Nachrichten August 2017
WIRTSCHAFT: Amsterdam will gegen neue Leihräder vorgehen
Amsterdam. Franziska Seufert/VK/NRC. 03. August 2017.
Die Stadt Amsterdam will gegen Unternehmen von Leihrädern vorgehen, die keine festen Stellplätze für ihre Fahrräder haben. Dies wurde am Dienstag vom niederländischen Verkeerswethouder Pieter Litjens mitgeteilt. Ab September sollen solche Räder, die über Apps und GPS-Schlösser reguliert werden und in normalen Fahrradständern abgestellt sind, entfernt werden. Die betroffenen Unternehmen planen noch keine Gegenmaßnahmen und lassen ihre Leihräder derzeit noch in Betrieb.
Neben dem schon länger bekannten und in vielen Städten und Ländern bewährten Leihfahrradmodell, bei welchem man Fahrräder an bestimmten Stellvorrichtungen mieten kann und auch an einer solchen wieder abgeben muss, gibt es immer mehr Unternehmen, die versuchen, überall abstellbare Leihfahrräder einzuführen. Bei diesem neueren Geschäftsmodell werden die Räder mithilfe einer App gemietet. Wenn nötig, zeigen App und GPS an, wo sich das nächstgelegene freie Fahrrad befindet. Hat man ein solches Fahrrad zur Hand, wird ein QR-Code eingelesen oder eine Nummer eingegeben und das Schloss öffnet sich. Von diesem Moment an wird eine Leihgebühr berechnet. An einem frei wählbaren Ziel angekommen, schließt der Nutzer nur noch manuell das Schloss, der Gebührenzähler stoppt und man muss sich um nichts weiter kümmern. Die Kosten werden über ein mit der App verbundenes Konto abgerechnet.
Dieses Geschäftsmodell ist besonders bekannt und beliebt in China und kommt langsam von Asien nach Europa. Es gibt sowohl asiatische Unternehmen, die versuchen, sich hier zu etablieren als auch lokale Start-up Unternehmen. Unabhängig voneinander sind in Amsterdam und Rotterdam zuletzt zwei Initiativen gestartet. In Rotterdam hat „oBike“ aus Singapur kürzlich den Betrieb aufgenommen, während „FlickBike“ seit dieser Woche in Amsterdam erprobt werden kann. Diese beiden Anbieter sind jedoch nicht die einzigen, die versuchen, ihre Räder an den spontanen Benutzer zu verleihen. Auch andere Unternehmen versuchen sich in diesem Trend, sodass innerhalb kurzer Zeit tausende von Fahrrädern in den Städten auftauchen. Zusätzlich zu den vorhandenen zahlreichen Privatfahrrädern gibt es zum Beispiel allein in Amsterdam mindestens sechs solcher Leihräderunternehmen.
Die Ankündigung der Stadt Amsterdam, gegen willkürlich abgestellte Leihräder vorzugehen, hängt genau damit zusammen: Es ist eine Reaktion auf eine zunehmende Zahl von Amsterdamern, die über die sogenannten „free-floating“ Leihräder klagten. Ob in Fahrradständern, angelehnt an Bäume oder mitten auf dem Gehweg - in weniger als zwei Monaten beanspruchten die Räder den öffentlichen Raum in Amsterdam und Rotterdam. „Wir möchten nicht, dass die Leihräder den wenigen freien Raum in Beschlag nehmen“, erklärt Litjens.
Die Anbieter wollen jedoch genau diesem Überfluss an oft ungenutzten Fahrrädern Abhilfe schaffen. Von ca. 800.000 Privaträdern in Amsterdam sind nach Schätzungen der Verkehrsbehörde 200.000 sogenannte ‚Fahrradleichen‘, die niemand vermisst oder beansprucht. Andere Erklärungen für den Trend sind zum Beispiel, dass sich diese Räder größter Beliebtheit erfreuen bei u. a. Studenten, Touristen und anderen, die nur zeitweilig ein Fahrrad benutzen. Sie sind eine umweltfreundliche Alternative zum Auto und helfen, wenn das eigene Fahrrad einen Platten oder man den Bus verpasst hat, so Vikenti Kumanikin von FlickBike. Laut Hugo Knuttel von oBike handelt es sich derzeit außerdem um eine Übergangsphase, sodass die Kritik und Hetze gegen die Betreiber übertrieben sei.
Stadt und Unternehmen wollen nun in Kontakt treten, um die Situation zu besprechen. „Wir begrüßen das Konzept des Teilens, wenn es dazu führen kann, dass weniger Fahrräder in der Stadt sind. Aber so wie das Konzept derzeit ausgeführt wird, werden es immer mehr“, heißt es seitens des Verkeerswethouders. Kumanikin versteht die Reaktion der Städte: „Es gibt sechs oder sieben Parteien in Amsterdam, die gleichzeitig überall Fahrräder einführen und das ohne Absprachen oder Richtlinien.“ Da es aber auch seitens der Städte keine klaren Gesetze gebe und das Anbieten von Leihrädern nicht verboten ist, möchten derzeit viele Anbieter diese scheinbar lukrative Dienstleistung erbringen.
Beide Seiten sind sich einig, dass eine Maßregelung nötig ist, um einer Belästigung durch die Leihräder zuvorzukommen. Die Lösung könnte ein Kompromiss zwischen dem alten Modell sein, bei dem es wenige bestimmte Rückgabestellen gibt, und dem neuen Modell des willkürlichen Zurücklassens. Außerdem haben die Unternehmen schon jetzt Lastautos, die tagsüber durch die Stadt fahren und dafür sorgen, dass sich die Räder nicht an bestimmten Stellen häufen, sondern gut über die Stadt verteilt bleiben.