Nachrichten September 2013
KRIEGSVERBRECHEN: Siert Bruins in Hagen vor Gericht
Hagen. MWE/DW/NOS/NRC. 04. September 2013.
Im westfälischen Hagen hat am Montag der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher Siert Bruins begonnen. Der 92-Jährige steht vor Gericht, weil er 1944 an der Erschießung des niederländischen Widerstandskämpfers Aldert Klaas Dijkema beteiligt gewesen sein soll. Der Fall wurde neu aufgerollt, da die Justiz die Tat nicht länger als Totschlag, sondern als Mord wertet.
Im Dezember 2012 hatte die Dortmunder Staatsanwaltschaft Anklage erhoben (NiederlandeNet berichtete), nun 69 Jahre nach der Tat beginnt der Prozess vor dem Landgericht Hagen. Zum Prozessauftakt sagte Bruins, er sei seit 1942 Deutscher. Darüber hinaus will er schweigen, so sein Anwalt. Laut Aussage eines Arztes sei die Gesundheit Bruins’ gut genug, um sich vor Gericht zu verantworten. Durch seine Lungenprobleme sei die Dauer der einzelnen Sitzungen jedoch auf maximal drei Stunden begrenzt.
Bruins, der aus Groningen stammt, meldete sich mit 20 Jahren zur Waffen-SS und beteiligte sich an der Bekämpfung des niederländischen Widerstandes. Nach dem Krieg wurde er wegen mehrerer Tötungsdelikte zum Tode verurteilt, das Urteil wurde jedoch in eine lebenslange Haftstrafe umgewandelt. Bruins konnte sich nach Deutschland absetzen und besaß dort als ehemaliger SS-Mann die deutsche Staatsbürgerschaft. Die deutsche Justiz wurde erst auf ihn aufmerksam als ihn Simon Wiesenthal, damals Leiter des jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, Ende der 70er Jahre aufspürte. Wegen Beihilfe zum Mord an zwei jüdischen Brüdern wurde er zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahre verurteilt – die Erschießung Dijkemas galt jedoch als Totschlag und war damit bereits verjährt.
Erst durch ein Urteil des Landgerichts Aachen, wo SS-Mann Heinrich Boere 2010 in einem ähnlichen Fall wegen Mordes verurteilt wurde, änderte sich die Ausgangslage. Da Mord nicht verjährt und sowohl niederländische als deutsche Medien kritisch nachfragten, rollte die Staatsanwaltschaft in Dortmund den Fall neu auf und brachte ihn in Hagen erneut vor Gericht (NiederlandeNet berichtete).
Im Fall des ermordeten Widerstandskämpfers Aldert Klaas Dijkema gibt Bruins zu, dabei gewesen zu sein als diesem in den Rücken geschossen wurde, streitet aber ab, derjenige zu sein, der geschossen hat. Wenn er schuldig gesprochen wird, könnte dies eine lebenslange Freiheitsstrafe bedeuten. Fortgesetzt wird die Verhandlung am morgigen Donnerstag.
Zu einem früheren Zeitpunkt sagte Bruins über seine Tätigkeit bei der Waffen-SS: „Ich bedaure nicht, was ich im Krieg getan habe und ich habe keine Sekunde deswegen wach gelegen. Es wurde mir durch meine Vorgesetzten aufgetragen. Es war meine Arbeit.“ Bruins ist der letzte noch lebende Niederländer, der sich für einen mutmaßlichen Mord während des Zweiten Weltkriegs verantworten muss. Andere niederländische Kriegsverbrecher sind inzwischen verurteilt oder tot. Auch ein Handlanger Bruins, der gemeinsam mit ihm des Mordes an Dijkema verdächtigt wurde, ist bereits verstorben.