Nachrichten Februar 2014
WIRTSCHAFT: Niederlande spart bei den Sozial- und Arbeitsunfähigkeitsleistungen
Den Haag. ML/CNV/FNV/Ministerie van Sociale Zaken en Werkgelegenheid/nu.nl. 06. Februar 2014.
Im Bemühen den Haushalt zu konsolidieren, hat die niederländische Regierung in Zusammenarbeit mit einigen Oppositionsparteien nun ein weiteres, zwei Milliarden schweres, Sparpaket geschnürt. Betroffen hiervon sind die Bezieher von Sozialhilfe (bijstand) und Arbeitsunfähige bis zum 27. Lebensjahr, die sogenannten Wajongers. Das neue Gesetz tritt ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant zum 01.01.2015 in Kraft.
Die Ministerin für Soziale Angelegenheiten Jetta Klijnsma (PvdA) hat mit Vertretern von D66, ChristenUnie und SGP die Sparmaßnahmen ausgehandelt. Eine Übereinkunft mit Teilen der Opposition war notwendig, weil die Mehrheit der Regierungsparteien VVD und PvdA für eine Gesetzesänderung nicht ausreichend ist.
Für die 240.000 jungen Arbeitsunfähigen sieht die neue Regelung eine Untersuchung vor, die feststellen soll, ob die Arbeitsunfähigkeit weiterhin uneingeschränkt vorliegt. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei der Zahlung des Arbeitslosengeldes, das dann jedoch ab 2018 von 75 auf 70 Prozent abgesenkt wird. Ursprünglich war ein Übergang dieser Gruppe in die Sozialhilfe angedacht worden. Ihnen soll zudem mit 125.000 neuen, vorrangig für sie geschaffenen Berufsangeboten eine Rückkehr in das Arbeitsleben geebnet werden. Untere Basis der Entlohnung wird bei diesen Jobs der Mindestlohn sein.
Bei den Empfängern von Sozialhilfe haben die Gemeinden nun größere Freiheiten, Gegenleistungen für die Zahlungen festzulegen. Zudem ist ein Sozialhilfeempfänger ab 2015 gezwungen, ein Arbeitsplatzangebot anzunehmen, das nicht in räumlicher Nähe zu seinem Wohnort liegt. Kommt ein möglicher Arbeitsvertrag aus Gründen, die die Bewerberin oder der Bewerber zu verantworten hat, nicht zustande, so kann die Sozialhilfe gekürzt werden. Mangelnde niederländische Sprachkenntnisse und eine nicht anständige Kleidung sind solche möglichen Gründe. Ferner haben in Zukunft auch die Einkommensverhältnisse von Partnern im Haushalt Einfluss auf die Höhe der Sozialhilfe. Diese Maßnahme soll auch Anwendung auf die Rentenzahlung haben.
Für Mütter mit Sozialhilfebezug und Kindern, die jünger als 5 Jahre und somit noch nicht schulpflichtig sind, besteht keine Bewerbungspflicht. Sie müssen allerdings Schulungsangebote wahrnehmen, um den späteren Anforderungen des Arbeitsmarktes entsprechen zu können. Überlegungen, die Sozialhilfe erst nach einer vierwöchigen Karenzzeit zu zahlen, wurden fallengelassen.
Mitglieder der an den Beratungen beteiligten Oppositionsparteien betonten, dass sie die ursprünglich sehr viel weitergehenden Beschneidungen abfedern konnten. Die Regierung musste ihre Vorhaben „kräftig anpassen“, sagt Carola Schouten von der ChristenUnie. Steven van Weyenberg (D66) zeigt sich zufrieden, dass die Gemeinden größere Kompetenzen für Maßnahmen bekommen haben.
Nicht uneingeschränkt zufrieden ist die Ministerin Jetta Klijnsma, die die Bewerbungspflicht für Mütter mit Sozialhilfe gerne im Gesetz verankert gesehen hätte. Letztendlich sei eine solcher Kompromiss aber „ein Prozess von Geben und Nehmen“ resümiert sie. PvdA-Parlamentsmitglied John Kerstens erfreut die „weiche Landung“, die für die jungen Arbeitsunfähigen gefunden wurde. Sjoerd Potters von der VVD ist es wichtig, dass Menschen mit finanzieller Unterstützung stärker als bisher gefordert werden, sich aktiv in den Arbeitsprozess einzugliedern.
Kritik kommt aus den Reihen jener Parteien, die an den Gesprächen nicht teilgenommen haben. Der Fraktionsvorsitzende von GroenLinks, Bram van Ojik, hadert mit der Rolle von D66, ChristenUnie und SGP als Mehrheitsbeschaffer und spricht in diesem Kontext von einem Fünf-Parteien-Kabinett, in welchem lediglich zwei Parteien die Minister stellen. Das neue Gesetzt nennt er schlicht „desaströs“. Auch Parlamentsmitglied Sadet Karabulut von der SP findet markige Worte für das neue Gesetz: Die ausgearbeiteten Abfederungen nennt sie „Flickwerk“ und erteilt dem Kompromiss die Note „ungenügend“. Der CDA stößt sich an der Berücksichtigung von weiteren Einnahmen im Haushalt. Pieter Heerma, der für die Partei in der zweiten Kammer sitzt, befürchtet durch die Einschnitte beim WAO vor allem negative Kaufkraftfolgen für Rentner.
Die Gewerkschaften FNV und CNV äußerten sich zurückhaltend positiv über den Konsens. Der CNV-Vorsitzende Maurice Limmen sieht in den Anpassungen zwar Vorteile gegenüber den ersten Plänen, tituliert die Maßnahmen des neuen Gesetze aber als „eisenhart“. FNV-Chef Ton Heerts begrüßt die seichtere Gangart bei den jungen Arbeitsunfähigen, kritisiert aber zugleich die Optionen der Gemeinden, Gegenleistungen und Sanktionen festzulegen: „Wir werden uns diesen üblen Praktiken widersetzen.“