Nachrichten Oktober 2013


RUSSLAND: Niederländischer Diplomat in Moskau misshandelt worden [UPDATE]

Den Haag/Moskau. /NOS/SPON/TR/VK. 16. Oktober 2013.

Das Verhältnis zwischen den Niederlanden und Russland scheint sich weiter anzuspannen. Nach etlichen diplomatischen Spannungen in der letzten Zeit kam es gestern erneut zu einem Zwischenfall. In Moskau wurde ein hoher niederländischer Diplomat von zwei Unbekannten vor seiner Wohnung attackiert. Anschließend wurde seine Wohnung verwüstet.

Bei dem Angriff auf den niederländischen Diplomaten Onno Elderenbosch handelt es sich möglicherweise um eine Retourkutsche für einen Vorfall mit einem russischen Botschafter in Den Haag in der vergangenen Woche (NiederlandeNet berichtete) sowie eine Vergeltungsaktion gegen die niederländischen Proteste gegen den Umgang Russlands mit Homosexuellen. Die Täter, die Elderenbosch als Elektriker verkleidet auflauerten, in seine Wohnung stießen und dabei leicht verletzten, hinterließen mit Lippenstift die Losung „LGBT“ in der Wohnung des Diplomaten. Die Abkürzung steht im englischen für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender, was nahelegt, dass sich der Angriff direkt auf die Aktivitäten von niederländischen Aktivisten bezieht, welche die russische Gesetzgebung in Bezug auf „homosexuelle Propaganda“ scharf kritisiert hatten.

Der niederländische Außenminister Frans Timmermans (PvdA) hatte heute Morgen direkt auf den Vorfall reagiert und den russischen Botschafter bei sich einbestellt. Heute Nachmittag hatte er zudem mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Lawrow telefoniert, um von ihm eine Erklärung der Vorkommnisse zu bekommen: „Ich möchte wissen was passiert ist und was die Russen tun, um die Schuldigen zu finden.“, so Timmermans vor dem Telefonat. Lawrow zeigte sich nach Aussagen Timmermans durch die Vorkommnisse in seinem Land geschockt. „Er nannte es ein ernstes Verbrechen. Das finde ich ein wohlwollendes Zeichen“, so Frans Timmermans gegenüber Medienvertretern. Lawrow soll die Beziehungen beider Länder ferner als „vortrefflich“ bezeichnet haben: „Er sagte, dass er es schade fände, wenn die Beziehungen beschädigt werden würden.“

Timmermans versprach, „den Fall Schritt für Schritt und Punkt für Punkt aufzuarbeiten“. Der niederländische Premier Mark Rutte (VVD) nannte den Überfall in Moskau sehr erst. Bevor voreilige Schlüsse gezogen werden, sollte aber auch nach seiner Meinung erst einmal alles genau untersucht werden: „Wir müssen alle Fakten auf den Tisch bekommen“, so Rutte. Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldet, hat in Moskau unterdessen eine juristische und strafrechtliche Untersuchung begonnen.
Am Donnerstag wird es im niederländischen Parlament eine Debatte geben, bei der die Geschehnisse in Moskau – aber auch die anderen vorangegangenen Zwischenfälle in den diplomatischen Beziehungen zwischen Russland und den Niederlanden – im Mittelpunkt stehen sollten. Interessant wird dabei vor allem sein, wie die niederländische Regierung mit den Feierlichkeiten des Niederlande-Russland-Jahres (NiederlandeNet berichtete) umgehen wird. Für den 9. November ist geplant, dass König Willem-Alexander und seine Frau Máxima nach Russland fliegen, um dort das gemeinsame Jahr feierlich abzuschließen.

Nach Ansicht von Ministerpräsident Rutte sei es zum jetzigen Zeitpunkt noch zu früh, um bereits eine Entscheidung über eine mögliche Absage des königlichen Besuchs zu treffen. Politiker anderer Parteien sind hier jedoch anderer Meinung: So meinte der D66-Abgeordnete Sjoerd Sjoerdma, dass die Misshandlung eines niederländischen Diplomaten das vorläufige Ende das Niederlande-Russland-Jahres, welches ursprünglich einen Beitrag zum gegenseitigen Verständnis und kulturellen Austausch beider Länder leisten sollte, bedeutet. Vertreter der sozialdemokratischen PvdA sind der Ansicht, dass die Feierlichkeiten zunächst einmal nur auf Eis gelegt werden sollen. Erst einmal, so die Forderung des PvdA-Abgeordneten Michiel Servaes, solle es von russischer Seite Aufklärung und Garantien für die Sicherheit niederländischer Diplomaten geben. Servaes verurteilte die Gewalttat an Diplomat Onno Elderenbosch ebenso wie sein Fraktionschef Diederik Samsom als „sehr erst und besorgniserregend“. Geschockt zeigte sich auch Samsoms christdemokratischer Amtskollege Sybrand Buma (CDA), der die Beziehungen beider Länder im Niederlande-Russland-Jahr als „furchtbar belastet“ ansieht.

[UPDATE, 17. Oktober 2013, TM: In der Nachrichtensendung Nieuwsuur sagte Frans Timmermans am Mittwochabend, dass er im Moment weiterhin davon ausgehe, dass der Besuch von König Willem-Alexander im November wie geplant stattfinden wird. Für den Außenminister wäre eine Absage ein Schritt zu viel: „Man müsste schlagkräftige Argumente bedenken, um eine Absage des Besuchs zu erwägen. Dafür gibt es im Augenblick aber keinen Anlass für. Wir werden uns die Fakten in der kommenden Zeit sehr genau anschauen und mit allen, die hierbei betroffen sind, sprechen“.]