Nachrichten November 2013
PKW-MAUT: Niederländische Politiker fühlen sich diskriminiert
Den Haag/Hengelo. TM/bgland24.de/fd/NOS/WN. 29. November 2013.
Die in den Koalitionsgesprächen zwischen CDU, CSU und SPD beschlossene Einführung einer Pkw-Maut auf bundesdeutschen Autobahnen stößt nicht nur in Deutschland auf Kritik. Auch unsere niederländischen Nachbarn beobachten die Entwicklung zur geplanten Maut sehr genau. Die niederländische Infrastrukturministerin Melanie Schultz van Haegen (VVD) sieht in der geplanten Einführung eine Diskriminierung und hat bereits den Kontakt mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) gesucht.
Wenn in Deutschland eine Maut auf Autobahnen eingeführt würde, dann beträfe dies im Ausland zu allererst die Bewohner der vielen umliegenden Grenzregionen. Für die Niederlande wären aber auch die vielen Urlauber betroffen, die auf ihrem Weg ins Sauerland, nach Bayern oder auf der Durchreise in die Schweiz, nach Österreich oder Italien von der geplanten Autobahngebühr betroffen wären. Zwar soll die Maut uneingeschränkt für In- wie Ausländer gelten, da deutsche Staatsbürger die Kosten der Vignette aber gegen die Kfz-Steuer verrechnen dürfen sieht die niederländische Regierung hierin den Tatbestand der Diskriminierung erfüllt.
Aushöhlung des Gemeinschaftsrechts
Wie die für Infrastruktur zuständige Umweltministerin Schultz van Haegen in der Antwort auf eine Parlamentsanfrage der Fraktion D66 jetzt mitteilte, sei ihr Kabinett der Ansicht, dass es rechtlich nicht möglich sei, dass faktisch nur Ausländer eine Maut bezahlen. Aus diesem Grund solle die EU-Kommission so schnell wie möglich darüber urteilen, ob die in den Koalitionsgesprächen verabredete Einführung der Pkw-Maut mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar wäre. In Ihrer Antwort teilte die Ministerin zudem mit, dass sie ihre Sorgen auch gegenüber Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer geäußert und ihn um eine Unterredung gebeten habe. „Ich habe Raumsauer um Rücksprache gebeten, um diese Entwicklung zu besprechen und die niederländischen Sorgen überbracht“, so Schultz van Haegen in ihrer Antwort. Besonders sorge sich die Ministerin um die Bewohner der niederländisch-deutschen Grenzregion. Die genauen Folgen der geplanten Maut für die Niederlande könne die Regierung, solange es noch „keine konkreten Pläne gibt“, nicht beurteilen.
Mit Ihrer Befürchtung stehen die Niederlande nicht alleine da. Auch von Vertretern der österreichischen Regierung werden Stimmen laut, die das geplante Autobahnmaut mit europäischem Recht in Konflikt sehen. In Österreich selber besteht zwar auch eine Maut, die für Deutschland geplante Verrechnung mit der Kfz-Steuer für Inländer stößt aber auch dort auf Kritik. So befürchtete die Tiroler EU-Abgeordnete Eva Lichtenberger (Grüne) bei einer Mauteinführung in Deutschland jüngst „ungeahnte Folgewirkungen in vielen Bereichen“. „Wenn Deutschland die Maut einführen kann, wieso kann Österreich dann keine Studiengebühren für EU-Ausländer einführen“, fragte Lichtenberger vor Journalisten in Brüssel und äußerte die Befürchtung, dass bewährte europäische Prinzipien bedroht seien.
Furcht der Grenzgemeinden
Angst und kritische Töne kommen aus den Niederlanden auch direkt aus den Grenzregionen. So befürchtet etwa Michael Sijbom, Bürgermeister der Gemeinde Losser an der Grenze zum Münsterland, dass zu den Nachteilen, die die Grenzgemeinden bereits durch die Lkw-Maut erleiden mussten, zukünftig noch weitere hinzukommen werden. Viele Lastwagen haben sich seit Einführung der Maut Schleichwege abseits der Autobahnen gesucht und so zu einer enormen Belastung für die Ortschaften entlang der Autobahnen gesorgt. „Wir hoffen, dass die deutsche Regierung einen Korridor an der Grenze von zum Beispiel 50 Kilometer mautfrei einführt, um die Nachteile zu vermindern“, schlug Sijbom gegenüber den Westfälischen Nachrichten vor. Zudem ist der Bürgermeister auch der Meinung, dass die in den Koalitionsgesprächen geplante Mautregelung dem europäischen Recht entgegen stehe. „Losser liegt mitten in Europa, und dieser Vorschlag ist nicht mit dem europäischen Gedanken vereinbar“. Gerade im Grenzgebiet sei der freie Verkehr von Personen für das Wirtschaftswachstum wichtig, so Sijbom weiter.
Und auch andere Politiker aus der Grenzregion rundum die Gemeinde Losser sind von den Plänen der möglichen nächsten Bundesregierung alles andere als begeistert. Vertreter von Städten und Kreisen hatten auf dem am vergangenen Freitag stattgefundenen EUREGIO-Rat im niederländischen Hengelo einen Beschluss gefasst, nachdem die EUREGIO im westfälischen Gronau die Möglichkeiten untersuchen sollte, ob es für die Grenzregion – und dort vor allem für Grenzpendler oder grenzüberschreitende Unternehmen – Ausnahmegenehmigungen beim Grenzübertritt geben könnte. Derartige Sonderegeln bestehen bereits seit mehreren Jahren an der österreichisch-deutschen Grenze rundum Salzburg. Dort konnte der zuständige grenzüberschreitende EuRegio-Regionalverband im Jahr 2010 eine Resolution zur Vignettenbefreiung rund um Salzburg verabschieden. Grund dafür war seinerzeit die Befürchtung, dass die in Österreich geltende Autobahnmaut für die deutsch-österreichische Grenzregion eine Vielzahl unerwünschter Folgewirkungen habe. So sprach man seinerzeit auch dort von der massiven Benutzung von Alternativrouten zu Lasten des Salzburger Stadtgebietes, von Attraktivitätsverlusten und somit auch wirtschaftliche Einbußen und Standortnachteile für die Stadt, den Flughafen oder die Messe.