Nachrichten November 2015


Politik: Amtsmissbrauch in Den Haag?

Den Haag. AF/NOS/NRC/OM/RTL Nieuws/TG/VK. 12. November 2015.

Hat ein Mitglied der Tweede Kamer der Presse vertrauliche Informationen zugespielt und damit Amtsmissbrauch begangen? Diese Frage treibt das politische Den Haag seit Mittwoch um. Die niederländischen Medien sprechen bereits davon, dass sich der Fall möglicherweise zu einem großen politischen Skandal entwickeln könnte.

Doch alles der Reihe nach. Im Februar des vergangenen Jahres berichtete das NRC Handelsblad über zwei Sitzungen der Parlamentskommission für die Nachrichten- und Sicherheitsdienste (CIVD), besser bekannt als Commissie Stiekem (dt.: Kommission Geheim). In dieser Kommission werden Fraktionsvorsitzenden der Zweiten Kammer vertraulich über die Arbeit der niederländischen Geheimdienste informiert. In diesem bestimmten Fall ging es um die Tatsache, dass der niederländische Geheimdienst dem US-amerikanischen Geheimdienst NSA 1,8 Millionen niederländische Telefonverbindungsdaten geliefert hatte.

Halbe Zijlstra, Fraktionsvorsitzender der VVD und Vorsitzender der CIVD erstattete daraufhin Anzeige gegen Unbekannt wegen Schändung der Geheimhaltungspflicht. Die Staatsanwaltschaft nahm die Arbeit auf. Im Laufe der Ermittlungen wurde nun festgestellt, dass „eines oder mehrere Mitglieder der CIVD hinsichtlich der möglichen Informationsweitergabe“ infrage kommen könnten, weshalb die Untersuchung eingestellt werden musste. Denn Artikel 119 des niederländischen Grundgesetzes legt fest, dass (Ex-)Parlamentarier in erster und einziger Instanz durch das oberste niederländische Gericht, den Hoge Raad verfolgt werden dürfen und dass der Auftrag hierfür einzig durch die Regierung oder die Tweede Kamer erteilt werden kann. Kammervorsitzende Anouchka van Miltenburg (VVD) teilte inzwischen mit, dass eine parlamentarische Kommission der Frage nachgehen soll, wer der CIVD-Mitglieder der Presse Informationen zugespielt hat.

„Das hat es noch nie gegeben“, kommentierte TV-Journalist Frits Wester das Geschehen in Den Haag. „Das könnte der größte politische Skandal der letzten Jahrzehnte werden.“ Die Folgen für das CIVD-Mitglied, das Informationen weitergegeben hat, werden nach Westers Erwartungen gravierend sein. „Das ist das Ende der politischen Karriere desjenigen, der etwas durchsickern ließ.“ Wenn es sich um einen Politiker aus der Regierungskoalition handle, könnte auch das Kabinett ins Wanken geraten.

Die aktuellen Mitglieder der Kommission sind keine Unbekannten: Halbe Zijlstra (VVD), Diederik Samsom (PvdA), Geert Wilders (PVV), Sybrand van Haersma Buma (CDA), Emile Roemer (SP), Kees van der Staaij (SGP), Gert-Jan Segers (CU), Jesse Klaver (GL), Marianne Thieme (PvdD) en Alexander Pechtold (D66).

Zijlstra, Pechtold, Buma und Samsom erklärten gegenüber RTL Nieuws, dass sie zu dem Vorfall nichts sagen wollten. Die anderen Fraktionsvorsitzenden haben Anfragen bislang unbeantwortet gelassen. Klaver ist erst seit Mai 2015 Fraktionsvorsitzender von GroenLinks. Bram van Ojik, der den Job vor ihm innehatte, hat die Zweite Kammer inzwischen verlassen. Arie Slob trat gestern als Fraktionsvorsitzender der ChristenUnie zurück, um ab Januar als Direktor des Historisch Centrum Overijssel zu arbeiten. Er wies alle Spekulationen, warum er gerade jetzt zurücktrete, von sich. „Meine Lippen waren wirklich immer versiegelt“, wird Slob von De Telegraaf zitiert.