsführung folgen. Der Urenkel des Künstlers, Willem van Gogh, kommentiert diese virtuelle Zusammenführung der Sonnenblumen-Serie.
Am gestrigen Montag, den 14. August 2017, stellten die fünf Museen darüber hinaus bei einer Sonderaktion in einem Livestream ihre professionelle Meinung und Interpretation zu dem jeweiligen Gemälde aus der Reihe vor. Die Museumsleiter erzählen den interessierten ‚Besuchern‘ etwas über die entsprechende Sonnenblumen-Version. Für die Zuschauer entstand der Hashtag #SunflowersLive, um in den sozialen Medien zu dem Thema und der Ausstellung beizutragen. Somit ist neben dem Inhalt auch die Art und Weise der Ausstellung eine Neuheit, ließen Facebook und die Museumsleiter verlauten. Die Idee kam von der National Gallery in London, aber Facebook und die anderen Museen schlossen sich gerne an, heißt es in einem Artikel der niederländischen Tageszeitung NRC Handelsblad. Es ginge Facebook darum, mit neuer Technik „Freude und Inspiration“ an Kunstliebhaber in der ganzen Welt zu verbreiten und neue Kunstfreunde zu gewinnen, sagte Glenn Miller, Sprecher des social media Giganten.
Nun, da die Museen und Facebook ihre virtuelle Show eröffnen, ist eine Frage, die aufkommt, was die Sonnenblumengemälde so beliebt macht. Warum wurden sie mehr oder weniger zum Aushängeschild von van Goghs Kunst, neben bekannten Gemälden wie zum Beispiel ‚Sternennacht‘ und ‚Schlafzimmer in Arles‘, oder neben seinen anderen Blumenbildern? Was ist so besonders an fünf, bzw. ursprünglich sieben, fast gleichen Versionen eines Gemäldes von einer Vase mit Sonnenblumen?
Vincent van Gogh malte insgesamt sieben dieser Sonnenblumengemälde, von denen nun eines einer privaten Sammlung angehört und eines im Zweiten Weltkrieg in einem Feuer in Japan zerstört wurde, während die fünf anderen in den genannten Museen hängen. Die Bilder variieren mit einer Anzahl von drei bis fünfzehn, teils verwelkten Blumen. Der Maler hat in den Jahren 1888 und 1889 an den Kunstwerken gearbeitet. Er wollte sie in seinem neuen Haus in Arles in Süd-Frankreich aufhängen, um dieses auf einen Besuch seiner Künstlerkollegen Paul Gauguin und Emile Bernard vorzubereiten und sein Können zu präsentieren – so die Erzählung. Nach allem was man weiß, fand Gauguin die Gemälde schön. Allerdings fand die Zusammenarbeit, auf die van Gogh gehofft haben soll, wegen eines Streites nie richtig statt. Gauguin zog weg, van Gogh schnitt sich bekanntlich sein Ohr ab und beging nur zwei Jahre später Selbstmord.
Van Gogh wurde nur 37 Jahre alt und hinterließ ungefähr 400 unverkaufte Gemälde und viele Zeichnungen. Nach seinem Tod wurden die Sonnenblumengemälde darunter zu einer Art Ausdruck seines Künstlertums: gequält und energisch – so wie die Sonnenblumen blühen und welken. Diese Beurteilung beruht vielleicht auch auf einer seiner eigenen Aussagen aus seinem letzten Lebensjahr 1890, in der er erklärt, dass seine Gemälde „beinahe ein Angstschrei sind, während die ländliche Sonnenblume Dankbarkeit symbolisiert“.
Bekannte Künstlerkollegen wie Gauguin oder Matisse sollen die gewagten, gelben und ausdrucksstarken Gemälde sehr geschätzt haben. Solche Beurteilungen können den Wert zusätzlich gesteigert haben. Auch begann man zu versuchen, die Farbmischung des beliebten strahlenden Gelbs zu kopieren, welches erst 1921 zum ersten Mal gelang. Sowohl die Farbe an sich, als auch die Farbenharmonie insgesamt werden oft als Grund für die Beliebtheit der Gemälde genannt. Laut der Website des Van Gogh Museums sprächen auch schlichte Motive wie die Sonnenblume den Betrachter direkt an. Hinzu kommt ein wirtschaftlicher Aspekt und Wiedererkennungswert. Als die Sonnenblumengemälde in den Jahren nach van Goghs Tod langsam und nur nacheinander verkauft wurden, benutzten die Galerien Sonnenblumen, um das entsprechende Gemälde als verkauft zu markieren. Auch wurde und wird das Motiv gerne als Druck, digitale Kopie oder für Merchandise-Produkte genutzt.
Das gestrige Facebook Live-Event, welches Kunst von drei verschiedenen Kontinenten und aus fünf verschiedenen Museen zusammenbrachte, sowie Kunstinteressierte von Philadelphia über Amsterdam bis Tokio, ist als Aufzeichnung auch weiterhin online zugänglich.