Nachrichten August 2017
GESELLSCHAFT: Geschlechtsneutrale Anrede für Reisende der niederländischen Bahn
Utrecht. Franziska Seufert/VK/NRC/RTL Nieuws. 01. August 2017.
Die Niederländische Eisenbahnen AG (Nederlandse Spoorwegen N.V., kurz NS) verkündete am vergangenen Freitag, dass sie ihre automatisierten Durchsagen in Zukunft nicht mehr mit „beste dames en heren“ („Sehr geehrte Damen und Herren“) beginnen wird, sondern mit „beste reizigers“ („Sehr geehrte Reisende“). Diese Änderung soll ab Dezember diesen Jahres in Zügen und an Bahnhöfen eingesetzt werden.
Die NS-interne Diskussion über geschlechtsneutrale Anredeformen bekam einen konkreten Impuls als der Ansagen-Sprecher und Mitarbeiter der NS Ronald van Noorden dem Vorstand eine Videobotschaft zukommen ließ, in der er die neue Anrede darlegte. Van Noorden sagt, er habe Anstoß an den aktuell viel diskutierten sexistischen Äußerungen des amerikanischen Präsidenten Donald Trump genommen und beginnt seine Botschaft wie folgt: „Dies ist ein geschlechtsneutraler Bericht. Die Züge stehen jedem Menschen mit gültigem Fahrausweis zur Verfügung, ungeachtet von Geschlecht, Geschlechtsidentität oder deren Übereinstimmung.“ Er erklärt weiterhin, dass die NS für jeden Menschen fährt, ob er sich nun „männlich fühlt oder weiblich oder etwas dazwischen“.
Die Videobotschaft ist mittlerweile in den sozialen Medien veröffentlicht und unterstützt die offizielle Erklärung der Bahngesellschaft. „Es ist eine kleine Änderung, aber es ist doch gleichzeitig auch ganz logisch, dass wir unsere Reisenden damit ansprechen, was sie für uns sind. Und das sind liebe Reisende,“ so NS-Sprecher Roger van Boxtel.
Es können jedoch nicht alle die Änderung nachvollziehen. Auch NS-Mitarbeiter melden sich zu Wort. Als Reaktion auf die Ankündigung der Geschäftsleitung – „Unser Zugpersonal möchte gerne, dass sich jeder Willkommen fühlt“ – greift zum Beispiel Zugführerin Lorin van Beek auf Twitter zurück. Sie empfindet die Maßnahme als Übertreibung, habe sie doch noch nie erlebt, dass Kollegen im Zug sich damit auseinander setzten, auch wenn die Kollegen im Büro das vielleicht denken würden. In einem Zeitungskommentar drückt dessen Autor auf ironische Art aus, was er von der Neutralisierung hält: Er fühle sich umgekehrt diskriminiert durch eine Hyperkorrektur, die Menschen auf etwas Sachliches reduziere. Weiterer Überlegungen zum Trotz komme er zu dem Schluss, dass „dames en heren“ die beste Anrede sei, da diese inkludierend und persönlich genug ist.
Dem gegenüber reagiert der COC Interessenverband für Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle positiv auf die Nachricht der geschlechterneutralen Anrede. Laut dem COC macht NS denjenigen eine große Freude, die sich nicht eindeutig als Mann oder Frau identifizieren. Es sei ein schöne Geste der NS, wodurch sich jeder Reisende direkt willkommen fühle und keiner einen Nachteil von habe, sagt die COC-Vorsitzende Tanja Ineke. Man hoffe, dass mehr Betriebe dem Beispiel der NS folgen.
Die Bahngesellschaft ist jedoch nicht das erste Unternehmen in den Niederlanden, die sich um Geschlechtsneutralität in ihren Anreden bemühen. Am Flughafen Schipol benutzt man weiterhin das uralte Wort „attentie“ („Achtung“), und die Amsterdamer Verkehrsbetriebe GVB nutzen schon seit Jahren das hier diskutierte „beste reizigers“. Auch in anderen Ländern kommen ähnliche Veränderungen vor: so wird jetzt zum Beispiel in der Londoner U-Bahn die Anrede „everyone“ statt „Ladies and gentlemen“ genutzt.
Mit der Entscheidung zur Abänderung der Anrede in seinen Durchsagen geht NS nun aktiv dem Trend nach und ist Teil der Diskussion um geschlechterneutralen Sprachgebrauch. Erst am Mittwoch zuvor hatte die Stadt Amsterdam einen Leitfaden zur Verbesserung eines solchen Sprachgebrauches für Beamte herausgegeben. Anreden in alltäglichen Situationen sollen angepasst werden wie zum Beispiel in Briefen, die nicht mit „geachte dames en heren“ („Sehr geehrte Damen und Herren“) beginnen, sondern mit „geachte bewoners“ („Sehr geehrte Bewohner“) oder „geachte Amsterdammers“.