Nachrichten März 2015


ARBEITSMARKT: Migranten in den Niederlanden stark benachteiligt

Amsterdam/Den Haag. KL/AD/DT/MN/NOS/VK. 23. März 2015.

Fast nirgendwo in Europa ist es für Migranten aus Nicht-EU-Ländern so schwer Arbeit zu finden wie in den Niederlanden. Mehr als die Hälfte dieser Bevölkerungsgruppe geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Selbst in EU-Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit, wie Spanien, ist die Situation für Migranten besser. Das geht aus einer gemeinsamen Studie von Eurostat und der OECD hervor, wie die niederländische Tageszeitung de Volkskrant am vergangenen Samstag berichtete.

Während 77,1 Prozent der einheimischen Bevölkerung in den Niederlanden einer Erwerbstätigkeit nachgehen, sind das bei Migranten gerade einmal 49,5 Prozent. Damit ist der Abstand zwischen diesen beiden Gruppen mit 27,6 Prozent der zweithöchste in Europa. Nur in Schweden, das allerdings im Vergleich zu den Niederlanden etwa dreimal so viele Asylbewerber aufnimmt, ist die Kluft noch tiefer. Rechnet man diesen Faktor heraus, sind die Niederländer das Schlusslicht in Europa.

Seit dem Beginn der Finanzkrise, im September 2008, ist die Arbeitslosigkeit in den Niederlanden unter Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund deutlich hochgeschnellt. Nach Herkunftsländern sortiert ergeben sich folgende Quoten: Marokko 19,6 Prozent, Antillen 19,3 Prozent, Türkei 15,3 Prozent und Surinam 13,9 Prozent. Dem gegenüber liegt die Arbeitslosigkeit unter der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund gerade einmal bei 5,7 Prozent.

Ein wichtiger Grund für die hohe Arbeitslosigkeit bei den genannten Migrantengruppen ist nach Ansicht von Monique Kremer, Soziologin im Wissenschaftlichen Rat der niederländischen Regierung (WRR), dass sie häufiger flexible Arbeitsverträge haben. „Die höhere Erwerbsquote unter Migranten vor der Krise beruhte vor allem auf Zeitarbeit. Als die Wirtschaft einbrach, wurden beispielsweise die Marokkaner und Türken als erste entlassen“, stellt Kremer fest. Besonders schockierend findet sie, dass auch gut ausgebildete Migranten häufig arbeitslos sind. Das widerlege die verbreitete Annahme, dass schon alles gut werde, sofern man eine solide Ausbildung vorweisen könne.

Der für Integration zuständige Minister Lodewijk Asscher (PvdA) reagierte vergangenen Samstag bestürzt auf die Nachricht über die schlechten Arbeitschancen von Migranten: „Diese Zahlen sollten uns alle wachrütteln. Es gibt Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt: Jan hat in den Niederlanden bessere Aussichten auf einen Job als Mohammed.“ Aus seiner Sicht führe diese Situation zu Frustration und stelle zudem eine Verschwendung von Talent dar. Die Betroffenen forderte er zum Durchhalten auf, außerdem sollten sie Fälle von Diskriminierung sofort anzeigen. „Wir werden Diskriminierung niemals akzeptieren“, stellte der Minister klar.

Damit verfolgt Minister Asscher, der zugleich Vize-Premierminister der Niederlande ist, eine deutlich andere Linie als Regierungschef Mark Rutte (VVD). Rutte sagte vergangene Woche in einem Interview mit der Tageszeitung Metro, dass er das Problem der Diskriminierung „nicht lösen“ könne. Die Lösung dafür liege zum Teil bei den Migranten selbst. Er könne Niederländer zwar dazu auffordern, niemanden zu benachteiligen. Geschehe dies trotzdem, habe der Betroffene die Wahl zwischen Aufgeben oder Weitermachen. „Immigranten mussten sich immer anpassen, und wurden immer mit Vorurteilen und Diskriminierung konfrontiert. Man muss sich hineinkämpfen“, so Rutte.

Nachdem die sozialdemokratische PvdA vergangene Woche bei den Wahlen in den Provinzen starke Verluste hinnehmen musste (NiederlandeNet berichtete), scheint die rechtsliberale VVD nun auf Konfrontationskurs mit dem Koalitionspartner zu gehen. Am gestrigen Sonntag gab die VVD bekannt, dass sie keine Asylbewerber aus nicht-europäischen Ländern mehr aufnehmen wolle. Für die PvdA sei diese Position „unannehmbar“, stellte die Abgeordnete Attje Kuiken umgehend klar. Die Niederlande müssten „ein sicherer Hafen für Flüchtlinge“ bleiben.