Nachrichten August 2015


SOZIALES: Grundeinkommen in den Niederlanden?

Den Haag/Utrecht. AF/FD/nieuws.nl/SZ/utrecht.nl. 18. August 2015.

Mehrere niederländische Gemeinden wollen ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Die Stadt Utrecht plant, Sozialhilfeempfängern ab dem Herbst „gratis Geld“ zukommen zu lassen, weitere Städte wie Tilburg, Maastricht und Groningen wollen in das Experiment einsteigen. Das meldeten unlängst niederländische und deutsche Medien. Die Gemeinde Utrecht hingegen wiegelt ab: Der Start sei erst für 2016 geplant und ohne Zustimmung des Sozialministeriums in Den Haag könne das Experiment ohnehin nicht stattfinden.

Utrecht verfolge „nicht das ultimative Ziel, ein Grundeinkommen einzuführen“, sondern wolle die bürokratischen Hürden für Sozialhilfeempfänger absenken, erklärte Projektleiterin Nienke Horst gegenüber Het Financieele Dagblad. Momentan sehe das System viele Pflichten für die Sozialhilfeempfänger vor, deren Nichteinhaltung hohe Sanktionen mit sich brächte. „Die für diese Zielgruppe nötige Maßarbeit ist nicht möglich, und wir als Gemeinde haben alle Hände voll zu tun, die Regeln durchzusetzen. Das kann vielleicht verbessert werden.“

Zudem solle das Experiment nicht im Herbst dieses Jahres beginnen, wie viele Zeitungen berichtet hatten, sondern erst im Januar 2016. Gemeinsam mit der Universität Utrecht werde man in drei Freiwilligengruppen testen, wie sich der Erhalt eines Grundeinkommens auswirke. Eine Gruppe von Sozialhilfeempfängern werde weiterhin nach dem geltenden System behandelt, die Mitglieder der zweiten Gruppe erhielten einen Bonus, wenn sie einen Job fänden. Und die dritte Gruppe bekäme ein Grundeinkommen, das auch dann weiterbezahlt werde, wenn eine Arbeitsstelle gefunden werde. „Wir sind neugierig, was passieren wird: Werden sie mehr oder weniger Erwerbs- oder Freiwilligenarbeit leisten?“, so Horst.

Nichts im Leben ist gratis

Judith Tielen, die für die liberale VVD im Utrechter Gemeinderat sitzt, ist gegen das „Experiment Grundeinkommen“. Auf nieuws.nl erklärt sie: „Abgesehen vom Sonnenaufgang und vielleicht der Liebe, ist nichts im Leben gratis.“ Sozialhilfe werde aus der Staatskasse gezahlt, die wiederum vom Steuerzahler gefüllt werde. Die Annahme, Menschen würden ohne Druck aktiv nach Arbeit suchen oder sich anders gesellschaftlich engagieren, hält Tielen für „naiv“. Das Experiment werde keine Probleme lösen, sondern nur neue schaffen. „Es ist denkbar, dass Sozialhilfeberechtigte mit Grundeinkommen zum Beispiel in der Pflege arbeiten und nach einem Monat viel mehr Geld haben als der Altenpfleger, der seit Jahren seiner Arbeit nachgeht und Einkommenssteuer bezahlt.“

Tielens Parteikollege Robin Fransman hingegen, spricht sich für ein Grundeinkommen aus, weil das heutige Sozailhilfesystem andauernd die Privatsphäre der Bürger verletze. Gegenüber Het Financieele Dagblad erklärte er: „Bei jeder Entscheidung im Leben muss man plötzlich rechnen. Wenn ich mehr arbeite, oder mit meinem Partner zusammenziehe, meine demente, alte Mutter bei mir aufnehme, verliere ich dann mein Anrecht auf Pflegegeld oder auf Wohngeld? Bekommt mein Mutter dann weniger Rente?“ Im selben FD-Artikel kommt auch Bas Jacobs, Hochschuldozent für Wirtschaft, zu Wort. Er nennt das Grundeinkommen „das am wenigsten zielführende Umverteilungsinstrument, das man sich ausdenken kann, weil man sehr viel Geld mit der Gießkanne verteilt.“

Das niederländische Sozialministerium selbst hat sich zur Experiment-Anfrage aus Utrecht noch nicht geäußert.