Nachrichten November 2015


VERKEHR: Fyra-Affäre sorgt für Personalwechsel im Verkehrsministerium

Den Haag. SW/VK/NRC/TG. 2. November 2015.

Die Einführung und der Betrieb des Hochgeschwindigkeitszuges Fyra war ein einziges Debakel, bei dem alle Beteiligten ihre eigenen Interessen über die der Reisenden gestellt haben. So lautet das Ergebnis des Abschlussberichts der parlamentarischen Untersuchungskommission, der vergangenen Mittwoch veröffentlicht wurde. Die zuständige Staatssekretärin für Verkehr und Infrastruktur Wilma Mansveld (PvdA) hat bereits die Konsequenzen gezogen und ist zurückgetreten.

Der über 500 Seiten starke Abschlussbericht kommt zu einem für alle Beteiligten verheerenden Urteil. Laut Kommission hätten das Kabinett und die niederländische Bahn (Nederlandse Spoorwegen, NS) bereits während der Ausschreibung „unklug und unverantwortlich“ gehandelt. Des Weiteren wurde beklagt, dass während des über zehn Jahre dauernden Prozesses der Staat nur finanzielle Gewinne vor Augen gehabt hätte. Die Nederlandse Spoorwegen hätten sich nur um ihre Monopolstellung bemüht und die Reisenden hätten das Nachsehen gehabt. Der Titel des Berichts heißt passenderweise „Der Reisende in der Kälte“, denn genau dies wirft die Kommission den beteiligten Partnern, den staatlichen Instanzen ebenso wie der NS, vor.

Wie viel wusste Staatssekretärin Mansveld?

Mit besonderem Interesse wurde die Beurteilung der Rolle, der seit 2012 zuständigen Staatssekretärin Wilma Mansveld (PvdA), erwartet. Der Bericht wirft ihr vor, die Tweede Kamer mindestens dreimal unvollständig beziehungsweise inkorrekt über die Zustände bezüglich des Hochgeschwindigkeitszuges informiert zu haben. Bereits zwei Wochen nach der Einführung des Fyra-Zuges im Dezember 2012 musste Mansholt sich gegenüber der Tweede Kamer rechtfertigen über die häufigen Verspätungen und Ausfälle der Zugverbindung, sie entgegnete damals „niemand habe dies erwartet“. Der Bericht kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Mansveld bereits Anfang Dezember 2012 über Informationen verfügt habe, wonach große Probleme mit der Zugverbindung zu erwarten gewesen seien.

Ebenfalls negativ angelastet wird ihr, dass sie der Tweede Kamer am 14. Januar 2013 nur unzureichende Informationen über den Pünktlichkeitsgrad der Fyra mitgeteilt habe. Mansveld hätte gegenüber den Abgeordneten eine hoffnungsvolle Prognose über die Pünktlichkeit des Zuges gegeben, jedoch nicht erwähnt, wie viel Aufwand dafür betrieben werden müsste: Für jeden fahrenden Zug stand ein Reservezug bereit, für den Fall, dass der Erste ausfallen würde. Ein halbes Jahr später habe sie die Tweede Kamer wieder unzureichend informiert, als es um eine erneute Genehmigung für den Fyra-Zug ging.

Mansveld ist jedoch laut Kommission nicht die Einzige, die Versäumnisse bezüglich Fyra eingestehen müsse: auch der jetzige Finanzminister Jeroen Dijsselbloem (PvdA) und die jetzige Ministerin für Verkehr und Infrastruktur Melanie Schultz van Haegen (VVD) hätten das Parlament nicht vollständig informiert. So soll Schultz, zu deren Aufgabenbereich Fyra bis November 2012 gehörte, ein zu positives Bild über die zu erwartenden Unkosten gezeichnet haben. Schultz musste sich dabei nicht nur Kritik von der Kommission gefallen lassen, sondern auch von der Tweede Kamer und der Presse. Es wurden vergangene Woche immer mehr Stimmen laut, die sich fragten, ob man einer so jungen und vergleichsweise unerfahrenen Politikerin wie Mansveld eine dermaßen gewichtige und vorbelastete Akte, wie Fyra, überhaupt hätte anvertrauen sollen. Besonders in der Tweede Kamer musste Ministerin Schultz sich verteidigen bezüglich der Aufgabenverteilung zwischen ihr und ihrer ehemaligen Staatssekretärin. Der D66-Fraktionsvorstziende Alexander Pechthold fragte wieso Schultz „nicht mehr täte als Kilometerschilder zu enthüllen?“. Auch der GroenLinks Fraktionsvorsitzende Jesse Klaver äußerte sich kritisch: „Kann die Arbeitsteilung nicht erneut geprüft werden?“

Nichtsdestotrotz war es die Staatssekretärin, die ihren Kopf hinhalten musste, für ihre eigenen Fehler, aber auch die Fehler anderer in der Vergangenheit, wie sie selber auch in einer Mitteilung wissen ließ: “Es ist meine demokratische Pflicht um mit meinem Rücktritt auch die Verantwortung für die eventuellen Fehler meiner Vorgänger zu übernehmen.“ Sie bekräftigte erneut, dass sie die Tweede Kamer „nach besten Wissen und Gewissen informiert hätte“. Nach ihrem Rücktritt ließ Premier Mark Rutte (VVD) wissen, dass man Mansveld im Team vermissen werde und ihr alles Gute für die Zukunft wünsche. Der Premier blickte jedoch auch in die Zukunft und erklärte, dass Mansvelds Nachfolger eine schwierige Aufgabe erwarte.

Wer diese schwierige Aufgabe übernehmen wird, blieb einige Tage lang unklar. Gerüchten zufolge ist die Staatssekretärin des Wirtschaftsministeriums Sharon Dijksma (PvdA) im Gespräch, dies wurde dem Telegraaf am Montag von Quellen in Den Haag bestätigt. Dijksma wird insbesondere wegen ihrer 20-jährigen Erfahrung und ihrer Krisenfestigkeit als geeignete Kandidatin betrachtet. Ihr folgt der PvdA Abgeordnete Martijn van Dam als Staatssekretär in das Wirtschaftsministerium. Beide können vermutlich Mittwoch oder Donnerstag vereidigt werden, sobald König Willem Alexander aus Brüssel zurückgekehrt ist.