Nachrichten Dezember 2015


FLÜCHTLINGSDEBATTE: Wilders distanziert sich nicht von Gewalt gegen Migranten

Den Haag. AF/SW/NOS/VK. 17. Dezember 2015.

Fraktionsvorsitzende verschiedener Parteien forderten den Rechtspopulisten Geert Wilders (PVV) vergangene Woche dazu auf, sich von der zunehmenden Gewaltbereitschaft unter Flüchtlingskritikern in den Niederlanden zu distanzieren. Seine Äußerungen trügen zur Verhärtung der Fronten in der Flüchtlingsdebatte bei. Wilders reagierte per Tweet. „Politik und Presse können mich mal! Distanziert Euch doch selbst von eurer Feigheit und eurem Verrat der Niederlande an den Islam. Trottel.“

„Weniger weniger“

Vergangenen Mittwoch kam es in der Kleinstadt Geldermalsen zu gewalttätigen Ausschreitungen, als Bürger gegen den Bau eines Asylheims protestierten (NiederlandeNet berichtete). Am Donnerstag wurde das Haus einer somalischen Flüchtlingsfamilie mit Feuerwerk beworfen und am Samstag besetzten Mitglieder der rechtsextremistischen Aktionsgruppe Identitair Verzet (dt.: Identitärer Widerstand) die Al-Fath-Mosche in Dordrecht.

Die Besetzer hängten unter anderem Transparente mit Texten wie „Weniger weniger“ am Gebäude auf, womit sie auf eine Rede von Geert Wilders im März 2014 anspielten. Wilders fragte damals die Anhänger seiner Partei, ob sie mehr oder weniger Marokkaner in ihrer Stadt und in ihrem Land haben wollten. Das Publikum skandierte darauf lauthals „weniger, weniger, weniger...“. Im Anschluss sicherte Wilders ihnen die Umsetzung dieses Wunsches zu: „Das werden wir dann regeln“ (NiederlandeNet berichtete).

Die Polizei beendete die Besetzung der Dordrechter Moschee und nahm sechs Personen fest. Die Verwaltung der Moschee erklärte, man werde Anzeige erstatten. In einer Pressemitteilung teilte der Vorstand mit: „Die Losungen zeigen, welchen Einfluss die Worte von Politikern auf die öffentliche Debatte haben.“

Dass Wilders Äußerungen zur Radikalisierung in der Flüchtlingsfrage beitragen, denken auch mehrere Fraktionsvorsitzende. Sie kritisierten scharf, dass Wilders sich bislang nicht von gewalttätigen Ausschreitungen gegenüber Migranten distanziert habe. So werfen sie Wilders unter anderem vor, dass seine Partei sich vergangene Woche nicht an einer Debatte in der Tweede Kamer über die gewalttätigen Ausschreitungen in Geldermalsen, beteiligen wollte. Vize-Premier Lodewijk Asscher (PvdA) sagte diesbezüglich gegenüber der NOS: „ Ich habe nicht gesehen, dass er sich davon distanziert hat. Es wäre gut gewesen, wenn er dies getan hätte.“ Asscher warf Wilders zudem vor, anstatt sich Lösungen zu überlegen, die Ängste der Menschen auszunutzen.

Auch die Tweede Kamer-Abgeordnete Sharon Gesthuizen (SP) ist unzufrieden über Wilders Auftreten: „ Er spielt Menschen gegeneinander aus. Zehn Jahre PVV-Propaganda gegen Migranten, das wirft irgendwann Früchte ab.“ Sie macht ihn nicht persönlich verantwortlich für die Gewalt, stellt jedoch klar, dass seine Haltung der Situation nicht zuträglich sein.

Aufruf zum Widerstand

Tatsächlich rief Wilders vier Tage vor den Ausschreitungen in Geldermalsen via Twitter dazu auf, sich dem Bau eines Asylbewerberheims in Geldermalsen zu widersetzen. Er postete eine Fotomontage von einer niederländischen Landschaft mit Windmühle, der Nationalflagge und sich selbst am quer durchs Bild gehenden Schlagbaum. Darunter die Worte „Grenzen dicht!“ in Großbuchstaben. „Kein Asylbewerberheim in Geldermalsen!! #KommWidersetzeDich“.

Das Bild hat der PVV-Chef schon mehrfach getwittert. Es  kann auf der Website kominverzet.nl, die die PVV Anfang Oktober freigeschaltet hat und die einzig dem Zweck dient, die Forderung zu unterstreichen, die niederländischen Nationalgrenzen zu schließen, auch als Flyer heruntergeladen werden. Das Wort „verzet“ (dt.: Widerstand) ist dabei sicher nicht zufällig gewählt, weckt es doch positive Assoziationen zu Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg, die sich gegen die deutschen Besatzer zur Wehr setzten.

In der Bevölkerung kommen Wildersʼ rechtspopulistischen Äußerungen gut an. In Umfragen fuhr die PVV in den vergangenen Monaten Rekordwerte ein und Mitte Dezember wählte das Publikum Wilders zum Politiker des Jahres 2015.

Und Wilders denkt offensichtlich nicht daran, sich von der Gewalt gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern zu distanzieren. Sein eingangs zitierter Tweet lässt hieran keinen Zweifel. „Es hat wenig Sinn, Hasssäende zu bitten, mit dem Hass säen aufzuhören. Hass zu säen ist schließlich ihr raison d’être und Teil ihrer Taktik“, so der Volkskrant-Kommentator Bert Wagendorp am Dienstag. „Sie müssen mit Argumenten bekämpft werden: Das ist was eine große Mehrheit der Niederländer von Politikern erwartet.“   

Mehr zu dem Phänomen Geert Wilders in unserem gleichnamigen Hintergrunddossier.