Nachrichten Dezember 2015


POLITIK: Mark Rutte in der Defensive bezüglich Teeven-Deal

Den Haag. SW/NRC/VK/NOS. 17. Dezember 2015.

Vergangenen Mittwoch mussten sich der niederländische Premier Mark Rutte, Justizminister Ard van der Steur und sein Staatssekretär Klaas Dijkhoff den kritischen Fragen der Tweede Kamer bezüglich des umstrittenen Teeven-Deals stellen. Hatte Mark Rutte die Tweede Kamer in dieser Angelegenheit umfassend genug unterrichtet, so wie es von einem Premier erwartet wird, oder hatte er das Parlament bewusst im Unklaren gelassen? Welche Rolle spielten Ard van der Steur und Klaas Dijkhoff vergangenen März, beim Verfassen einer Pressemitteilung, die sich im Nachhinein als falsch herausgestellt hatte.

Anlass für die Debatte war der in der Woche zuvor erschiene abschließende Bericht der Kommission Oosting, welche beurteilen sollte, ob ein im Jahr 2000, zwischen dem damaligen Staatsanwalt Fred Teeven und dem Drogenbaron Cees H., geschlossener Deal rechtens war. Die Kommission war zu dem Ergebnis gekommen, dass der Deal unverhältnismäßig ausgefallen war. Die Debatte am vergangenen Mittwoch widmete sich vor allem der Frage, welche Rolle Mark Rutte bei der Aufklärung des Deals gespielt hatte. Die Oppositionsparteien warfen ihm vor, die Tweede Kamer nur unvollständig informiert zu haben, um somit seine Parteifreunde Ivo Opstelten und Fred Teeven  zu schützen.

Besonders der CDA-Abgeordnete Sybrand Buma ging hart mit Mark Rutte ins Gericht. Er warf Rutte vor, mehr parteipolitische Interessen nachgegangen zu sein, anstatt an das Wohl des Rechtstaats zu denken: „Ein guter Premier ist der Hüter des Rechtsstaats, nicht der Hüter von Fred Teeven. Nicht von Ivo Opstelten, von Ard van der Steur, oder Klaas Dijkhoff.“ Auch von linksliberaler Seite wurde Rutte angegriffen: Sowohl der Fraktionsvorsitzende der linksliberalen D66, Alexander Pechthold, als auch der Fraktionsvorsitzende der linksgrünen Groen-Links, Jesse Klaver, zeigten sich unzufrieden mit den bisherigen Stellungnahmen des Premiers. Klaver erklärte: „Noch immer hängt Nebel über der Informationsweitergabe an das Parlament und über der Rolle des Premiers.“

Mark Rutte gab sich angesichts der heftigen Kritik zerknirscht und erklärte diese Debatte sei die schwerste in seiner 13-jährigen Karriere als Politiker. Er entschuldigte sich unter anderem für sein Auftreten bei einer Pressekonferenz vergangenen Freitag, wo er den Eindruck erweckt hatte, die Ergebnisse der Kommission Oosting nicht zu teilen. Er gelobte jedoch Besserung in der Zukunft: „Die Lehre, die ich hierausziehe ist, dass ich mir künftig mehr Zeit nehmen werde, dann rufe ich den Vorsitzenden an.“ Auch der momentane Staatssekretär Klaas Dijkhoff und sein Vorgesetzter, der Justizminister Ard van der Steur, erklärten, eine unglückliche Rolle während des Aufklärungsprozesses gespielt zu haben. Dijkhoff erklärte, er habe eine Grenze überschritten, als er zusammen mit dem damaligen Justizminister Ivo Opstelten einen Pressebericht bezüglich des Teeven-Deals vorbereitete, welcher sich später als falsch herausstellte.

Trotz der Gelöbnisse in der Zukunft alles besser machen zu wollen, blieben die Oppositionsparteien mit ihren Zweifeln zurück, so wie es Pechthold ausdrückt: „Sie haben ihre Entschuldigungen vorgetragen und Besserung gelobt. Aber die Zweifel sind geblieben. Entschuldigungen können den verursachten Schaden nicht wieder gutmachen.“ Um diesen Zweifeln und dem verschwundenen Vertrauen Ausdruck zu verleihen, stellten sich sechs Oppositionsparteien hinter einen Tadelsantrag (nl. motie van afkeuring), den Gert-Jan Segers von der Christen-Unie gestellt hatte. Der Antrag wurde jedoch mit 65 zu 77 Stimmen abgelehnt.

Dennoch hoffen die Oppositionsparteien ihr Anliegen gegenüber dem Premier deutlich gemacht zu haben. Jesse Klaver erklärte: „Ich gehe davon aus, dass dies „ein Nie Wieder“ war.“ Auch Mark Rutte gab zu, das Signal aus der Tweede Kamer aufgenommen zu haben: „Wir werden in der kommenden Zeit zeigen, dass wir die Lehren aus diesen Debatten ernst nehmen.“  

Eine motie van afkeuring, zu Deutsch Tadelsantrag, ist das zweitstärkste Mittel, das der Tweede Kamer zur Verfügung steht, um ihr Missfallen gegenüber der Regierung oder einem einzelnen Kabinettsmitglied auszusprechen. Rechtlich folgen aus einem gelungenen Votum keine Konsequenzen, es ist der Regierung überlassen, ob sie mit einem Rücktritt reagiert oder Besserung gelobt und in alter Besetzung weitermachen will. Darin unterscheidet sich ein Tadelsantrag von einem Misstrauensvotum, bei dem bei entsprechendem Votum ein Rücktritt unvermeidlich ist.