Nachrichten September 2015
PRINSJESDAG: „Die Niederlande haben sich aus der Krise befreit“
Den Haag. AF/TM/AD/NOS/DT. 15. September 2015.
Am dritten Dienstag im September, dem Prinsjesdag, feiern die Niederlande traditionell den Beginn des parlamentarischen Jahres. Neben der vom König verlesenen Thronrede gehört die Präsentation der Kabinettspläne, die sogenannte Miljoenennota, für das kommende Jahr zu den Höhepunkten des Tages. Die wichtigste Botschaft lautete dieses Jahr: Die Niederlande haben die Wirtschaftskrise überwunden, doch Euphorie ist nicht angebracht.
Thronrede von König Willem-Alexander
„Die Wirtschaft wächst wieder. Dank des Einsatzes und des Durchhaltevermögens von Unternehmern, Arbeitnehmern und vielen anderen gesellschaftlichen Akteuren stehen die Niederlande in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht vergleichsweise gut da“, erklärte König Willem-Alexander zu Beginn der Thronrede. „Zum ersten Mal seit langer Zeit liegen die Wachstumsprognosen wieder über zwei Prozent, und die Staatsfinanzen entwickeln sich in die richtige Richtung.“
Auch wenn dies Gründe seien, der Zukunft mit Vertrauen entgegenzugehen, bestände „keine Anlass, sich zurückzulehnen“. Die Arbeitslosigkeit sei noch zu hoch. Das Kabinett wolle jedoch durch Reformen – zum Beispiel werden die Lohnkosten für Geringverdiener gesenkt – dazu beitragen, dass neue Jobs entstehen. Geringere Einkommenssteuern sollen zudem die Kaufkraft der Konsumenten stärken. „Es ist wichtig, dass alle den Aufschwung zu spüren bekommen, damit die Menschen wieder mit wachsendem Optimismus in die Zukunft blicken können.“
Neben der positiven wirtschaftlichen Entwicklung ging der niederländische König in seiner Thronrede auch auf die aktuelle Diskussion um die nach Europa strömenden Flüchtlinge ein. Europa, so Willem-Alexander müsse den Zustrom der Flüchtlinge begrenzen und die Menschen besser über die Mitgliedstaaten der EU verteilen. „Die wachsenden Flüchtlingsströme dulden keine abwartende Haltung. Die aktuelle Situation erzeugt Spannungen in Europa. Gefragt sind klare Entscheidungen zur Begrenzung des Zustroms und für eine bessere Verteilung auf die Mitgliedstaaten.“
Ebenfalls angesprochen wurde in der Thronrede die nach Vorfällen wie dem Anschlag auf die Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo im Januar oder dem verhinderten Amoklauf in einem Schnellzug von Amsterdam nach Paris im August stärker werdende Bedrohung durch terroristische Anschläge. König Willem-Alexander warnte davor, dass Konflikte im Ausland die eigene Gesellschaft polarisieren würden. Dies müsse verhindert werden: „Die drohende Radikalisierung und drohende Terroranschläge in Europa setzen die Gesellschaft unter Druck. Sie gefährden nicht nur die Sicherheit von Menschen, sondern sind auch ein Nährboden für gegenseitiges Misstrauen und bedrohen den sozialen Zusammenhalt in unserem Land. […] Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir uns gegen diese Bedrohung wappnen.“
Koning Willem-Alexander spreekt in de #Ridderzaal de #Troonrede uit. Zie: http://t.co/5aBXDoaYSc pic.twitter.com/IyJOA2xVzf
— Koninklijk Huis (@koninklijkhuis) 15. September 2015
Kabinettspläne vorsichtig optimistisch
Wie schon in den Vorjahren hatten die niederländischen Medien Teile der bis zum Prinsjesdag eigentlich geheimzuhaltenden Miljoenenota vorab veröffentlicht. „Die Niederlande haben sich aus der Krise befreit“, zitierte die Rundfunkanstalt NOS das Vorwort des Finanzministers Jeroen Dijsselbloem (PvdA) vergangenen Freitag. „Nach einer schwierigen Phase, während derer die Niederlande langsamer aus dem Tal nach oben kamen als manche Nachbarländer wächst die Wirtschaft jetzt stärker als erwartet. Diese Erholung ist überall sichtbar, beim Export, den Investitionen und dem Konsum. Das Vertrauen scheint wieder gefestigt.“
Laut dem Planbehörde CPB soll die niederländische Wirtschaft in diesem Jahr um 2,0 und im kommenden um 2,4 Prozent wachsen. Das Haushaltsdefizit soll laut Dijsselbloem von 2,2 Prozent in diesem auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im kommenden Jahr sinken. Die Kaufkraft wird damit durchschnittlich um 1,4 Prozent ansteigen, wodurch „Niederländer zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder mehr ausgeben können“, so der Finanzminister.
Dennoch müsse das Land weiterhin vorsichtig sein, warnte Dijsselbloem. „Die Arbeitslosigkeit ist noch zu hoch und sinkt zu langsam. Außerdem hat die niederländische Wirtschaft nicht genug Platz, um zu wachsen. Das Kabinett senkt darum die Arbeitskosten und führt weitere Reformen durch, um die Kaufkraft zu stimulieren, Jobs zu schaffen und das Wachstumspotential der Niederlande auszuschöpfen.“
Das Algemeen Dagblad und De Telegraaf veröffentlichten bereits vergangene Woche die Zahlen zu den Kabinettsplänen: 262,1 Milliarden Euro will die niederländische Regierung im kommenden Jahr ausgeben. Das meiste Geld fließt in die soziale Sicherheit (78,1 Milliarden) und in den Gesundheitssektor (74,6 Milliarden). Dem stehen 253,5 Milliarden Euro an zu erwartenden Einnahmen gegenüber, wodurch sich das geringere Haushaltsdefizit ergibt. Die Staatsverschuldung beläuft sich demnach auf 466,4 Milliarden Euro (66,2 % des BIP).
Der Inhalt der Miljoenennota darf eigentlich erst publik werden, nachdem das Staatsoberhaupt die Thronrede am Prinsjesdag verlesen hat. Dass die Medien die Inhalte vorab publizierten, ärgerte viele Parlamentarier. Infrastrukturministerin Melanie Schultz van Haegen (VVD) forderte sogar eine strafrechtliche Verfolgung der Quelle. Premier Mark Rutte (VVD) erklärte jedoch, dass solch eine Untersuchung teuer sei und aller Wahrscheinlichkeit nach kein Ergebnis hätte.
Lesen Sie hier die Thronrede auf Deutsch.