Nachrichten Juni 2014
DIPLOMATIE: Jahrzehntelanger deutsch-niederländischer Grenzstreit beendet
Den Haag. TM/diplo.de/novum/RVD. 20. Juni 2014.
Am Montag waren Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und sein niederländischer Amtskollege Frans Timmermans (PvdA) zu bilateralen Konsultationen in Den Haag zusammengekommen. Bei einem gemeinsamen Mittagessen sprachen beide Chefdiplomaten über europapolitische Fragen sowie die aktuelle Situation in den Krisengebieten Irak und Ukraine. Auch die deutsch-niederländischen Beziehungen waren Teil des bilateralen Gesprächs.
Stolz verkündeten die Außenminister auf einer Pressekonferenz am Montagnachmittag, dass beide Länder in der Ems-Dollart-Frage auf eine gemeinsame Lösung verständigen konnten. Der Grenzverlauf in der Region zwischen Emden und Delfzijl war jahrzehntelang umstritten und zuletzt im Jahr 2011 aufgrund einer Genehmigung eines Offshore-Windparks von deutscher Seite eskaliert (NiederlandeNet berichtete). Erste Schritte für eine Übereinkunft waren schon im vergangenen Jahr gelegt worden, als sich beide Staaten auf die groben Linien eines Vertrages einigten (NiederlandeNet berichtete). Nun sei man sich auch im Detail einig und bereitet einen bilateralen Vertrag vor, der in naher Zukunft offiziell in der Ems-Dollart-Region unterzeichnet werden soll.
Seinen Ursprung hat der deutsch-niederländische Grenzstreit im Jahr 1982, als die territoriale Seegrenze mit dem UN-Seerechtsvertrag von einer Drei- auf eine Zwölfmeilenzone ausgedehnt wurde. Die Territorien von Küstenstaaten erstreckten sich seitdem bis zu zwölf Meilen außerhalb des Festlandes, was speziell im Seegebiet zwischen Deutschland und den Niederlanden zu unterschiedlichen Auffassungen über den genauen Grenzverlauf führte. Nach Ansicht der Niederlande verlief die Grenze zu Deutschland in der Mitte der Ems. Deutschland ging jedoch davon aus, dass die Grenze weiter westlich verlief. Nach Unterzeichnung des gemeinsamen Vertrags wird es zukünftig nun eindeutig sein, in welchem Land Unternehmen Genehmigungen einholen müssen, wenn sie beispielsweise neue Windparks, Stromleitungen oder Pipelines errichten wollen. Zudem wurde die Absicht bekräftigt, eine gemeinsame deutsch-niederländische Verkehrszentrale für den Schiffsverkehr in der Dollart-Region zu initialisieren. Auch hierzu soll ein Vertragstext ausgearbeitet und noch im Laufe des Jahres unterzeichnet werden.
Der Umgang beider Länder bei den jüngsten Verhandlungen um die Ems-Dollart-Frage bezeichnete Frank-Walter Steinmeier während der Pressekonferenz als „fair und freundschaftlich“. Es wäre schön, wenn es im Rest Europas auch so gehen würde, so der Außenminister. Sein Amtskollege Frans Timmermans ergänzte: „Dies zeigt wieder einmal, dass die Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland immer besser werden. Eine jahrzehntelange Frage kann beantwortet werden, wenn sich beide Länder, im Sinne einer weiteren Verbesserung der Zusammenarbeit, an den Verhandlungstisch setzen.“
„Die Beziehungen zwischen den Niederlanden und Deutschland sind wahrscheinlich besser als jemals zuvor in der Nachkriegsgeschichte“, so Frans Timmermans weiter. Eine Feststellung, die beide Politiker einvernehmlich bestätigten. Auch seien beide Länder bei vielen internationalen Fragen einer Meinung. Beispielhaft nannten beide etwa die Zukunft der Europäischen Union: „Wir meinen, dass die EU sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren muss und dass sich ein solcher Fokus auch in der Art und Weise der Organisation der Kommission wiederspiegeln muss“. Und auch zur aktuellen Situation in der Ukraine waren sich Steinmeier und Timmermans über die Strategie einig: Verhandlungen und ein politischer Dialog sei die einzige Möglichkeit, um die Entstehung neuer Trennlinien in Europa zu verhindern.
Im Anschluss an die gemeinsame Pressekonferenz besuchten beide Minister das parallel stattfindende 13. Deutsch-Niederländische Forum in Den Haag, wo sie mit Studierenden über die Themen Europa und Social Media diskutierten (NiederlandeNet berichtete).