Nachrichten april 2017
POLITIK: Für tiefgreifende Steuerreformen ist bei der Regierungsbildung Eile geboten
Den Haag. EF/NRC/VK. 04. April 2017.
Die Koalitionsverhandlungen sind aktuell noch in vollem Gange. Im Fokus steht dabei nicht nur die Finanzierbarkeit der geplanten Veränderungen, mit denen die einzelnen Parteien innerhalb ihrer Wahlkampagnen geworben haben, sondern auch eine mögliche Umsetzung dieser Pläne. Am Montagmorgen veröffentlichten die Beamten des niederländischen Finanzministeriums, die sich vor allem mit Haushalts- und Besteuerungsfragen beschäftigen, diesbezüglich einen Bericht mit rund 750 möglichen Finanzierungs- und Umsetzungsvorschlägen. Diese enthalten bestimmte Zielsetzungen für die Verhandlungsführer der jeweiligen Parteien.
Bei der sogenannten Ombuigings- en intensiveringslijst 2017 handelt es sich um eine Übersicht über sowohl mögliche Sparmaßnahmen als auch potentielle Investitionsmöglichkeiten. Nachdem sich die wirtschaftliche Situation in den Niederlanden entspannt hat, entschied sich das Finanzministerium dazu, in diesem Jahr ebenfalls eine Liste für mögliche zusätzliche Ausgaben herauszugeben. Insgesamt veröffentlichte das Ministerium 538 Vorschläge bezüglich möglicher Sparmaßnahmen und 223 Investitionsideen.
Die erste Version dieser Übersicht erschien bereits im vergangenen Jahr in Form eines internen Dokuments, welches lediglich für die jeweiligen politischen Parteien, die damals an ihrem Wahlprogramm arbeiteten, bestimmt war. Nachdem dieses Dokument allerdings unbeabsichtigt an die Öffentlichkeit durchgedrungen war, publizierte das Finanzministerium im Februar das öffentliche Dokument Keuzes in Kaart, dass über die geplanten neuen oder zusätzlichen Ausgaben der jeweiligen Parteien Auskunft gab. Außerdem wurde vom Centraal Planbureau (CPB)zusätzlich eine Übersicht bezüglich der Finanzierbarkeit dieser Pläne erstellt.
Für die Verhandlungsführer der politischen Parteien VVD, CDA, D66 und GroenLinks erfüllt der am Montagmorgen veröffentliche Bericht die Funktion eines praktischen Handbuchs. Neben den Fragen rund um die Finanzierbarkeit verschiedener Pläne, die bereits vom CPB beantwortet wurden, versucht das Finanzministerium anzugeben, ob bestimmte Maßnahmen in praktischer als auch rechtlicher Hinsicht durchführbar sind und wie lange ihre Umsetzung dauern würde. Die Verfasser dieses Berichts weisen außerdem nachdrücklich darauf hin, dass sie mit diesem Dokument mit einem Umfang von rund 500 Seiten nicht die Absicht haben, den Koalitionsfindung einer neuen Regierung zu beeinflussen oder etwas zu politisch erstrebenswerten Maßnahmen zu sagen.
Investitionsmöglichkeiten gehen dem Finanzministerium leichter von der Hand als mögliche Sparmaßnahmen. Sollte die neue Regierung all diesen Empfehlungen nachgehen, hätten die Niederlande am Ende der kommenden Kabinettsperiode mit einem Defizit von etwa 10 Prozent ihres Budgets und daraus resultierenden Sanktionen aus Brüssel zu kämpfen. Sollte das neue Kabinett aber lediglich den Ideen bezüglich der Sparmaßnahmen Folge leisten, dann blüht den Niederlanden ein Haushaltsüberschuss von rund 7 Prozent. Das wäre eine internationale Sensation. Addiert man die vom Finanzministerium als möglich erachteten Zusatzausgaben, müsste die neue Regierung für eine Umsetzung rund 100 Milliarden EUR investieren. Diesen Investitionen stehen aber nur 50 Milliarden EUR gegenüber, die man maximal durch Haushaltskürzungen einsparen könnte.
Darüber hinaus warnt das Ministerium vor Ausgaben rund um das Thema Gesundheitsversorgung. Obwohl viele Niederländer laut Robert Giebels und Gijs Herderscheêder, Redakteure der niederländischen Tageszeitung de Volkskrant, der Meinung sind, dass es in den letzten Jahren in diesem Bereich zu vielen Kürzungen gekommen sei, seien die Ausgaben jährlich mit 1,2 Prozent gestiegen. Das entspräche, so das Finanzministerium, dem Wirtschaftswachstum. Falls das neue Kabinett die Gesundheitsausgaben allerdings um 13 Prozent auf 84 Milliarden EUR erhöht, wäre das ein Anstieg um jährlich 3,4 Prozent pro Jahr bei einem Wirtschaftswachstum von nur 1,8 Prozent.
Außerdem geht aus dieser Übersicht hervor, dass ein Dutzend dieser Maßnahmen für Behörden wie das Finanzamt nicht umsetzbar ist. Dazu gehört unter anderem die Abschaffung der Grunderwerbs- bzw. Übertragungssteuer für Erstkäufer auf dem Wohnungsmarkt. „Die Notare und die Steuerbehörden verfügen nicht über die notwendigen Informationen, um feststellen zu können, wer als Erstkäufer eingestuft werden kann“, lautet die Begründung. Andere zahlreiche Maßnahmen, die die Machtposition der Versicherer in der Gesundheitsversorgung verringern sollen, sind nach dem Urteil der Finanzbeamten ebenfalls undurchführbar und rechtlich gesehen anfechtbar. Diese Offenbarung ist vor allem für linke Parteien wie GroenLinks eher unerfreulich.
Bezüglich möglicher Veränderungen des aktuellen Steuersystems sei allerdings laut den Verfassern dieses Berichts Eile geboten. Während kleine steuerliche Tarifänderungen innerhalb von rund sechs Monaten relativ schnell und einfach durchgeführt werden können, kann die Umsetzung einiger komplexer steuerlicher Reformen, die aktuell noch diversen Parteien in Erwägung gezogen werden, zwischen 15 und 18 Monaten dauern. Wollen die Verhandlungsführer die geplanten drastischen Maßnahmen ergreifen, sollte sich daher möglichst bald eine Formation eines neuen Kabinetts ergeben. Schließlich müssten die Pläne der neuen Regierung bereits im Juni feststehen, um sie im nächsten Jahr in die Tat umsetzen zu können.