Nachrichten april 2017
SICHERHEIT: Der niederländische Geheimdienst AIVD wächst im Angesicht einer vielgestaltigen Bedrohungslage
Zoetermeer. SB/NRC/NOS/VK. 05. April 2017.
Heute wurde der Jahresbericht des niederländischen Geheimdienstes AVID veröffentlicht. Der Personalbestand des Geheimdienstes ist 2016 nach Jahren des Sparens deutlich aufgestockt worden. Der Geheimdienst reagiert damit nach eigenen Aussagen auf die vielgestaltige Bedrohung, mit denen es die Niederlande gegenwertig zu tun haben. Worin aber bestehen diese Bedrohungen?
Der Nachrichtendienst AIVD hat im letzten Jahr 240 Vollzeitkräfte eingestellt und beschäftigt damit nun offiziell insgesamt 1.768 Mitarbeiter. Aller Voraussicht nach wird der AIVD auch in diesem Jahr noch weiter wachsen. Der Jahresbericht geht von etwa 200 weiteren Vollzeitmitarbeitern aus.
Die starke Aufstockung des AIVD in diesem und im letzten Jahr folgt auf eine Zeit des Einsparens. Dass ausgerechnet bei den Geheimdiensten gespart wurde, wurde dabei immer wieder von Experten kritisiert. Die Tageszeitung NRC Handelsblad beispielsweise weist in diesem Zusammenhang auf das letzte Woche veröffentlichte Buch von den Terror-Experten Edwin Bakker und Peter Grol über Syrien Ausreisende hin. In diesem ist nämlich zu lesen, dass der Geheimdienst in den Jahren 2013 und 2014 die Netzwerkbildung von Jihadisten in den Niederlanden unterschätzt hat – auch auf Grund der Sparmaßnahmen. Der Autor Grol sagte letzte Woche gegenüber dem NRC Handelsblad: „Es mangelte dem Geheimdienst in den Jahren 2014 und 2015 schlichtweg an Menschen und Mitteln. Es ist – auch dadurch – die Frage, ob der AIVD überhaupt auf der Höhe von den Reiseplänen niederländischer Jihadisten war.“ Dabei gilt unter Experten der Umfang und die personelle Besetzung eines Geheimdienstes als wichtige Variable für die Effektivität der Terrorbekämpfung.
Auch hat der AIVD ein forderndes Jahr hinter sich. Er bekam im Laufe des Jahres 2016 rund 5.400 Hinweise von Bürgern, der Polizei und anderen Geheimdiensten, denen er nachgehen musste. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr ein Wachstum von 7 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2014 ist die Anzahl der an den Nachrichtendienst gegebenen Hinweise sogar um 70 Prozent gestiegen. Von diesen Meldungen haben laut Jahresbericht 238 zu weitführenden Untersuchungen geführt. Der Jahresbericht verweist als Erklärung für den drastischen Anstieg der Hinweise auf die Anschläge in Brüssel, Nizza und Deutschland hin. Die personelle Aufstockung ist eine Reaktion auf unter anderem diese Entwicklung.
Dementsprechend sind auch die Ausgaben des Geheimdienstes gestiegen. Von offiziell 193 Millionen Euro im Jahr 2014 auf rund 229 Millionen Euro im Jahr 2016. Die gestiegenen Finanzmittel gibt der AIVD für extra Informationsdokumentaristen und Übersetzer aus. Aber auch Personal aus der Informations- und Kommunikationstechnologie ist gefragt. Damit soll der „Vielköpfigkeit der Bedrohung“, wie AIVD-Chef Rob Bertholee es nennt, begegnet werden. Aber woraus setzt sich diese „komplexe Mehrfachbedrohung“ zusammen?
Zum einen geht der AIVD nach wie vor davon aus, dass die Niederlande noch immer ein potentielles Angriffsziel für Jihadisten seien. Es gebe „indirekte Argumente“, warum die Bedrohung als so hoch eingestuft werde. Hier verweist der Bericht vor allem auf die Tatsache, dass der IS immer mehr unter Druck gerät und deswegen mehr Personen aus den IS-Kampfgebieten zurückkehren würden. Auch würde das die Organisation zu weiteren Anschlägen im Westen veranlassen. Bertholee glaubt, dass sich „die Bedrohung jederzeit materialisieren kann“. Auch bereitet es dem Geheimdienst Sorge, dass Salafisten immer häufiger gemäßigte Muslime einschüchtern. Die Salafisten würden, auch wenn in den meisten Fällen das Gesetz nicht übertreten würde, auch vor Gewalt nicht immer Halt machen. Auch Kinder und Flüchtlinge sind immer häufiger Adressaten für radikale Salafisten.
Neben der islamistisch geprägten Terrorwarnung, verweist der AIVD auch auf die Bedrohung, die von Russland ausgehe. „In seinem Streben sich erneut als Supermacht zu profilieren, schreckt Russland nicht davor zurück, Methoden aus Zeiten des kalten Krieges anzuwenden wie heimliche politische Beeinflussung“ ist im Jahresbericht zu lesen. Russland nutze dabei die Freiheit der offenen und demokratischen westlichen Gesellschaften aus. Konkret gehe es dabei vor allem um digitale Angriffe mit unter anderem politischer Beeinflussung als Ziel. Zwar gibt der AIVD kein konkretes Beispiel, aber die Russen versuchten beständig, Entscheidungsprozesse und die öffentliche Meinung durch „Desinformation und Propaganda“ zu beeinflussen. „Das sind klassische russische Mittel, die durch das Internet und die sozialen Medien noch viel einfacher eingesetzt werden können“, sagt Bertholee. Daneben seien russische Spione aber auch physisch in den Niederlanden aktiv, um unter falscher Flagge Informationen zu sammeln und an Russland weiterzugeben.
Zuletzt warnt der AIVD noch vor Unternehmensspionage.
Dass der AIVD als Instrument der inneren Sicherheit in den nächsten Jahren noch rasanter wachsen wird, ist trotz der als vielfältig eingeschätzten Bedrohungslage unwahrscheinlich. Es gebe Grenzen des Wachstums sagte Bartholee: „Wenn wir flexibel bleiben wollen und weiterhin auf eine unkomplizierte Art und Weise Informationen untereinander teilen wollen, dann ist das Wachstum limitiert.“ Als Maximalgröße des Sicherheitsdienstes sieht er eine Mitarbeiteranzahl von 2.000 bis 2.200 Angestellten. Diese Zahlen beinhalten allerdings nicht die vermutlich tausenden Mitarbeiter und Informanten, die im In- und Ausland Informationen für den AIVD sammeln.