Nachrichten September 2013
SREBRENICA: Oberstes Gericht bestätigt Verantwortung des niederländischen Staates [UPDATE]
Den Haag. AF/BBC/BN/NOS/NRC. 06. September 2013.
Der niederländische Staat ist für den Tod dreier bosnischer Muslime 1995 in Srebrenica verantwortlich. Dieses Urteil aus dem Jahr 2011 wurde heute vom Obersten Gerichtshof der Niederlande, dem Hohen Rat, bestätigt. Die Angehörigen der Opfer hoffen, dass damit der inzwischen elf Jahre dauernde Prozess endlich ein Ende findet.
Seit 2002 hatten die Hinterbliebenen von Rizo Mustafic, Elektriker bei Dutchbat, und Hasan Nuhanovic, Übersetzer, einen zivilen Prozess gegen den niederländischen Staat angestrengt. Ihr Vorwurf: Das niederländische Bataillon Dutchbat unter Kommandant Thom Karremans habe nach dem Fall der Enklave Srebrenica im Juli 1995 nichts unternommen, um das bosnische Personal der Dutchbat sowie deren Familien zu schützen. Der niederländische Staat berief sich hingegen auf die Immunität der Vereinten Nationen.
Im Juli 2011 urteilte der Zivilgerichtshof in Den Haag, dass die niederländischen Truppen nicht nur im Auftrag der UN, sondern auch im Auftrag der niederländischen Regierung im Einsatz gewesen seien, weshalb die Niederlande auch verantwortlich zu machen seien (NiederlandeNet berichtete). Damit wurde nicht nur ein früheres Urteil eines Haager Zivilgerichts aufgehoben, sondern auch zum ersten Mal die niederländische Regierung für die Taten der niederländischen UN-Truppe Dutchbat in Srebrenica haftbar gemacht.
In der niederländischen Presse hielt man den Richterspruch damals für „überraschend“, „bahnbrechend“ und „unzweifelhaft historisch“; manche Zeitungen befanden das Urteil auch als „für den niederländischen Staat unangenehm“ und „schmerzhaft“. Viele Kommentatoren rieten damals aber zur Akzeptanz des Schuldspruchs und forderten den niederländischen Staat auf, „endlich die Verantwortung für niederländische Fehler zu übernehmen“ und sich für diese Fehler zu entschuldigen.
Der Anwalt der Niederlande bestritt jedoch die Verantwortung des niederländischen Staates. Die Handlungen der Dutchbat müssten nicht den Niederlanden, sondern den Vereinten Nationen angekreidet werden. Sobald das Urteil rechtskräftig wurde (NiederlandeNet berichtete) gingen die Niederlande dagegen in Berufung. Doch dieses Berufungsverfahren brachte kein neues Ergebnis: Auch das Oberste Gericht der Niederlande sieht die Verantwortung beim niederländischen Staat. Somit können die Angehörigen der Opfer nun Schadenersatzforderungen stellen.
Die Anwältin der Opfer, Liesbeth Zegveld, erklärte nach dem Urteil des Hohen Rates gegenüber dem NRC Handelsblad, dass es den Angehörigen mitnichten nur um Schadensersatz gegangen sei. „Wenn es nur um Geld geht, hälst Du keine elf Jahre durch.“
[UPDATE, 09. September 2013, AF: Die niederländische Regierung muss sich bei Angehörigen der Srebrenica-Opfer entschuldigen. So lautet die Forderung der Oppositionsparteien SP, D66, GroenLinks und ChristenUnie in einer Reaktion auf das Urteil des Hohen Rates. „Vor diesem Urteil kann die Regierung sich nicht drücken, und es ist von enormer Wichtigkeit, dass sie sich für dieses dunkle Kapitel entschuldigt, “, so SP-Parlamentsmitglied Hary van Bommel in seinem Weblog.
Eine andere Reaktion auf das Urteil zeigen die ehemaligen Dutchbat-Angehörigen. Wim Dijkema, der damals Teil der Dutchbat-Truppe war, erklärte gegenüber dem Fernsehsender RTL Nieuws, das Massaker sei unzweifelhaft furchtbar, doch die Situation in Srebrenica sei so kompliziert gewesen, dass man im Nachhinein nicht ein einzelnes Land dafür verantwortlich machen könne. „Dieses Urteil kratzt alte Wunden wieder auf.“
Die niederländische Regierung erklärte in der Zwischenzeit man werde dem Urteil des Hohen Rates folgen. Auf die Frage, ob sich die Niederlande offiziell entschuldigen werde, ging Premier Mark Rutte (VVD) nicht ein.]