Nachrichten Oktober 2013
DIPLOMATIE: Angespanntes Verhältnis zwischen Russland und den Niederlanden
Den Haag/Moskau. TM/NOS/NRC/VK. 09. Oktober 2013.
Russlands Präsident Wladimir Putin „kocht vor Wut“. So schrieb es heute die niederländische Zeitung de Volkskrant. Grund für den Zorn des Präsidenten sind eine Anzahl diplomatischer Verstimmungen, die Russland aktuell mit den Niederlanden hat. Beobachter sagen, dass die eigentlich guten Beziehungen beider Länder momentan auf einem Tiefpunkt angelangt sind.
Eigentlich hatte alles ganz anders kommen sollen. Das Jahr 2013 sollte als Niederlande-Russlandjahr gefeiert und die besondere Beziehungen beider Länder herausgestellt werden (NiederlandeNet berichtete). Mit Aktionen der Niederlande in Russland und Russlands in den Niederlanden wollte man die Partnerschaft weiter ausbauen und die Zusammenarbeit stärken. Eine Reihe von Vorkommnissen hat das ehemals partnerschaftliche Verhältnis der beiden Staaten aber wohl nachhaltig angetastet.
Chronik der Ereignisse
Bereits im Januar standen die Zeichen erstmals auf Konflikt, als ein russischer Asylsuchender in einem niederländischen Gefängnis Selbstmord beging. Im April dann demonstrierten tausende Homosexuelle gegen den Besuch von Wladimir Putin in den Niederlanden. Im Juli wurde ein niederländischer Filmemacher wegen „Homopropaganda“ in Russland vor Gericht gestellt (NiederlandeNet berichtete) und einen weiteren niederländischen Künstler erwischte es Ende September: Dem Fotografen Rob Hornstra, der bereits seit ein paar Jahren preisgekrönte Fotos von der sehr armen und gewalttätigen Region Sotschi macht, in der im Winter die olympischen Spiele stattfinden werden, wurde der Zutritt zum Land verwehrt.
Aktuell scheinen sich die Ereignisse in den bilateralen Beziehungen beider Länder nahezu zu überschlagen: Das wohl bedeutendste Ereignis ist dabei die Inhaftierung von 30 Greenpeace-Aktivisten – darunter zwei Niederländer –, die noch im September auf dem unter niederländischer Flagge fahrenden Schiff Arctic Sunrise in der Barenzsee eine Protestaktion durchgeführt hatten. Die Aktivisten wurden der Piraterie beschuldigt – ein Delikt, welches in Russland mit 15 Jahren Gefängnis bestraft werden kann – und sitzen seitdem in Murmansk in Arrest. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans hatte in der vergangenen Woche angekündigt, dass seine Regierung rechtliche Schritte unternehmen würde, um die Greenpeace-Aktivisten frei zu bekommen. Flankiert wurde dieser Konflikt beider Länder davon, dass sich die niederländische Polizei in der vergangenen Woche offiziell beschwert hat, dass sich russische (und chinesische) Diplomaten regelmäßig weigern, Strafen für Verkehrsdelikte zu bezahlen. Am Wochenende hatte zudem eine Schauspielertruppe aus Amsterdam nach einem Auftritt in Sankt Petersburg einen Text vorgetragen, der sich gegen das Anti-Homopropaganda-Gesetz in Russland richtete.
Ein weiterer Höhepunkt des Konfliktes zwischen den Niederlanden und Russland ereignete sich am vergangenen Wochenende bei einem Mitarbeiter der russischen Botschaft in Den Haag. Ein Nachbar des Mitarbeiters Dimitri Borodin – neben dem Botschafter der zweitwichtigste Diplomat – hatte bei der Polizei angerufen und angegeben, dass Borodin seine Kinder misshandle. Daraufhin stürmten Polizeikräfte dessen Wohnung und hielten den Diplomat für drei Stunden auf dem Polizeipräsidium fest. Der Diplomat sei angetrunken gewesen und die Polizei habe ihn mitgenommen, um zu verhindern, dass seine Kinder durch ihn misshandelt wurden, wie de Volkskrant mit Berufung auf gut unterrichtete Kreise heute meldete. Wladimir Putin nannte den Vorfall in Den Haag „eine grobe Schändung des Wiener Übereinkommen von 1961 über diplomatische Beziehungen“. Der russische Präsident forderte direkt Aufklärung, eine Bestrafung der Schuldigen und eine offizielle Entschuldigung von der niederländischen Seite. Russlands Außenminister Sergej Lavrov nannte es zudem absurd, dass so etwas in der juristischen Hauptstadt Den Haag passieren konnte. Der niederländische Außenminister Timmermans reagierte auf die Anschuldigungen aus Russland und versprach gestern eine Untersuchung der Ereignisse in Den Haag. Heute Nachmittag ging er nochmals an die Öffentlichkeit und entschuldigte sich bei der russischen Regierung für die Vorkommnisse. Der Außenminister gab zu, dass die Polizisten das Wiener Übereinkommen verletzt haben.
Niederlande-Russlandjahr
Noch vor der Entschuldigung durch Frans Timmermans hatte die russische Seite am Dienstag den nächsten Schachzug in dem aktuellen diplomatischen Schachspiel unternommen: Das Außenministerium in Moskau hatte den niederländischen Botschafter Ron van Dartel in Moskau von seinen Aufgaben entbunden. Wie sich die Beziehungen beider Länder nach der niederländischen Entschuldigung nun weiter entwickeln werden, bleibt momentan abzuwarten. Fest steht bereits, dass der niederländische König Willem-Alexander im November nach Russland fliegen will, um das gemeinsame Niederlande-Russlandjahr abzuschließen. Mit viel Herzlichkeit wird es dort aber wohl nicht empfangen werden.