Nachrichten November 2014
BILDUNG: Niederländische Schulen wollen angeblich „weiß“ bleiben
Den Haag. KL/AD/DT/nieuws.nl/NOS/NRC/TR. 03. November 2014.
Niederländische Schulen lösen angeblich ihre Real- und Hauptschulzweige auf, um für „weiße“ Fachoberschüler und Gymnasiasten attraktiv zu bleiben. Diesen Vorwurf haben mehrere Bildungsexperten am vergangenen Samstag in der Tageszeitung Trouw erhoben. „Es handelt sich um einen Trend, der sich in aller Stille vollzieht“, erklärte die ehemalige Rektorin des Aloysius College in Den Haag, Rola Hulsbergen. Diese Schule habe gerade ihre Pforten schließen müssen, weil die „weißen“ Schüler ausgeblieben seien.
Das niederländische Schulsystem verfügt in der Sekundarstufe I – grob auf deutsche Verhältnisse übertragen – über die Bereiche VMBO (Real- und Hauptschule), HAVO (Fachoberschule) und VWO (Gymnasium). Schüler mit Migrationshintergrund erhalten, proportional gesehen, häufiger eine Empfehlung für den VMBO-Zweig. Immer mehr Schulen mit zunehmendem Ausländeranteil beschließen deshalb angeblich, ihre VMBO-Abteilung aufzuheben oder in ein anderes Gebäude auszulagern, damit der Rest der Schule „weißer“ werde. „Für Schulleitungen ist das ein wichtiges Kriterium“, sagt Rola Hulsbergen.
Die Gemeinde Den Haag wollte diese Darstellung nicht bestätigen. Das Aloysius College habe den Rat zur Fusion mit anderen Schulen schlicht nicht rechtzeitig befolgt. Ein Sprecher des Rates für Oberschulunterricht relativierte das Problem unterdessen mit dem Hinweis, dass belastbare Zahlen zu dem Phänomen gar nicht vorlägen. Andrerseits gab der Bildungssoziologe Jaap Dronkers zu bedenken, dass es „keine einzige Schule zugeben würde“, wenn sie so verfahre, wie von Hulsbergen beschrieben. „Die ‚weiße Flucht‘ hat auf dem Gymnasium schon eingesetzt“ und auch die Fachoberschule werde „farbiger“. Viele Schulen ergriffen erst dann Maßnahmen, wenn es bereits „zu spät“ sei, glaubt Dronkers.
Auch der Amsterdamer Soziologie-Professor Herman van de Werfhorst kennt das Problem. Sämtliche „farbige“ Schulen hätten damit zu kämpfen, dass Gymnasiasten „weiße“ Schulen bevorzugten. Das gelte auch für Gymnasiasten mit Migrationshintergrund. Breit aufgestellte Schulgemeinschaften hätten deshalb große Schwierigkeiten, genügend Schüler für den Gymnasialzweig zu finden.
Die zuständige Ministerin für Bildung, Kultur und Wissenschaft, Jet Bussemaker (PvdA), reagierte vergangenen Sonntag in der Fernsehsendung WNL op Zondag überrascht auf die Vorwürfe. Sie habe bislang „keine Signale empfangen“, die belegten, dass niederländische Schulen ihre Real- und Hauptschulzweige „im großen Umfang“ abstießen um „weiß“ zu bleiben. Jedenfalls sei eine solche Entwicklung „nicht wünschenswert“ und sie werde diese Problematik „genau im Auge behalten“.
Mehr Informationen über das niederländische Bildungssystem finden Sie in unserem Dossier „Niederlande-Wissen“.