Nachrichten September 2013


PRINSJESDAG: Reaktionen der Medien

Den Haag. /GA/NRC/RVD/TA/VK. 18. September 2013.

Die niederländische und deutschsprachige Zeitungslandschaft stellt der gestrigen Thronrede König Willem-Alexanders (NiederlandeNet berichtete) durchweg ein gutes Zeugnis aus. Über den Inhalt mit seiner pessimistischen Vorausschau und der Aufforderung zu mehr Eigenverantwortung sprechen sich die Zeitungen jedoch deutlich kritischer aus.

Für die erste wichtige Rede des neuen Königs Willem-Alexander in seiner Rolle als niederländisches Staatsoberhaupt gab es in den Zeitungen durchweg gute Noten. „Willem-Alexander war während seiner ersten Thronrede angespannt und manchmal emotionell. Und super konzentriert“, so eine Analyse von de Volkskrant. Die Tageszeitung gestaltete ihre Stilkritik wie die Rezension eines Theaterstücks und vergab vier von fünf Punkten für den Auftritt des Königs. Neue Akzente, wie allenthalben gemutmaßt wurde, habe der Monarch aber nicht gesetzt und eher noch die Tradition seiner Mutter fortgesetzt: „Nein, schockierende Enthüllungen oder mitreißende Geschichten waren auch diesmal nicht Bestandteil der Thronrede“ kommentierte de Volkskrant-Kolumnistin Sheila Sitalsing die gestrige Rede dann auch ein wenig ironisch.

„Der König hält sich strikter an die vorgegebenen Regeln als erwartet. Nur einmal bricht er aus, als er an seinen vor weniger Wochen verstorbenen Bruder Friso erinnert“, so auch der Bonner Generalanzeiger. Für das NRC Handelsblad war vor allem die Tatsache, dass seit 126 Jahren erstmals wieder ein männlicher Monarch auf dem Thron saß, „abgesehen von dem zweiten Thron auf dem Podium, der für Königin Máxima bestimmt war, der markanteste Unterschied zu vorherigen Thronreden“. De Volkskrant fiel zudem noch auf, dass die Rede von Willem-Alexander viel zeitgemäßer als die klang, die seine Mutter in den vergangenen 33 Jahren vorgetragen hat: „Was sofort auffällt: Die Kartoffel in ihrem Hals ist mit der Abdankung Beatrix‘ aus dem Rittersaal gerollt. Der gehobene, affektierte Akzent klang schon lange nicht mehr zeitgemäß.“

Glanz in Krisenzeiten

Den Inhalt der Thronrede fasste de Volkskrant mit der Schlagzeile „De Versorgungsstaat ist tot, es lebe die Teilhabegemeinschaft“ zusammen und schrieb weiter: „Die Botschaft des Prinsjesdag 2013 beinhalt viel schlechte Nachrichten, jedoch mit einem leichten Licht am Ende des Tunnels.“ „Leute, Ihr könnt es“ könne laut Trouw in einfache Worten übersetzt die Botschaft sein, die der König „an ein Volk in einer Periode der ökonomischen Krise und an Bürger, die sich Sorgen über ihr Einkommen, ihren Arbeitsplatz, über die Zukunft ihrer Kinder machen“ richtet. Laut dem Bonner General-Anzeiger gab es in der ersten Rede von Willem-Alexander dann „statt Glanz [auch] nur eine Krisen-Botschaft“. Die Überschrift „In der goldenen Kutsche zum Spar-Appell“ machte dann auch die vermeintliche Inkongruenz von Inhalt und Darstellungsform deutlich. Der General-Anzeiger zitiert zudem einen der gut 40.000 Zuschauer, die sich die gestrige staatsrechtlich-monarchische Inszenierung auf den Straßen von Den Haag angeschaut haben: „Es wirkt schon seltsam, wenn der König im vollen Ornat und die Königin in einer goldenen Robe über Sparmaßnahmen reden.“

Der Tages-Anzeiger aus Zürich ordnete die Worte des niederländischen Königs zudem in die jüngst publizierten negativen Wirtschaftszahlen des Landes (NiederlandeNet berichtete) ein: „Die Niederländer sind schon lange nicht mehr Musterschüler im Club der Euroländer. Ähnlich wie andere Schuldensünder hat die Regierung in Den Haag zuletzt von der EU-Kommission einen Aufschub von einem Jahr bekommen, um wenigstens 2014 die Neuverschuldung auf weniger als 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu drücken.“ Und ganz so neu, wie es scheint, sei die Botschaft vom Ende des Versorgungsstaates laut de Volkskrant gar nicht. Dieser bestünde eigentlich bereits seit den 1990er Jahren nicht mehr: „Damals gab es bereits die ersten schwerumkämpften Einsparungen, Neubewertungen, Privatisierungen“.

Alter Wein in neuen Schläuchen

Und auch der Ruf nach einer stärkeren Teilhabegesellschaft sei nach Ansicht des NRC Handelsblad nichts Brandneues. So zitiert die Zeitung aus einem Brief, den die Regierung Balkenende IV vor sieben Jahren an das Parlament schrieb und der mit seinen Worten exakt so auch in der gestrigen Thronrede vorgekommen sein könnte. Auf Premier Jan Peter Balkenende verwies auch de Volkskrant, deren Kolumnistin Sheila Sitalsing den Ministerpräsidenten, der das Land zehn Jahre mit seinen Vorstellungen einer Teilhabegesellschaft geprägt hat, mit dem Satz „Jeder muss mitmachen“ zitierte. Das NRC Handelsblad analysiert, dass „Kabinette kommen und gehen, letzteres übrigens in hohem Tempo, und sie wechseln regelmäßig die politische Farbe, aber vieles bleibt unverändert. […] Eigentlich schon seit dem Beginn der 1980er Jahre sind Kabinette damit beschäftigt, auf finanziellem Gebiet Ordnung zu schaffen und den Bürgen deutlich zu machen, dass die Aufgaben des Staates nicht den Umfang behalten können, die sie hatten.“

Was in der Thronrede und auch in der anschließenden Präsentation des Haushaltsentwurfs für 2014 im Parlament nicht gesagt wurde, so das NRC Handelsblad, ist, „dass dieses Kabinett nur eine beschränkt Macht besitzt, um die Pläne auch in Gesetze umzusetzen.“ Von daher sei überhaupt nicht klar, so die Analyse des gestrigen Tages in de Volkskrant, ob die Pläne des aktuellen Kabinetts Rutte II überhaupt umgesetzt werden. „Die sozialliberale Koalition in Den Haag ist in einer schwierigen Lage, da sie für ihren Sanierungskurs in einer der beiden Kammern keine Mehrheit hat“, so der Schweizer Tages-Anzeiger. Zudem haben „die Rechtsliberalen von Premier Mark Rutte und die sozialdemokratischen Juniorpartner […] viel Popularität verloren. In Umfragen sind die Rechtspopulisten von Geert Wilders wieder stärkste Kraft und die linksnationalistischen Sozialisten an dritter Stelle.“ Die Koalitionäre in den Haag werden deshalb, so die Einschätzung aus Zürich, alles tun, „um Neuwahlen zu vermeiden und die Unterstützung der Mitteparteien für ihren Sparkurs zu gewinnen“. Aber erst einmal „muss das Kabinett sehen, dass es überhaupt die Ziellinie erreicht. Oder den nächsten Prinsjesdag“, so de Volkskrant pessimistisch.

Die komplette Rede in deutscher Übersetzung kann auf den Seiten des Königlichen Hauses nachgelesen werden.

Informationen zum Prinsjesdag in den Niederlanden gibt es in unserem Kurzbeitrag.