Nachrichten März 2014


KOMMUNALWAHLEN: Herbe Niederlage für Regierungsparteien

Den Haag. AF/ML/ND/Novom/rtlnieuws.nl. 20. März 2014.

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Die Kommunalwahlen 2014 in den Niederlanden als landesweites Ergebnis in Prozent der Stimmenanteile (*die PVV trat nur in zwei Gemeinden an), Quelle: NiederlandeNet

In den Niederlanden wurden am Mittwoch landesweit die Gemeinderäte gewählt. Die Wählerinnen und Wähler straften bei den Kommunalwahlen vor allem die Regierungsparteien VVD und PvdA ab. Politiker und Kommentatoren sprachen wiederholt von einem „schweren Schlag für die Regierungsparteien”. Gewinner der Wahl waren die sozialliberalen D66, die sozialistische SP und die vielen kommunalen Parteien und Wahlgemeinschaften. Landesweit stärkste Partei wurde trotz erneuter Mandatsverluste der CDA. Die Wahlbeteiligung lag bei 54 Prozent.

Schlappe für die Regierungsparteien

Die VVD verlor landesweit 3,6 Prozentpunkte. Sie ist mit 12 Prozent aller Stimmen nun zweitstärkste Kraft. Den größten Zuwachs konnte sie im nordholländischen Noordwijk mit einem Plus von 11,5 Prozentpunkten erreichen. Die bitterste Niederlage setzte es im grenznahen Roermond mit dem Verlust von 25 Prozentpunkten. In der Hauptstadt Amsterdam büßte die VVD 5,7 Prozentpunkte ein und rangiert nun mit 11 Prozent auf Augenhöhe mit SP und GroenLinks an dritter Stelle der Wählergunst. Am Regierungssitz in Den Haag ist der Stimmenanteil der VVD nach herben Verlusten von 5,3 Prozentpunkten mit lediglich 9,2 Prozent nur noch einstellig. Sie ist damit lediglich fünfstärkste Fraktion – noch hinter der links-sozialen Haagse Stadspartij, die ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln konnte und auf 11 Prozent kommt. In Rotterdam, wo die VVD auch bei den letzten Wahlen nicht zu den großen drei gehörte, waren die Verluste mit 1,9 Prozentpunkten moderat. 7,6 Prozent ist hier das Ergebnis für die VVD. Stärkst Partei wurde aufgrund massiver Verluste der PvdA mit nahezu gleichem Stimmenanteil wie 2010 die rechtspopulistische Lokalpartei Leefbaar Rotterdam. Auch in Utrecht waren die Stimmeneinbußen beträchtlich. Um 4,7 Prozentpunkte sackte der VVD in der Wählergunst ab. Mit 10,8 Prozent bleibt die Partei allerdings knapp vor der PvdA drittstärkste Kraft. In Nimwegen liegt die VVD unverändert zu 2010 bei 10,5 Prozent der Stimmen nur 0,1 Prozentpunkte hinter der PvdA an vierter Stelle in der Wählergunst.

Für die PvdA war der gestrige Abend ein rabenschwarzer Tag. Beinahe mit jedem neuen Ergebnis, das aus den Städten und Gemeinden übermittelt wurde, zeichnete sich die bittere Niederlage deutlicher ab. Selbst in der Vergangenheit scheinbar uneinnehmbare Hochburgen der niederländischen Sozialdemokratie wie Amsterdam konnten nicht gehalten werden. Am Ende verloren die Sozialdemokraten landesweit 5,2 Prozentpunkte gegenüber 2010. Hatte die PvdA 2010 in Amsterdam mit 29 Prozent noch fast doppelt so viele Stimmen wie die zweitstärkste VVD, schrumpfte sie nun um 10,9 Prozentpunkte auf 18,1 Prozent zusammen. Auch in Den Haag erlebte die PvdA ein Waterloo. Mehr als 40 Prozent ihrer Wählergunst aus 2010 büßte sie ein. Mit 12,6 Prozent Stimmenanteil verabschiedete sie sich auch hier als stärkste Kraft und ist nun drittstärkste Partei. In Rotterdam lieferten sich die Sozialdemokraten 2010 noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Spitzenposition mit den Rechtspopulisten von Leefbaar Rotterdam, welches sie letztlich knapp für sich entscheiden konnten. Nun trennen beide Parteien Welten, obwohl die Rechtspopulisten nicht zulegen konnten; denn die PvdA verlor beinahe die Hälfte ihrer Stimmen und erreicht gerade einmal 15,7 Prozent. In Utrecht macht der Vertrauensverlust der Wähler 8,5 Prozentpunkte aus. Mit 10,5 Prozent belegen die Sozialdemokraten im Parteienranking nun Rang vier. Fast identisch ist die Situation in Nimwegen. Dort kommt die Partei nun auf 10,6 Prozent – deutlich weniger als 2010, wo es noch 18,3 Prozent waren.


Zuwächse für Opposition und lokale Parteien

Jubel und Partystimmung gab es bei der D66. Obwohl die Sozialliberalen die Regierungsparteien von der Oppositionsbank aus beim Haushaltsplan 2013 unterstützten (NiederlandeNet berichtete), mussten sie das Wählervotum offensichtlich nicht fürchten. Ein landesweiter Zuwachs von 3,8 Prozentpunkten und die Platzierung als drittstärkste Partei sind lediglich nette Attribute hinsichtlich der Erfolge, die die D66 in den bedeutenden Städten erringen konnte. 11,6 Prozentpunkte Zuwachs gab es in Amsterdam, wo D66 mit insgesamt 26,3 Prozent die deutlich stärkste Partei ist. Ebenfalls stärkste Kraft wurde die Partei mit 15,4 Prozent und einem Plus von 3,6 Prozentpunkten in Den Haag. In Utrecht zeigte sich ein ähnliches Bild wie in Amsterdam: 26,3 Prozent der Wähler vertrauen der D66: ein mehr als 40 Prozent größerer Zuspruch als noch vor vier Jahren. In Rotterdam sind die Sozialliberalen mit 12,4 Prozent ebenso drittstärkste Partei wie in Nimwegen mit 17,8 Prozent. Dort trennen die D66, den Wahlsieger SP und die zweitplatzierte von GroenLinks nicht einmal ein Prozentpunkt.

Auch die SP gehört zu den Nutznießern des Unmuts der Wähler über die Regierungsparteien. Ein landesweites Ansteigen von 2,5 Prozent sagt hier ebenfalls wenig über die Erfolge in den großen Städten aus. In Nimwegen ist die Partei mit 18,7 Prozent knapp stärkste Kraft. Das Stimmenplus von 6,5 Prozentpunkten ist im Vergleich zu Amsterdam (+3,8), Den Haag (+1,5), Rotterdam (+4,9) und Utrecht (+3,5) am größten. Während die Sozialisten in Den Haag (5,5 %) und in Utrecht (9,4 %) noch im einstelligen Bereich des Wählerzuspruchs stehen, landeten sie in Amsterdam (11 %) und Rotterdam (10,4 %) knapp darüber.

Insgesamt 28,1 Prozent aller Stimmen entfielen auf lokale Parteien. Leefbaar Rotterdam mit 28,2 Prozent als stärkste Kraft in der Hafenstadt genießt dabei wohl die größte Aufmerksamkeit. Bemerkenswert ist auch das Ergebnis in Maastricht. Hier gewann die lokale Senioren Partij zwar nicht den größten Stimmenzuwachs, wurde aber mit 14,9 Prozent aller Stimmen stärkste Partei und gibt damit einen Ausblick, wie sich der demographische Wandel auf das Wählerverhalten in Zukunft auswirken kann.
Der CDA ist landesweit zwar die stärkste Partei, dies allerdings trotz eigener Verluste von 0,8 Prozentpunkten vornehmlich durch das schlechte Abschneiden von VVD und PvdA, die ihn 2010 noch überflügelt hatten. Den größten Zuspruch erhält der CDA in ländlichen und religiös geprägten Gebieten, während er in den großen Städten der Randstad nicht über 6,7 Prozent der Stimmen hinaus kommt. In Nimwegen verliert er 40 Prozent seiner Wähler und kann nur ein enttäuschendes Resultat von 4,9 Prozent vorweisen.

Bedeutung der Wahlen

Aus deutscher Sicht sind die niederländischen Gemeinderatswahlen nicht einfach zu verstehen. Anders als in der Bundesrepublik werden die Gemeinderäte landesweit am gleichen Tag gewählt. Das bedeutet nicht nur, dass Lokalpolitiker Schützenhilfe von den ganz großen Tieren aus Den Haag bekommen, sondern garantiert auch nationales mediales Interesse. Hierdurch werden die Wahlergebnisse beinahe in den Rang einer Parlamentswahl erhoben und die lokalen Ergebnisse fungieren als Stimmungstest für die nationale Politik. Nicht zufällig werden im Fernsehen die geschätzten Wahlergebnissee zunächst für das ganze Land verkündet und mit den letzten Wahlergebnissen der Parlamentswahl verglichen. Die Ergebnisse aus den einzelnen Gemeinden – es gibt rund 400 Stück – werden dann verkündet, sobald alle Stimmen ausgezählt sind. Naturgemäß werden deshalb zuerst die Ergebnisse aus kleinen Gemeinden mit weniger Stimmberechtigten bekannt. Die Endergebnisse der großen Städte Amsterdam, Den Haag, Rotterdam und Utrecht folgen zum Schluss.

Gemeinderatswahlen sind in den Niederlanden weit wichtiger als die Wahlen der Provinzparlamente – eine aus föderalistisch-deutscher Perspektive schwer nachzuvollziehende Tatsache. Trotz des großen Gewichtes, das den Wahlen beigemessen wird, lag die Wahlbeteiligung in diesem Jahr landesweit nur bei rund 54 Prozent.