Nachrichten März 2014


TREIBSTOFF: Niederländer tanken verstärkt in Deutschland

Gronau. ML//AvD/brisk/CBS/DO/NOS/OG/statista/WDR/WN. 11. März 2014.


Niederländische Tankstellenpächter im Grenzgebiet zu Deutschland und Belgien haben es zurzeit nicht leicht. Durch die teils extremen Preisunterschiede bei Diesel- und Flüssiggastreibstoffen betanken immer mehr niederländische Verkehrsteilnehmer ihre PKW und LKW im benachbarten Ausland. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum brach der Umsatz an Diesel im Februar um 39 Prozent, der von Flüssiggas um 42 Prozent und der von Benzin um 18 Prozent ein.

Wie auch in der Vergangenheit bei alkoholischen Getränken und Tabak (NiederlandeNet berichtete) liegt der Grund für die großen Preisdifferenzen in der Erhöhung der Verbrauchssteuersätze in den Niederlanden. Diese werden in den Niederlanden jeweils zum Anfang eines Jahres automatisch an die Inflation angepasst. Ab dem 1. Januar 2014 musste man hinter der Grenze so für Benzin 1,5 Cent, für Diesel fünf Cent und für Flüssiggas rund neun Cent pro Liter mehr bezahlen. Nach der Erhöhung von Anfang 2013 sowie der Anhebung des allgemeinen Mehrwertsteuersatzes auf 21 Prozent im Oktober 2012 (NiederlandeNet berichtete) bedeutete dies im Vergleich zur Situation auf der deutschen Seite der Grenze eine immer größere Disparität. An deutschen Tankstellen können niederländische Auto- und Frachtwagenfahrer momentan etwa 15 bis 18 Cent pro Liter Superbenzin günstiger tanken.

Ein Vergleich der Benzin- und Dieselpreise im Jahresdurchschnitt in Deutschland und den Niederlanden zeigt, dass die momentane Situation nicht neu ist. 1999 gestalteten sich die Preisunterschiede aus niederländischer Sicht sogar noch etwas schlechter als aktuell. Damals mussten im Jahresmittel an Tankstellen in den Niederlanden für den Liter Superbenzin 20 Cent und für den Liter Diesel sieben Cent mehr bezahlt werden als auf deutscher Seite. Allerdings war seinerzeit die Vergleichbarkeit wegen der unterschiedlichen Währungen noch nicht so transparent wie heute. Nach der Jahrtausendwende veränderte sich der Unterschied stetig zugunsten der niederländischen Auto- und LKW-Fahrer. 2007 sparte der niederländische Fahrzeugführer beim Diesel durchschnittlich 11 Cent, während das Superbenzin lediglich 7 Cent teurer war als in Deutschland. Seitdem sind die Preise für Motorenkraftstoffe in den Niederlanden allerdings permanent stärker gestiegen als im Nachbarland. Besonders stark betroffen waren Besitzer von Autogas-Fahrzeugen. Dieser in den Niederlanden von je her weit verbreitete Kraftstoff ist in den vergangen sieben Jahren mehr als 67 Prozent teurer geworden. Seit Jahresbeginn sind 17 Cent (oder 23 Prozent) im Vergleich zum Jahresmittel 2013 mehr je Liter zu bezahlen. Damit ist Autogas mit Preisen von über 90 Cent/Liter in den Niederlanden erstmals deutlich teurer als in Deutschland, wo der Preis um 75 Cent je Liter liegt.

Die Umsatzzahlen der Tankstellenbetreiber wurden Ende vergangener Woche von den beiden Branchenorganisationen Bovag  und NOVE veröffentlicht, die zuvor die Zahlen von landesweit 469 Tankstellen ausgewertet hatten. 70 davon befanden sich maximal fünf Kilometer von der belgisch-niederländischen oder deutsch-niederländischen Grenze entfernt. In Litern ausgedrückt betrug der Verlust im Februar 84 Millionen Liter Treibstoff weniger als ein Jahr zuvor. „Das bedeutet, dass der Staat 43 Millionen Euro Verlust gemacht hat“, wird Koos Burgman, Direktor von BOVAG, beim Nachrichtensender NOS zitiert. Die niederländische Regierung will die Folgen der Verbrauchssteuererhöhung erst im Mai diskutieren, weshalb Burgman dafür plädiert, bereits jetzt notwendige Schritte einzuleiten: „Die Politik kann einfach nicht anders als die Verbrauchssteuererhöhung zurückzunehmen. Sollte es so weitergehen sieht es für die Pächter in Grenznähe und die Grenzregion schlecht aus und die Staatskasse ist undicht. Die wird leerer anstatt voller. Und unterdessen lachen sich Belgien und Deutschland ins Fäustchen.“

Bei einer Veranstaltung im grenznahen Doetinchem ging der niederländische Finanzminister Jeroen Dijsselbloem laut Omroep Gelderland auf die aktuellen Probleme der Tankstellenbetreiber in der Region ein. In Reaktion auf die von Bovag und NOVE veröffentlichten Zahlen bemerkte Dijsselbloem, dass die Zahlen nicht stimmten. Die Regierung werde die Verbrauchssteuern nicht zurücknehmen und es wird dabei bleiben, dass im Mai erst einmal geschaut werden soll, wie genau die Effekte der Steuererhöhung aussehen, so der Finanzminister.

Besonders extrem gestaltet sich die Situation zurzeit an der Grenze zwischen dem deutschen Gronau und Enschede in den Niederlanden. Seitdem die lokale Supermarktkette Klaas + Kock (K+K) im Herbst vergangenen Jahres die Preise für Benzin und Diesel erheblich senkte, bilden sich an den Gronauer Zapfsäulen immer öfter lange Schlangen von Autos mit gelbem Nummernschild. 1,299 Euro pro Liter Diesel und 1,499 Euro pro Liter Super bei der Tankstelle von K+K bedeuteten nicht nur für die niederländischen Tankstellen in Grenznähe, sondern auch für die konkurrierenden Pächter in Gronau selbst eine Kampfansage. Nach eigener Aussage von K+K-Geschäftsführer Rolf Klaas machte sein Unternehmen durch diese Preise keinen Gewinn mehr. „Die günstigen Preise sind [aber] ein enormer Kundenmagnet“, so Klaas gegenüber den Westfälischen Nachrichten. Nach Angaben des WDR-Studios in Münster versuchte die K+K-Geschäftsleitung mit ihrer Preispolitik, den niederländischen Markt stärker an sich zu binden. Und dies erfolgreich, wie Berichte in der niederländischen Presse im vergangenen Jahr bewiesen. Die Kunden kamen von der anderen Seite der Grenze und ließen auch noch Geld für Einkäufe in Deutschland. Ein Situation, wie sie bis zum heutigen Tag andauert – mehr und mehr zum Leidwesen niederländischer Tankstellenbetreiber.