Nachrichten März 2013
EUROPA: Niederlande zeigen sich EU-skeptisch
Den Haag. AF/burgerforum-eu.nl/NRC/presseurop/VK/VN. 07. März 2013.
Überträgt die Niederlande Befugnisse an die Europäische Union, muss künftig ein nationales Referendum dazu abgehalten werden. Mit diesem Wunsch der Bürgerinitiative Burgerforum-EU.nl muss sich nun die Zweite Kammer auseinandersetzen. Denn die Initiative, die Ende Januar ins Leben gerufen wurde, hatte diese Woche die benötigten 40.000 Unterschriften zusammen, um eine Kammer-Debatte beantragen zu können. Die Euroskepsis der Niederländer, die sich schon im Wahlkampf 2012 zeigte, ist also nicht kleiner geworden, sondern eher noch gewachsen.
„Demokratie wird durch EU ausgehöhlt“
„Wie sehen die Einwohner der Niederlande die Zukunft ihres eigenen Landes? Wollen sie Stück für Stück ihre demokratischen Befugnisse verlieren und in einem föderalen europäischen Staat aufgehen – welcher uns die Möglichkeit nimmt, fundamentale Beschlüsse über unsere Zukunft selbst zu treffen?“, so die Initiatoren der Bürgerinitiative am 26. Januar im NRC Handelsblad. Auf nationalem Niveau bleibe immer weniger politische Macht übrig. Die Demokratie werde „ausgehöhlt“, so die Bürgerinitiative auf ihrer Website. Wenn künftig Befugnisse an die EU übertragen werden, dann soll dieser Beschluss vorher durch eine Volksabstimmung abgesegnet werden. Man wolle Unterschriften sammeln, um ein Referendum zu erzwingen, in der über die Zukunft der Niederlande in der Europäischen Union abgestimmt werde.
Inspiriert worden waren die Euroskeptiker von der Rede des britischen Premiers David Cameron Ende Januar, in welcher er angekündigt hat, die Briten 2017 in einem Volksentscheid darüber abstimmen zu lassen, ob Großbritannien weiterhin Mitglied der EU bleiben will (NiederlandeNet berichtete über die niederländischen Reaktionen hierauf).
Inzwischen hat die niederländische Initiative schon mehr als 45.000 Unterschriften gesammelt. Nur 40.000 Unterschriften sind nötig, um ein Thema auf die Tagesordnung der Zweiten Kammer setzen zu können. Ist diese Hürde geschafft, wird stichprobenartig nachgeprüft, ob diejenigen, die eine Unterschrift geleistet haben, das Anliegen tatsächlich unterstützen wollen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Thema die vergangenen zwei Jahre nicht bereits in der Zweiten Kammer debattiert worden ist. Auch wenn nun zuerst noch geprüft werden muss, ob es das Thema überhaupt in die Zweite Kammer schafft, hat die Initiative bereits jetzt eines geschafft: Die Niederlande diskutiert über die EU.
„Ihr wollt aus der EU austreten, seid doch einmal ehrlich“
Während der Vrij Nederland-Redakteur Ko Colijn die Argumente der EU-Gegner für ein Referendum als „demagogisch, falsch, tragisch, unrealistisch und tendenziös“ bewertet und das Instrument Referendum „leichtsinnig“ findet, rufen Parlamentsabgeordnete wie die PvdD-Fraktionsvorsitzende Marianne Thieme via Twitter zur Unterzeichnung der Petition auf. Auch PvdA-Fraktionsvorsitzender Diederik Samsom erklärte in einem Interview mit dem NRC Handelsblad am vergangenen Samstag, er wolle, dass im Falle einer neuen Vertragsänderung der EU die niederländische Bevölkerung in einem für die Regierung nicht-bindenden Referendum dazu befragt werde.
Samsoms Parteigenosse, Außenminister Frans Timmermans, bewertete den Aufruf der Initiative hingegen auf seiner Facebook-Seite als verlogen: „Das abgedroschene ‚Wir wollen ein anderes Europa‘, das kenn ich zur Genüge. Ihr wollt aus der EU austreten, seid doch einmal ehrlich, dann wissen auch die Niederlande, was euch vorschwebt.“ Der Minister versprach, dass das Kabinett in Kürze eine eigene Vision zur weiteren europäischen Zusammenarbeit vorlegen werde. „Vielleicht ist es ja nützlich, zuerst darüber zu debattieren“, schloss er versöhnlicher.
Ein EU-Referendum will die Mehrheit der Niederländer auch, so die neuesten Zahlen des Meinungsforschungsinstituts Maurice de Hond. 64 Prozent der Befragten bejahten die Frage, ob sie fänden, dass in den Niederlanden ein Referendum abgehalten werden muss, wenn geplant ist, neue Befugnisse an die EU zu übertragen. Anders als Samsom wollen die meisten Bürgerinnen und Bürger in dem Fall aber eine bindende Volksabstimmung (57 Prozent). 65 Prozent erklärten sogar, es sollten am besten gar keine weiteren politischen Befugnisse an die EU abgetreten werden. Und 66 Prozent der niederländischen Bevölkerung unterschrieben die Aussage „Die EU ist nicht demokratisch“.
Bereits im Wahlkampf zur Zweiten Kammer im vergangenen Herbst war die „Fremdherrschaft“ durch die EU beherrschendes Thema gewesen (NiederlandeNet berichtete). Dass die Sozialisten und der Populist Geert Wilders (PVV) bei den Wahlen dann letztendlich doch weniger Stimmen auf sich vereinen konnten als die eher pro-europäische VVD und PvdA werteten Beobachter damals als Sieg für Europa (NiederlandeNet berichtete). Der Erfolg dieser jüngsten euroskeptischen Bürgerinitiative zeigt jedoch deutlich, dass die Stimmungslage in den Niederlanden im Hinblick auf die Europäische Union nicht ganz so zweifelsfrei ist wie noch vor rund fünf Monaten angenommen.