Nachrichten Juni 2014


DNF: Bei Digitalisierung noch Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederlanden sichtbar

Den Haag. /duidslandweb.nl. 18. Juni 2014.

Deutsch-Niederländisches Forum 2014

Frans Timmermans und Frank-Walter Steinmeier im Dialog mit deutschen und niederländischen Studierenden, Quelle: Angelika Fliegner/cc-by-nc-sa

Am Beginn dieser Woche wurde in Den Haag zum 13. Mal das Deutsch-Niederländische Forum veranstaltet. Am Montag und Dienstag kamen im niederländischen Außenministerium rund 200 Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Medien und Privatwirtschaft zusammen, um gemeinsam über „die Grenzen(losigkeit) der Digitalisierung in Deutschland und den Niederlanden“ zu sprechen. Höhepunkt der zweitägigen Tagung war der Auftritt der beiden Außenminister Frans Timmermans (PvdA) und Frank-Walter Steinmeier (SPD), die sich zuvor zu einem Arbeitsessen in Den Haag getroffen hatten.

„Technologische Innovationen verändern in rasantem Tempo die Welt, in der wir leben, und beeinflussen nahezu alle Bereiche der Gesellschaft. Das gilt für die Demokratie, für die Formen des Wirtschaftens und für die Art, in der wir miteinander zusammenleben“ führte der ehemalige niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende in die Veranstaltung ein. Obwohl beides gleichermaßen für Deutschland und die Niederlande gelte, werden diese Entwicklungen in beiden Ländern zum Teil unterschiedlich wahrgenommen, so Balkenende, der dem niederländischen Lenkungsausschuss des Forums vorsitzt.

Sichtbare Kulturunterschiede

Diese Unterschiede im Umgang mit den Auswirkungen der Digitalisierung wurden im Laufe der Tagung an vielen Stellen herausgearbeitet. Denn im Gegensatz zu Deutschland, so eine der Erkenntnisse der Tagung, gehe man in den Niederlanden viel mehr mit offenen Augen auf neue Technologien zu und habe keine Angst vor Neuerungen. Hauptredner Erik Huizer, Professor für Internetanwendungen an der Universität Utrecht, sagte zudem, die niederländische Gesellschaft sei „schneller, wenn es darum geht, Hürden gekonnt zu umschiffen“. Die Deutschen hingegen besitzen eine Stärke darin, „Ergebnisse in längerfristige Erfolge zu verwandeln“. Ein anderer Tagungsteilnehmer drückte diesen Kulturunterschied so aus: „In Deutschland will man alles geregelt haben und in den Niederlanden heißt es eher: ‚Wir werden schon einen Lösungsweg finden‘“.

Deutlich wurden die Unterschiede im weiten Feld der Digitalisierungsthematik zum Beispiel bei der neuen niederländischen Zeitungsplattform blendle. Gründer Marten Blankensteijn erläuterte in einem von vier Workshops seine neue Internetapplikation, auf der man für Beträge ab 10 Cent Zugriff auf einzelne Artikel von fast allen großen niederländischen Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen hat. Blankensteijn wollte von den anwesenden Experten wissen, wie realistisch es sei, auch in Deutschland den Großteil der Printprodukte von dem Dienst zu überzeugen. Über eine schnelle Einführung auf dem deutschen Markt äußerte sich die Mehrheit aufgrund der speziellen deutschen Medienlandschaft und den kulturellen Unterschieden zum Nachbarland jedoch eher kritisch.

Große Differenzen wurden auch in der Behandlung der aktuellen Sicherheitsdebatte um Datenschutz, Edward Snowden und die NSA festgestellt. Denn während in Deutschland in den vergangenen Monaten seit den Snowden-Enthüllungen ein noch größeres Sicherheitsbedürfnis als zuvor vorhanden ist, spielt die NSA-Affäre in den Niederlanden – wenn überhaupt – nur eine kleine Rolle. Vereinzelte Tagungsteilnehmer aus den Niederlanden äußerten sich hier durchaus neidisch über den sehr kritischen Umgang mit Daten(schutz) in Deutschland, der – so vermutete man – vielleicht auch durch die deutsche Geschichte und die Sensibilisierung durch NS- und Stasi-Regime zu erklären ist.

Unterschiede in den Einstellungen beider Länder zur Digitalisierung zeigen sich zudem im Umfang der Benutzung von Sozialen Medien durch Politiker und andere Experten. So schrecken viele deutsche Politiker noch immer vor dem Kurznachrichtendienst Twitter zurück. Der FDP-Politiker Otto Fricke erzählte etwa, wie ihm viel Skepsis gegenüber gebracht wurde, als er im Dezember 2008 mit dem twittern begann. Ganz anders in den Niederlanden: Hierzu erzählte der ehemalige Wahlkampfmanager des christdemokatischen CDA und jetzige Bürgermeister der Grenzgemeinde Losser, wie er Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter bewusst aktiv einsetzt, um mit seinen Bürgerinnen und Bürgern in den Dialog zu treten.

Deutsch-niederländische Beziehungen auf Höhepunkt

Einig war man sich auf dem Deutsch-Niederländischen Forum über das aktuell gute Verhältnis zwischen beiden Ländern. Jan Peter Balkenende betonte in seiner Begrüßungsrede, dass sich das Deutschlandbild ín den Niederlanden über die Jahre stark verbessert habe. Rita Süssmuth, die den Vorsitz des deutschen Lenkungsausschusses des Forums innehat, ergänzte, dass die Beziehungen beider Länder mit Problemen begannen und man heute vor Lösungen stehe und damit einen bedeutenden Schritt weiter sei. Auch die beiden Außenminister Timmermans und Steinmeier waren sich in diesem Punkt einig und betonten das historisch gute Verhältnis.

Besonders deutlich wurden die fast komplett verschwundenen Ressentiments, die es vor 20 und mehr Jahren noch verstärkt gegeben hat, auch durch Äußerungen von Vertretern der jungen Generationen. Basanta Thapa, der mit vielen anderen Studierenden beider Länder für die Schwarzkopf Stiftung an beiden Tagen über das Forum bloggte, machte auf der Abschlussveranstaltung deutlich, dass das Verhältnis zwischen Deutschland und den Niederlanden für die jungen Leute gar keine bewusste Rolle mehr spielt. Europa und die Europäische Union seien da viel bedeutender. Eine Tatsache, die ebenfalls bestätigt, dass von den historischen Gräben zwischen beiden Ländern nicht mehr viel zu erkennen ist. Dies konnte man beispielhaft auch daran ablesen, wie selbstverständlich man auf dem Forum über das Thema Fußball-Weltmeisterschaft sprach und der jeweils anderen Mannschaft viel Glück bei der WM wünschte.

Zukünftige Projekte

Mut, dass das Verhältnis beider Länder in Zukunft noch besser werden wird, machte Rita Süssmuth in ihrem Schlusswort. „Wir haben zwar unterschiedliche Kulturen, aus unterschiedlichen Mentalitäten kann man jedoch auch viel lernen.“ Ein mögliches gemeinsames Projekt entwickelte Professor Erik Huizer vor dem Hintergrund der jüngsten Datenskandale und Snowden-Veröffentlichungen: „Man könnte die Region zwischen Bremen und Groningen zu einem Secure Data Valley umbauen.“ Europa befinde sich durch die bessere Gesetzgebung in der Lage, um auf mittelfristige Sicht die Position der Vereinigten Staaten in der Datenindustrie zu übernehmen. „Mit dem Geld, was der niederländische Staat in Nordost-Groningen investieren will, mit dem Internetknotenpunkt in Amsterdam in der Nähe und der flächendeckenden regenerativen Energie aus Deutschland könnten man Datenzentren bauen, die ausschließlich unter europäische Gesetzgebung fallen, mit einem EU-eigenen Qualitätsiegel.“ Jan Peter Balkenende und Rita Süssmuth erklärten sich bereit, die Möglichkeiten für eine solches Vorhaben in der kommenden Zeit zu erforschen und sich für eine Umsetzung stark zu machen.

Informationen zur Geschichte des DNF in unserem Kurzbeitrag.

Das Programm des Forums 2014 kann online nachgelesen werden.